würdigste Erscheinung besteht darin, dass die meisten der mit Sicherheit
als endemisch erkannten Gewächse nach ihrer systematischen
Stellung mit der atlantischen und namentlich der kanarischen Flora
in nächster Beziehung stehen, obgleich weder das Klima noch die
geographische Lage eine solche Verbindung erwarten lässt und die
eingewanderten Pflanzen in der That grösstentheils aus dem so viel
näher gelegenen Senegambien abstammen. Mehrere Beobachtern)
haben dieses Verhältniss so aufgefasst, als ob die kanarischen Typen
dem Gebirge, die senegambischen der heissen Region eigentümlich
wären, allein dem widerspricht die Thatsache, dass auf Sant’ Antonio
schon in der letztem das Gesträuch aus einer geselligen Euphorbic
[E . Tuckeyana) und aus holzigen Synanthereen [Nidorella] besteht 2s),
sowie auch an den Felsen der Küste bereits manche Halbsträucher
Vorkommen, die den kanarischen nahe verwandt sind (z. B. Sinapi-
dendron, Echinm, Aichryson sect. Aeonium).
Unter den eingewanderten Pflanzen ist die Menge der afrikanischen
so überwiegend, dass man hier nicht mehr, wie bei den
atlantischen Archipelen, Südeuropa, sondern Senegambien alsStamm-
kontinent betrachten muss 3°): ein grosser Theil der nicht endemischen
Arten hat sich freilich offenbar erst mit den Kulturpflanzen
angesiedelt und ist daher auch in Amerika und andern Tropenländern
allgemein verbreitet. Immerhin bleibt eine beträchtliche Anzahl von
tropischen Gewächsen übrig, die durch natürliche Kräfte von Afrika
auf die Kap-Verden übergegangen sind. Eine Einwanderung von
Arten der kanarischen Flora [12] 3’) hat hingegen kaum in einem
grössern Maassstabe stattgefunden als von Südeuropa auf die Gebirge
von Sudan. Einzelne Fälle der Wiederkehr von Mediterranpflanzen
werden auch in den Bergregionen der Kap-Verden bemerkt
(.Rosmarinus).
Diese Inseln zeigen demnach die scheinbar widersprechende
Erscheinung, dass sie durch ihre endemische Flora mit den atlantischen
Archipelen der gemässigten Zone verknüpft sind, dagegen
durch die eingewanderten Pflanzen mit demjenigen Festlande, welches
nach seiner Lage das nächste, nach seinem Klima das ähnlichste ist.
Freilich stimmen sie auch mit den kanarischen Inseln in ihrem geo-
gnostischen Substrat und mit deren Küstenregion in der Dürre des
Bodens, sowie in der Gleichmässigkeit der jährlichen Temperaturkurve
überein: aber unter den charakteristischen Formen der Vegetation
lebt gerade die gesellige Euphorbie [E. Tuckeyana) in einer ganz
Kap - Verden: Endemismus. 491
verschiedenen klimatischen Sphäre wie die ihr überaus ähnlich
organisirte Art Teneriffas (E. regis Juhae), und die unbelaubt fleischigen
Euphorbien fehlen ganz. Nimmt man in diesem Falle an,
dass die endemischen Pflanzen der Kap-Verden von den kanarischen
Inseln abstammen und, in einer früheren Periode als die übrigen
cingewandert, in Folge des tropischen Klimas umgebildet seien, so
hebt sich die Schwierigkeit des grössern maritimen Abstandes leicht,
da der nach Süden fliessende Arm des Golfstroms eine Verbindungsbahn
zwischen beiden Archipelen herstellt. Mit Senegambien stehen
die Kap-Verden durch Strömungen nicht in Verbindung, der Austausch
mit dem Festlande muss durch andere Mittel erfolgt sein, und,
da hier jene klimatische Verschiedenheit nicht besteht, wären bei
den tropischen Gewächsen auch selten Umbildungen der Organisation
eingetreten. Somit hätten wir hier einen Fall, der der Transmutationshypothese
zur Stütze dienen kann. Denn wenig befriedigt es,
die Entstehung der neuen Arten nur als eine scheinbare aufzufassen,
weil sie zum Theil den kanarischen so nahe stehen, dass man sie als
tropische Varietäten betrachten könnte, oder von anderen zu ver-
muthen, dass sie vielleicht früher auf beiden Archipelen vorhanden
gewesen sein möchten und nur auf den Kap-Verden sich erhalten
hätten. Für einen genetischen Zusammenhang spricht auch die Verbreitung
der endemischen Arten auf diesen selbst, da auf den nordwestlichen
Inseln Sant’ Antonio und Santo Vicente die kanarischen
Typen am zahlreichsten sein sollen, wogegen das südöstliche Sant’
Jago allein jene Rubiaceensträucher besitzt, die sich der Flora von
Sudan anschliessen. Nur zum Theil erklärt sich die Beschränkung
der endemischen Pflanzen auf einzelne Inseln aus ihrer physischen
Beschaffenheit: etwa bei der Hälfte der Arten soll dies der Fall
sein2S), aber nur die östliche Gruppe von Sal und Boavista unterscheidet
sich durch ihren Wüstensand und ihre ebene Oberfläche,
und sie ist an eigenthiimlichen Erzeugnissen die ärmste.
Die Flora der Kap-Verden ist noch nicht so umfassend erforscht
worden, wie die der atlantischen Archipele, und hat noch nicht einmal
so viel Gefässpflanzen aufzuweisen wie die Azoren. Das Verhältniss
der endemischen Arten (66) zur Gesammtzahl [400] 3°) beträgt
etwa 16 Procent. Nur zwei Monotypen sind bekannt geworden,
von denen der eine (die Graminee Monachyron) dem senegambischen,
der andere (die Umbelliferengattung Tornabcnea) dem atlantischen
Typus angehört. In jener Reihe 32) sind überhaupt die Gräser am