sie begleitenden Gewächse überwiegen, so ist das Wechselverhält-
niss zwischen Klima und Vegetation doch hiedurch nicht vollständig
erschöpft. Die Vegetationslinien, welche den Parallelkreisen des
Aequators parallel gehen oder ihnen genähert sind, erheischen eine
weitere Erörterung.
Schon bei dem Verhältniss der Nadel- und Laubwälder im
europäischen Russland wurde die Bedeutung der in nördlicher Richtung
abnehmenden solaren Wärme hervorgehoben. Aber auch innerhalb
des Buchenklimas ist der Einfluss der geographischen Breite
auf den Reichthum der Flora sehr erheblich. Von den Alpen bis
Lappland nimmt die Mannigfaltigkeit der Pflanzenarten in regelmässiger
Reihenfolge ab62). Vergleicht man gleich grosse Räume
des süddeutschen Rheinthals und Lapplands, so findet man die Artenzahl
der Phanerogamen dort auf mehr als das Dreifache gewachsen
(400 : 1360). Geringer, aber doch noch bedeutend ist der Unterschied,
wenn man grössere Abschnitte des Waldgebiets, wie
Skandinavien mit Deutschland zusammenstellt (1680 : 2840). Wenn
auch der hohe Norden manche eigenthümliche Erzeugnisse aufzuweisen
hat, so ist deren Anzahl doch nur verschwindend klein, wenn
wir sie mit denen vergleichen, deren Polargrenze weiter südwärts
liegt. Dass solche nördliche Vegetationslinien mehr oder weniger
genau an bestimmte Breitengrade gebunden sind, ist schon bei einer
dem Westen Europas eigenthümlichen Erikenform zu bemerken (bei
Erica cinerea) , die auf den Färöer und in Norwegen unter gleicher
Polhöhe (6i°) aufhört. Die Erscheinung ist indessen eine ziemlich
allgemeine, und man kann in vielen Fällen nachweisen, dass die
Uebergänge der Nordgrenzen in andere Richtungen erst unter bestimmten
Meridianen eintreten und nun erst die Abstufungen der
Temperaturvariation ihren Einfluss äussern. Im skandinavischen
Norden ist die Uebereinstimmung der nördlichen Vegetationslinie
mit Parallelkreisen weniger auffallend, weil hier der die norwegische
Küste bespülende Golfstrom eine örtliche Ablenkung derselben nach
Norden bewirkt. Was dieser an Wärme zuführt, kommt den Pflanzen
neben der solaren Wärme zu gute. Jene Erika ist in sofern in
einer Ausnahmestellung, als ihre beiden nördlichsten Standorte
gleichmässig durch den warmen Meeresstrom beeinflusst sind. In
Norddeutschland habe ich eine Reihe von Vegetationslinien gesammelt
63), die hier, ebenso wie im europäischen Russland, den Breiten
von 510 bis 530 entsprechen, und von denen nur einige aus dersel-
Ursache in England weiter nach Norden abgelenkt sind. Nichts
ist für diese Betrachtungen lehrreicher als die Vergleichung des
norddeutschen Hügellandes mit den Ebenen Russlands, wo die Neigung
des Bodens verschwindet, wo die Sumpflandschaften Lithauens
an die schwarze Erde des Steppenrandes herantreten, wo die anstehenden
Gesteine fehlen, kurz wo fast alle Einflüsse des Bodens
auf das Pflanzenleben andere geworden sind. Da nun diese örtlichen
Bedingungen des Vorkommens und zugleich auch die meisten klimatischen
Werthe so sehr ab weichen und doch die Polhöhe , bis zu
welcher jene Pflanzen verbreitet sind, dieselbe bleibt, so kann die
Ursache der Erscheinung nur in dem Maasse der solaren Wärme erblickt
werden, von welchem diejenigen Arten, die, auf schattenlosem
Boden wachsend, durch direkte Sonnenstrahlen erwärmt werden,
abhängiger sind als von den klimatischen Linien, deren Temperatur
durch das Thermometer gemessen wird.
Dass die Minderung der solaren Wärme nicht nur, sondern auch
die Steigerung derselben den Pflanzen eine Grenze setzen kann, lehrt
die geringe Anzahl nordischer Arten, die südwärts unter einer bestimmten
Breite nicht mehr gedeihen oder daselbst in die Gebirgs-
regionen hinaufrücken. Denn mit der gesteigerten Wärme werden
die Entwickelungszeiten verschoben: Arten, die im nordischen Sommer
blühen und reifen, werden genöthigt sich schon im Fruhhnge
auszubilden und erfahren die höchste Reizung zu einer Zeit, wo sie
ihrer Organisation nach bereits in den Winterschlaf eintreten sollten.
Wenn die klimatischen Werthe der Temperaturvariation und
der solaren Wärme in ihrem Zusammenwirken auf die einzelnen Gewächse
stets gesondert betrachtet werden könnten, und wenn die
physiologische Grundlage solcher Untersuchungen einst umfassend
bearbeitet sein wird, erst dann ist die Möglichkeit gegeben, den
Gesammtverlauf der klimatischen Pflanzengrenzen vollständig aut
seine Bedingungen zurückzuführen. Bis jetzt sind nur die Anfangsgründe
dieser Forschungen zugänglich, aber es ist schon ein Gewinn,
wenn man zu unterscheiden vermag, ob das Klima einei gege cnen
Pflanzengrenze zu Grunde liegt, oder ob bei dem Streben jedei it,
sich über die Erdfläche auszubreiten, die klimatischen Grenzwerthe
des Gedeihens noch nicht erreicht sind.
Als ein Problem, welches noch vielseitige Arbeit erfordern wird,
bezeichne ich es also, in welchen Fällen die solare Warme oder abci
die Abstufung des See- und Kontinentalklimas die Lage der Vege