fehlen die Eichen, welche doch den Anden von Neu-Granada nicht
fremd sind. Die Baumlosigkeit der beiden Gipfel schreibt Humboldt
I2) der Dürre des Bodens, den heftigen Seewinden und der Zerstörung
von Wäldern zu, welche durch Grasmatten verdrängt wurden.
Indessen finden sich eben hier, in geschützten Gründen,
vielleicht wo das Quellwasser zu Tage tritt, Gehölze einer Palme
(bei 5700 Fuss) und einer Heliconia (bei 6600 Fuss, s. o.) an ungewöhnlich
hoch gelegenen Standpunkten. Wie viel leichter würden da-
hei dikotyledonische Faubbäume auf diesen und noch weit grösseren
Höhen gedeihen können. Wie aber in entwaldeten Gebirgen so
häufig die Formen der höheren Regionen tiefer herabsteigen als da,
wo der Baumwuchs ihrer Ausbreitung eine Schranke setzt, so treten
auch hier die Ericeensträucher bereits in einem Niveau auf, wo die
Lufttemperatur noch 14 0 R. und mehr beträgt^). In einer Meereshöhe
von 6000 Fuss bilden sie bereits eine selbständige Formation,
.welche die Spanier nach dem vorherrschenden Strauche (Gaultheria
odorata) Pejual benannt haben I2). Man muss jedoch zwischen diesen
subalpinen und solchen Ericeen unterscheiden, die einer kühleren
Temperatur gar nicht bedürfen: denn in T. rinidad und auch in Cuba
giebt es Arten °), welche der heissen Region selbst angehören.
Der Einfluss der Meereshöhe auf die Bäume zeigt sich in
Guiana j in ähnlicher Weise wie in anderen Floren des tropischen
Südamerikas. An die Anden erinnert das Auftreten der Cinchoneen,
die durch eine den Cinchonen verwandte Gattung (.Buena s. Casca-
n lla ) auf den Roraima-Bergen (bei 6000 Fuss) vertreten sind, an-
die Savanen des brasilianischen Tafellandes die Form der Liliaceen-
bäume (eine endemische Barbacenia bei 4000 Fuss), und auch hier
sind die Farnbäume häufiger als in der Ebene. Noch enger als
Guiana ist, ihrer Tage entsprechend, die Küstenkette von Venezuela
durch systematische Analogieen mit den Anden verbunden, wie es
theils aus den Ericeen, theils daraus hervorgeht, dass die ächten
Cinchonen vom Magdalenenflusse bis zum Meridian von Caracas sich
verbreiten 2I). Die Vertheilung- der Farnbäume daselbst verhält sich
ähnlich wie in Jamaika, sie gedeihen besonders in den Höhen von
3000 bis 5000 Fuss22).
Vegetationscentren, Wir haben gesehen, wie viel enger die
Flora der westindischen Inseln mit Südamerika als mit Mexiko verknüpft
ist. Nehmen wir an, dass Guiana und Westindien etwa in
gleichem Verhältniss untersucht worden sind, so ergiebt sich , dass
ausser den über einen grossen Theil des tropischen Amerikas verbreiteten
Arten beiden Florengebieten noch etwa vierzehn Procent 23)
gemeinsam sind, von denen mehr als die Hälfte nordwärts bis Cuba
nachgewiesen wurde. Hiebei sind die der Küste von Venezuela nahe
liegenden Inseln als Glieder der Festlandsflora selbst betrachtet und
von der Vergleichung ausgeschlossen. Trinidad24) liegt den Ausflüssen
des Orinoko so unmittelbar gegenüber, dass schon deshalb
die Vegetation dieser Insel mit der des Festlands in einem weit höheren
Grade als mit den Antillen übereinstimmen muss. Dazu
kommt die grössere Feuchtigkeit des Klimas, wodurch viele Pflanzen
der zunächst gelegenen kleinen Antillen von dieser Insel ausgeschlossen
werden. Die eingewanderten Pflanzen Trinidads, welche
in Westindien nicht gefunden werden, stammen grösstentheils aus
Guiana und Venezuela, eine andere Reihe ist brasilianisch, und alle
diese Gewächse erreichen hier entweder ihre Nordgrenze oder sind,
der Küste des Kontinents folgend, bis zum Isthmus von Panama
verbreitet. Man erkennt sogleich, dass diese Wanderungen genau
der grossen atlantischen Strömung entsprechen, welche bei Kap
Roques die brasilianische Küste zu bespülen anfängt, als Guiana-
Strom Trinidad erreicht und sich im karaibischen Meere längs des
Kontinents bis zum Isthmus fortsetzt.
Mit der äquatorialen Flora Brasiliens stehen die Wälder Guianas
und des südlichen Venezuelas in ununterbrochenem Zusammenhang,
hier kann der Uebergang beider Floren nur allmälig eintreten.
Schon Humboldt23) erkannte, als er auf der Stromverbindung zwischen
dem Orinoko und dem Amazonas nach Süden bis in die Nähe
des Aequators gelangte, dass der Charakter der Flora sich ändere,
und er erwähnt namentlich, dass am Casiquiare ( i° N. B.) die Lorbeerform
ausser durch Laurineen auch durch Guttiferen und Sapo-
teen stärker vertreten werde. Er sah den Baumwuchs immer dichter
und undurchdringlicher werden: diese erhöhte Ueppigkeit des Waldes
stehe mit der Vertheilung und steigenden Menge der Niederschläge
in Verbindung. Sobald er über den dritten Parallelkreis nördlicher
Breite hinaus in das Aequatorialklima eingetreten war, hatte er nur
selten Gelegenheit, die Sonne oder Sterne zu beobachten : der Him-
sel sei beständig bedeckt, es regne fast das ganze Jahr. Diesem
klimatischen Wechsel muss auch ein Wechsel in den Bestandtheilen
des Waldes entsprechen, aber bis jetzt fehlt es noch an hinreichenden
Anhaltspunkten, dieselben näher vergleichen und im Einzelnen
Gr i s e b a c h , Vegetation der Erde. II. 2. Aufl.