Unter den nicht verholzten Laubpflanzen der feuchten Wälder
lagen die Formen der Scitamineen, der Aroideen und der Farnkräuter
durch besondere Laubgestaltung und geselliges Wachsthum hervor.
Die Scitamineen gleichen in ihren Blättern dem ihnen verwandten
Pisang. Da die einfachen , gruppenförmig verbundenen Stengel bei
manchen Arten zehn bis fünfzehn Fuss hoch werden und auch der
Stamm des Pisang weich bleibt, so unterscheiden sie sich von diesem
vorzüglich durch die zweizeilige Anordnung der Blätter: nur wenn
die Axe verkürzt ist, vereinigen sich diese zu einer Laubrosette auf
dem Erdboden. Entweder am Grunde des Stengels oder aus dessen
Gipfel treten schön gefärbte, in Roth oder Orange prangende Blüthen-
ähren hervor. Die indischen Gattungen von Scitamineen gehören
grösstentheils zu der mit feurigen Gewürzstoffen ausgestatteten
Giuppe dieser Familie, den Zingiberaceen, unter denen der Ingwer
{Vingiber) am bekanntesten ist. Dass dieselben in anderen Tropenländern
weit seltener Vorkommen, ist eine Erscheinung des Endemismus,
die aus klimatischen Ursachen nicht erklärt werden kann.
Denn die nicht aromatische Gruppe, die Cannaceen, die im tropischen
Amerika überwiegen, bewohnen ähnliche Standorte im Schatten des
feuchten Jungle. Wo die Luft feucht und die Temperatur hoch und
gleichmässig ist, scheint die Anzahl der Arten zuzunehmen.
Die Laubrosette der Aroideenform besteht aus langgestielten,
am Grunde oft pfeil- oder herzförmig ausgeschnittenen Blättern, die
zuweilen eine colossale Grösse erreichen (Caladieen). Ein belebtes
physiognomisches Bild bietet ihr gedrängtes Wachsthum am waldigen
Ufer der Flüsse, wo sie gesellig aus dem Schlammboden sich erheben.
Dieser Eindruck üppigen Gedeihens wird erhöht durch die Grösse
der bleichen oder farbigen Blumenscheide, wie man das unten eingerollte
Blatt nennt, welches an der Spitze des nackten Stengels die
Blüthenaxe iden Kolben) einhüllt. Reichlichen Wasserzuflusses bedürfen
auch die angebauten Arten, von denen der Taro [Colocasia
esculenta) eine der wichtigsten Nahrungspflanzen auf den Südseeinseln
ist. Aber auch im Dickicht des Jungle und unter den Epi-
phyten der Bäume ist die Aroideenform eine bedeutende Erscheinung.
Nach der Laubgestalt gehört auch die Gattung Tacca in diesen
Formenkreis, ohne indessen systematisch mit den Aroideen verwandt
zu sein. *
Bei den Farnkräutern, die unter den geselligen Schattenpflanzen
der feuchten Wälder durch die Mannigfaltigkeit ihrer Bildungen und
ihre den Boden dicht bekleidende oder epiphytische Vegetation die
erste Stelle einnehmen, ist ebenfalls der Wuchs in Blattrosetten vorwaltend.
Uebrigens wechseln diese Blattorgane oder sogenannten
Wedel in der Grösse von Metern bis zu Zollen, in der Gestalt von
einfachen bis zu den auf das zarteste getheilten Formen. Zu den
^rossten Formen gehört eine Art mit ungetheilten Wedeln, die epi-
phytisch zu gewaltigen Rosetten kranzähnlich sich ausbreitet (Asple-
nium nidus). Mit dem Dampfgehalt der Atmosphäre wächst die
Häufigkeit der Farne und die Anzahl der Arten, in den dürren Klinkten
des hindostanischen Tafellandes treten sie ganz aus der Physiognomie
der Landschaft zurück und beginnen in Bengalen erst
nordwärts vom Ganges, wo sie den Einfluss des Himalaja auf die
Feuchtigkeit der Atmosphäre andeuten.
Die dikotyledonischen Stauden gehen unter den Tropen durch
die häufige Verholzung der unteren Stengeitheile leicht in Strauchformen
über. Aus dieser Reihe sind die Acanthaceen die artenreichste
Familie der indischen Flora. Einige Gattungen aus andeien
Gruppen sind durch morphologische Eigenthümlichkeiten merkwürdig.
Ein durchscheinend zartes Gewebe ist dem Stengel der
schiefblätterigen Begonien und den Balsamineen (.Impatiens) eigen,
von denen die ersteren feuchte Wälder bewohnen, die letzteren in
Vorderindien eine grosse Reihe von Arten enthalten. Die sonderbarste
Bildung ist die der am Boden des Waldes oder am Gestein
kriechenden Nepentheen, bei denen die Blätter sich zu grossen, mit
einem Deckel verschliessbaren Wasserschläuchen umbilden, deren
Bedeutung noch unerklärt geblieben ist. In der unteren Waldregion
acquatorialer Gebirge sind sie am häufigsten, am Kina-Balu auf
Borneo entdeckte Low eine Art Nepenthes RajaJIs 34), deren farbige
Blattschläuche, flaschenartig gestaltet und aufrecht auf dem Boden
ruhend, ein bis zwei Fuss lang sind: einer derselben enthielt vier
englische Pinten Wasser [etwa 140 Cubikzoll]34a). Dieses Wasser ist.
trinkbar und beinahe frei von fremden Bestandtheilen. Da die
Schläuche von dem Gewebe aus gefüllt werden, so muss ein so
grosser Wasserverlust die Saftcirculation in weit höherem Grade beschleunigen
als blosse Verdunstung von Blattflächen. Dieser V01
Stellung entspricht das häufige Vorkommen von Spiralzellen im
Gewebe der Pflanze, die hier vielleicht, wie bei den Orchideen, zufälliger
oder periodischer Saftentleerung Widerstand zu leisten haben.
Die geographische Verbreitung der Nepentheen von Madagaskar bis
Gr isebach, Vegetation der Erde. II. 2. Aufl. 3