
 
		geringfügigen  Werth  des  Bodens.  Auf  den  unregelmässig  geordneten  
 Höhenzügen derGrampians  (57 °)  und am kaledonischen Kanal,  
 wo  die  alpine Region  sich weitläufiger  ausbreitet,  reichen  die Wälder, 
   ebenfalls  mit Haiden  wechselnd,  auch  nur  selten  bis  zu  ihrer  
 klimatischen  Niveaugrerf'ze,  die  man  daher  nur  aus  den  Beobachtungen  
 über das  höchste Vorkommen  der Birke  (2500  Fuss)  und  der  
 Kiefer  (2100  Fuss)  zu  erkennen  vermag.  Die Anordnung  dieser beiden  
 Bäume  aber  entspricht durchaus  den Verhältnissen  Norwegens :  
 nur  die Fichte  fehlt,  die  den  britischen  Inseln  fremd  geblieben  ist.  
 Nach Maassgabe der Polhöhe'zeigen die Grampians die vollkommenste  
 Uebereinstimmung  mit  dem Folgefond  inHardanger:  was  in Norwegen  
 als  eine  extreme Wirkung  des  Seeklimas  erschien,  wird  in  
 Schottland  zur  gesetzlichen,  klimatischen Norm.  Eigenthümlich  ist  
 sodann  die Erscheinung,  dass  die  Calluna,  die  den Wald  gleichsam  
 verdrängt  zu  haben  scheint,  über  die Baumgrenze  hinaufrückt  und  
 von  der Küste  aus  noch  in  die Region  der  alpinen  Sträucher  eintritt,  
 bis  auch  hier,  wie  auf  den Fjelden,  über  die Haide  und  die Zwergbirke  
 hinaus  die  Vaccinien  und  Empetrum  noch  höher  ansteigen.  
 Da  ferner der Waldschatten  es  ist,  der die  alpinen  Stauden von  den  
 tieferen Regionen  abscheidet,  so  lässt  die  offene Haide  es  zu,  dass  
 manche  derselben  in  Schottland  weit  allgemeiner  unter  das  Niveau  
 der baumlosen Region  herabsteigen,  als  dies  anderswo  der Fall  ist. 
 Der  Ur a l   bildet  vermöge  seiner  nördlichen  Erstreckung  bis  
 zur  Insel Waigatsch  die  einzige unmittelbare Verbindung  der  arktischen  
 mit  der  alpinen  Flora  Europas.  In  der  Nähe  des  Polarkreises  
 I4°)  liegt  hier  am  Russe  des  Gebirgs  die  aus  Fichten  (67°)  
 und Lärchen  (68°)  gebildete  Polargrenze  des Waldes.  Diesem  Ver-  
 hältniss  entspricht  es,  dass  auch  in  der  Breite  der  norwegischen  
 Fjelde  (61 °)  die  Waldregion  um  mehr  als  600 Fuss  tiefer  liegt  als  
 dort.  Ja wir müssen,  die Richtigkeit  dieser von Kowalski  herrührenden  
 Messungen  vorausgesetzt,  die Depression  der Baumgrenze  des  
 nördlichen Ural  im Vergleich mit  Skandinavien  noch höher  anschlagen  
 ,  weil  hier  der  am  höchsten  ansteigende Baum  die Lärche  ist,  
 die,  wo  sie  die Birke  begleitet,  gewöhnlich  über  diese  und  so  auch  
 über  die Fichte  hinausgeht.  Dürfen  wir  diesen  Unterschied  im Niveau  
 der Regionen  nun  zwar  in  erster Linie  dem Golfstrom  zuschreiben, 
   der  Skandinavien bevorzugt,  so  hat  der Ural  selbst  doch  auch  
 an  der Erscheinung  seinen  besonderen Antheil.  Wild  und  felsig  ist  
 der  arktische  Theil  des  Gebirgs  I4°),  überall  von  Gerollen  bedeckt 
 und  vegetationslos.  Nur  am Fusse  der Berge  zeigt  sich  die Vegetation  
 der Tundren,  dann  folgen  einförmig  graue  Trümmergefilde,  
 eine Oede,  wo  nur  Steinlichenen  Gedeihen  finden.  Auf einem  über  
 4000'  hohen  Gipfel  (68°)  schien  dem Reisenden  Schrenk  alle Vegetation  
 weithin  erstorben,  auch  der  Schnee  fehlte,  und  nur  in  der  
 Tiefe  der  Thäler  Hess  sich  hin  und  wieder  verstreut  ein  bräunlich  
 grüner Fleck,  eine kümmerliche Oase  des  Pflanzenlebens  entdecken.  
