392 X IX . Brasilien.
aus (Campo vero). Wenn man die Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse
in den offenen Campos mit einem herrlich blühenden Garten verglichen
hat32), so beruht dieser Reichthum doch nicht so sehr, wie
im Kaplande, auf der klimatischen Abstufung nach dem Niveau,
sondern auf der ungleichartigen, verwickelten geognostischen Unterlage.
Am üppigsten fand Tschudi in Minas Geraes die Campos-
vegetation über den granitischen und Hornblende-Gesteinen, deren
Verwitterungsprodukte den Erdboden befruchten, während die Gold
und Diamanten führenden Formationen der kieselreicheren Sandsteine
(des Itakolumit) und der Schiefer nur einen ärmlichen Pflanzenwuchs
hervorbringen und weder zum Ackerbau noch zur Viehzucht geeignet
sind. Die Städte, welche dem Bergbau ihre Entstehung verdanken,
sind daher keine passende Standpunkte für den sammelnden Botaniker,
und ihr unfruchtbarer Boden ist eine der Ursachen, weshalb
sie, als die Quellen ihres Wohlstandes durch Abnahme der mineralischen
Produktion versiegten, dem Rückschritte verfallen sind. In
fernen Einöden dagegen entfaltet die Vegetation des inneren Brasiliens
den Reiz ihrer Formen, und hier ist ebendaher auch durch
Kolonisation der künftigen Entwickelung des Landes eine bedeutende
Zukunft geöffnet.
Auch in den offenen Campos kann die Unterbrechung der
Vegetationsperiode, welche in der trockenen Jahrszeit eintritt, verschwinden,
wenn der Abfluss des Wassers durch das Niveau oder
undurchlassende Erdschichten gestaut wird. Solche immergrüne
Sumpflandschaften kommen zuweilen im Innern vor, aber in noch
grösserem Maassstabe wechseln sie mit den Urwäldern in der Küstenlandschaft
von Maranhao13). Unter solchen Bedingungen werden
schwimmende Wiesen aus Cyperaceen gebildet, oder Gruppen von
Palmen (.Mauritia vinifera, die Buriti-Palme) erheben sich aus dem
schwammigen Erdreich.
Regionen. Die höchsten Erhebungen Brasiliens liegen in der
Serra do Mar, sie bleiben unter dem Niveau tropischer Baumgrenzen
zurück 4) und sind doch keineswegs bis zu ihrem Gipfel bewaldet.
Am Orgelgebirge hört der geschlossene Tropenwald schon in einer
Höhe von 4000 Fuss aufs), dann folgt ein Gürtel von Bambusen,
es erscheinen noch Farnbäume, und zuletzt begegnet man unerwartet
genug in der oberen Region jener Campos-Vegetation, welche
namentlich durch die Form der Vellosien [V. candida) bezeichnet
wird. Sogar am Corcovado bei Rio, der sich doch nur wenig über
Serra do Mar. — Gebirge des Tafellandes. 393
20QO Fuss erhebt, ist schon diese Abnahme hochwüchsiger Baumstämme
deutlich zu erkennen8) und findet darin seine Erklärung, dass
die steilen Felsgipfel dem Passatwinde zu wenig Masse darbieten, um
die für die volle Ueppigkeit des Tropenwaldes erforderliche Intensität
der Niederschläge zu erzeugen. Deshalb erreichen die Bäume überhaupt
nicht einmal den Gipfel dieses niedrigen Berges, sie werden
an den höheren Abhängen allmälig kleiner, der Wald lichter, die
Bambusen treiben zwar noch schlank ihre Triebe nach aufwärts, aber
zuletzt folgt auch hier, indem der Boden zugleich trocken wird, die
Region der zwerghaften, holzigen Liliaceen. Die fortgeschrittene
Entwaldung hat, wie zur Abnahme des Regens, so auch zur Veränderung
der Vegetation unstreitig ebenfalls beigetragen. Uebrigens
beruht das Auftreten der Vellosien im Küstengebirge, welches^ man
nicht glücklich mit den alpinen Regionen anderer Länder verglichen
hat, auf denselben Einflüssen, wie die Bildung der Campos selbst,
auf ’der Dürre des Bodens in den Jahrszeiten, wo die Sonne vom
Zenithstande sich entfernt.
Die Erhebung der das Tafelland selbst erfüllenden Bcrgziigc
und Bodenwellen bleibt noch hinter der des Küstengebirgs zurück.
Hier wird durch die Neigung der Oberfläche und durch die sanfteren
Abhänge, an denen die Feuchtigkeit sich sammelt, die Vegetation
von Holzgewächsen mehr befördert als zurückgedrängt. Indessen
bringt es der Itambe3i), den man für den höchsten Berg im Innern
hält 15600 Fuss]6), doch auf seinem Gipfel nur zur Erzeugung von
vereinzelten Zwergbäumen, die daselbst mit Vellosien und andeicn
Campopflanzen in Gemeinschaft wachsen. Nach abwärts werden auch
hier die Holzgewächse bedeutender, ein Gürtel von Carrascos nimmt
den Raum (etwa 3000— 5000 Fuss) zwischen jenen kahlen Höhen und
der Capoe-Waldung ein, welche den Puss des Bergs umsäumt. Im
Wechsel feuchter und dürrer Standorte, sowie unter dem Einfluss der
geognostischen Unterlage, fand Gardner33) auf einem solchen Höhenzuge
in Minas Geraes, zwischen Lavinha und Diamantina, eine so
reiche Ausbeute verschiedenartiger, seltener und schöner Gewächse,
dass er die Carrascos dieser Serra für den ergiebigsten Fundort
seiner ganzen, weiten Reise durch das Innere Brasiliens erklärt hat.
Vegetationscentren. Die Urwälder der Küstenlandschaften
Brasiliens mögen die grösste Mannigfaltigkeit verschiedenei Organi
sationen auf einem beengten Raume vereinigen, aber die Eigenthüm-
lichkeit der Flora ist im Inneren des Tafellandes doch in einem weit