pflanzen durch die verschiedenstenKlimate der Erde verbreitet sind.
Nur wenige von den arktischen Phanerogamen kommen diesen
kryptogamischen Gewächsen nahe und sind daher fähig, in ihrer
Gemeinschaft die Tundren zu bewohnen. Wenn das unterirdische
Eis nur bis zu einer geringen Tiefe aufthaut und das Wasser keinen
hinreichenden Abfluss hat, muss, wie bemerkt, die Bodentemperatur
den ganzen Sommer hindurch auf dem Gefrierpunkte stehen bleiben
, weil die Wärme der Sonnenstrahlen durch die fortschreitende
Schmelzung vollständig verbraucht wird. Dies sind daher die Bedingungen,
unter denen auf der Tundra fast nur Zellenpflanzen tibiig
bleiben und die Formen der Laubmoose und Eichenen sich des Bodens
fast ausschliesslich bemächtigen. Unabhängig von der Dauer
der Vegetationszeit, wachsen ihre Organe fort, so oft Wärme und
Feuchtigkeit es gestatten. Auf der ganzen Erde bei den verschiedensten
Temperaturen vegetirend, haben sie hier das Vorrecht, selbständige
Formationen von grösstem geographischem Umfange zu
erzeugen, weil die übrigen Gewächse ihnen nicht folgen können.
Die Form der Laubmoose, die sich von der der Erdlichenen
durch ihre grüne Farbe unterscheidet, herrscht auf dem Festlande
des arktischen Sibiriens, von wo sie über den Ural in das Samojedenland
eintritt, ohne in der alpinen Region Lapplands und Norwegens
in gleichem Umfange entwickelt zu sein. Dem geneigten Boden der
Gebirgsabhänge entspricht das Feuchtigkeitsbedürfniss der Tundramoose
nicht, welches das flache Tiefland aus den Vorräthen des
unterirdischen Eises befriedigt. Der Schnee schmilzt auf der Moosdecke
zwar schon zu Anfang des Sommers, aber anderthalb Monate
später, an einem der wärmsten Tage des Jahrs (2. August), fand
Middendorff4) im Taimyrlande da, wo das Moos den Boden beschattete,
denselben noch in 2 Zoll Tiefe gefroren. Im europäischen
Samojedenlande beobachtete Schrenk6), dass die Tundra im Sommer
eine Spanne, höchstens einen Fuss tief aufthaue. Von diesen Unterschieden
ist die Wassermenge der oberflächlichen Bodenschicht abhängig,
in welche die Moose mit ihren schwachen Wurzeln so wenig
eindringen. Zwei verschiedene Grade der Feuchtigkeit werden dadurch
angedeutet, dass die beiden herrschenden Gattungen von Laubmoosen
mit einander abwechseln [Polytrichum und Sphagnum). Das
Polytrichum-Moos, mit seinem kurzen einfachen Stengel, seinen gedrängten
, bräunlich grünen Blattnadeln dem unentwickelten Triebe
eines Nadelholzes vergleichbar, bildet die unermessliche Tundra des
arktischen Sibiriens, wo derBoden verhältnissmässig weniger Feuchtigkeit
darbietet. Das Sphagnum-Moos verwandelt ihn, wie in niedrigeren
Breiten, in ein Torfmoor, in einen Morast von grösserer
Feuchtigkeit, aber doch nur geringer Tiefe, weil das Eis immer noch
so nahe unter der Oberfläche liegt. Zu der Feuchtigkeit aber trägt
dieses Moos selbst durch seine Organisation bei, weil es ein besonderes
Gewebe von geöffneten Zellen und dadurch die Fähigkeit besitzt,
das Wasser kräftiger als die gewöhnlichen Laubmoose aufzusaugen
und zurückzuhalten. Von Feuchtigkeit getränkt, nimmt es
eine lebhafter grüne Farbe an, im trockenen Zustande wird es weiss-
lich gelb, und durch den Wechsel mit diesen matten Tinten und dem
bräunlichen Schimmer des Polytrichum spricht sich die geringe
Energie des auf der Tundra gleichsam ersterbenden vegetativen
Lebens aus.
Wenn die Form der geselligen Laubmoose einen lockeren, mit
Feuchtigkeit gesättigten Boden voraussetzt, so sind die Erdlichenen
da in grossen Massen vereinigt, wo anstehendes Gestein der Oberfläche
nahe liegt und diese leichter abtrocknet Man unterscheidet
daher die nasse Tundra, die von Moosen, und die trockene, die von
Lichenen bekleidet ist. Wahlenberg sagt von der Lichenenregion in
Lappland, dass sie sich in der Sonne bedeutend erhitzen könne. Die
Moose halten die kalte Feuchtigkeit zurück, die sie so begierig aufsaugen,
die Lichenen können Nässe und Trockenheit gleichmässig
ertragen und sind, je nachdem ihr Gewebe im dürren Zustande von
der Sonne getroffen, im befeuchteten durch die Nähe des unterirdischen
Eises oder des Schnees erkältet wird, beständig den äussersten
Temperaturschwankungen ausgesetzt, die hier möglich sind. Die
Lichenentundra ist im arktischen Amerika vorherrschend, und dieselbe
Vegetation kehrt auf den alpinen Fjelden Skandinaviens in der
Nachbarschaft der Schneelinie wieder. In beiden Fällen vegetiren
diese Erdlichenen auf dem sandigen Verwitterungsprodukt graniti-
scher Felsmassen: wahrscheinlich ist für ihr Gedeihen auch mehr
mineralischer Nahrungsstoff erforderlich als die Moose bedürfen, wie
das festere Gewebe und die Menge der Aschenbestandtheile andeutet.
Die herrschenden Arten von Erdlichenen gehören zu drei Gattungen
(Cetraria, Cladonia, Evernia): nach ihrer mannigfachen, abermatten
Färbung, ihrem aufrechten, oft reichlich verzweigten Wachsthum,
ihrer Grösse, die ein bis zwei Zoll zu erreichen pflegt, ist ihr Ge-
sammtbild mit keiner anderen Pflanzenform zu vergleichen. Die