 Auch  in  südlicheren Breiten,  wo  der Ural weithin von  dichten Wäldern  
 bedeckt  ist,  erscheint auf den höheren Gipfeln die alpine Region  
 öde  und  mit  Felsgeröllen  bedeckt,  wodurch  denn  auch  hier  der  
 Baumwuchs  zurückgedrängt wird,  der daselbst nur  an  dem höchsten  
 Gipfel,  dem  Iremel-Tau  (56°),  seine klimatische Grenze  zu  erreichen  
 scheint.  Und  doch  verleihen  die  Thäler  im  nördlichen  Ural  den  
 Bäumen  einen  grösseren  Schutz  als  die  offene  samojedische  Tiefebene, 
   wo  die  Nordgrenze  des Waldes  den Polarkreis  nicht überall  
 erreicht  (66°),  den  sie  im  Gebirge  um  etwas  überschreitet.  Man  
 sollte  erwarten ,  dass  der Ural,  der meist nur  einen  einfachen Bergrücken  
 bildet oder  aus wenigen,  schmalen Parallelketten zusammengesetzt  
 ist,  im Ganzen betrachtet  den deprimirenden oder elevirenden  
 Einflüssen  der  plastischen  Bodengestaltung  und  der  1 emperatur-  
 variation  weniger  als  andere  Gebirge  unterworfen  wäre.  Nicht  die  
 Masse  des Felsgebäudes  vermag  die Regionen  zu heben,  nicht  das  
 Seeklima  sie  herabzudrücken,  welches  eben hier  in  das  kontinentale  
 Sibiriens  übergeht.  Dennoch  verhalten  sich  die  Niveaugrenzen  im  
 Norden  und  Süden  entgegengesetzt.  Im Bereiche  Südeuropas  werden  
 wir Erscheinungen  kennen  lernen,  welche  zeigen,  dass,  wenn  
 die  Nähe  des  Meers  die  Regionen  herabdrückt,  das  kontinentale  
 Klima  keineswegs  in  jedem Falle  elevirend,  sondern,  über  ein  gewisses  
 Maass gesteigert,  ebenfalls  deprimirend wirken kann.  Je nachdem  
 der  Winter  oder  die  Vegetationszeit  auf bestimmte  Gewächse  
 den  überwiegenden Einfluss  äussert,  ist  die gesteigerte Temperaturvariation  
 von  entgegengesetzten Wirkungen begleitet.  Wir besitzen  
 aus  dem  südlichen Ural vom  Iremel,  wo  die  geognostischen Verhältnisse  
 günstiger sind  als an anderen,  waldloseren Nachbargipfeln,  eine  
 Beobachtung von Lessing  über  die Baumgrenze,  welche  gerade  das  
 Gegentheil  von  dem  zeigt,  was die Messungen Kowalski s  im Norden  
 ergeben.  Die  Baumgrenze  erreicht  daselbst  (540)  die  Höhe  von  
 4000Fuss,  dasselbe Niveau  wie  in den Sudeten,  die vi’er Breitengrade  
 südlicher  liegen.  Diese  kontinentale  Elevation  ist  um  so  entschei- 
 G r i s e b a c h ,   Vegetation  der  Erde.  I.  2.  Aufl.  1 2