Regen, wie in Indien, der Zeit, wo die Wirkung der Insolation bei
unbewölktem Himmel am grössten ist. Die Dauer der Niederschläge
ist nicht von der geographischen Breite, sondern von der plastischen
Gestaltung der Landschaften abhängig. In Goyaz tritt unter dem
sechszehnten Parallelkreise, wo die Sonne erst Ende November in
den Zenith tritt und Ende Januar dahin zurückkehrt, die nasse Jahrszeit
schon im September ein und dauert bis zum April14); unter derselben
Breite währt sie im Sertao von Minas Novas nur vom Dccem-
ber bis zum Mai J3). In Piauhy fallen zu Oeiras (70 S. B.) die ersten
Niederschläge im Oktober, wenn die Sonne zum ersten Mal im Zenith
steht, aber die eigentliche Regenzeit beginnt erst zu Anfang Januar,
zwei Monate früher, als sie dahin zurückkehrt, und nun erst hält sie
stetig bis zum Mai an I5). Nach anderen Angaben rechnet man unter
dem zwölften Breitengrade auf die nasse Periode die Zeit vom Oktober
bis zum April I3)> und noch jenseits des Wendekreises in S. Paulo
ebenfalls die Monate von Oktober und November bis zum März oder
Aprill6). Im Allgemeinen kann man annehmen, dass in den meisten
Gegenden der Campos die vegetative Entwickelung mindestens sechs
und höchstens acht Monate durch die Niederschläge unterhalten wird,
wodurch den Catingas und den zerstreuter wachsenden Bäumen viel
bessere Bedingungen des Wachsthums als in den Savanen anderer
Tropenländer zu Theil werden.
Weit merkwürdiger als die frühzeitige Entstehung von Wärme-
centren in den Campos ist eine physiologische Beobachtung, welche
schon Humboldt in den Llanos von Venezuela mitgetheiltI7) und
Saint-Hilaire in Minas Geraes bestätigt hat18). Sie besteht darin,
dass das Laub gewisser Bäume früher ausschlägt, als die ersten
Niederschläge beginnen, zu einer Zeit, wo noch nichts in der unorganischen
Natur das Herannahen der Regenwolken verräth. In Venezuela
sah Humboldt in solchen Fällen die Erneuerung der Blätter
schon einen Monat dem Eintritt des Regens vorausgehen, als entspreche
ihre Entwickelung nicht bloss gegenwärtigen, sondern auch
zukünftigen Bedingungen, unter denen die Funktionen des Organs
eigentlich erst beginnen können. Die Beobachtung Saint-Hilaire’s,
dass entlaubte Bäume der Catingas von Minas Geraes schon im August
ihre Blattknospen entfalten, wenn die Wärme und Dürre des
Bodens den höchsten Grad erreicht hat, veranlasst diesen Botaniker
zu der Bemerkung, der Saftumtrieb werde zwar erst durch den Regen
beschleunigt, aber der Anfang der Bewegung von Flüssigkeiten im
Gewebe sei von Bedingungen abhängig, die man nicht ergründen
könne. In der That entzieht sich die Ursache eines solchen Wachsthums
unserer Forschung, da doch die Belaubung einen verstärkten
Saftzufluss voraussetzt, dessen Quelle in der trockenen Jahreszeit
verborgen bleibt. Die Erklärung, welche Humboldt versuchte, dass
nämlich zu dieser Zeit schon der Dampfgehalt der Luft erhöht sei,
ist auf die Campos Brasiliens nicht anwendbar und auch übrigens
nicht zutreffend, weil die Wassercirculation der Pflanzen des Zuströ-
mens tropfbarer Feuchtigkeit bedarf. Es liegen hier unstreitig jene
dem Instinkt der Thiere vergleichbaren Aeusserungen des vegetativen
Lebens zu Grunde, zu deren Besprechung in dem Abschnitt
über die Mittelmeerflora die Abhängigkeit der Vegetationszeit von
steigenden Wärmegraden den Anlass bot. Wie der Oelbaum seine
Knospen entfaltet, wenn der Winter die Blätter am meisten bedroht,
so entstehen sie hier zu einer Zeit, in welcher sie durch Verdunstung
ohne Zufluss aus dem Boden gefährdet sind. An den Bedingungen
ihres Wachsthums fehlt es niemals, weil das Gewebe der Pflanzen
sowohl die erforderlichen Nahrungsstoffe als hinreichenden Saft auch
während des Winterschlafs und in der trockenen Jahreszeit bewahrt,
aber doch ist die Belaubung an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden.
Es bedarf nur einer Bewegung und geänderten Vertheilung des Safts,
damit die Knospen schwellen, und diese Anhäufung desselben in den
äussersten Spitzen des Baums kann gar wohl durch die erhöhte
Wärme bewirkt werden, die der Regenzeit vorausgeht. Die unteren
Theile des Stamms aber würden bald durch ihre Saftentleerung zu
Grunde gehen, wenn sie den Verlust nicht eine kurze Zeit zu ertragen
vermöchten, bis die ersten Niederschläge den Boden wieder reichlich
befeuchten. In einem Palle hat man eine besondere Einrichtung
kennen gelernt, dieser Gefahr vorzubeugen: bei einem Terebin-
thaceenbaum der Catingas [Spondias tnberosa), dessen wagerecht
ausgebreitete Wurzeln zu hohlen und mit Wasser gefüllten Wülsten
von etwa 8 Zoll Durchmesser anschwellen, in welchen zuweilen
»mehr als eine halbe Maass« trinkbarer Flüssigkeit enthalten
ist und die offenbar bestimmt sind, während der trockenen Jahreszeit
dem Saftumtrieb einen Rückhalt zu gewähren. In anderen Bäumen
wird die Feuchtigkeit des Holzes zu den periodischen Bewegungen
ausreichen. Der in dieser Wbise beschleunigte und dem Ein
tritt passender Entwickelungsbedingungen vorausgehende Anfang
der Vegetationsperiode kann auch hier so aufgefasst werden, dass