Rinde sich zu starren und doch bis zu einem gewissen Grade biegsamen
Bildungen verdickt haben. Ebenso werden auch die Blätter
immergrün, wenn die Aussenwände ihrer Oberhaut durch feste Ablagerungen
hinlänglich 'inkrustirt sind und nun gleichsam wie eine
Hülle von Glas die zarten Gewebe des Inneren beschützen.
Die Bewegungen des Safts und die chemischen und organischen
Umbildungen, welche die Vegetationszeit bezeichnen , hören während
des Winterschlafs auf, und, wenn man auch zu dieser Zeit eine
langsame Strömung des Wassers bei immergrünen Bäumen bemerkt
hat, so ist diese Erscheinung doch nicht wesentlich. In dem exces-
siven Klima Sibiriens wenigstens kann sie nicht stattfinden, wo die
Säfte der Nadelhölzer erstarren. Hier hat Middendorff8*) die Wirkungen
des Frostes auf die Bäume beobachtet und dadurch den Beweis
gegeben, dass ihr Winterschlaf ein völlig latentes Leben von
unbestimmter Dauer bedeute. Zu dieser Zeit ist der Holzkörper, die
Membran mit den Säften, zu einer eisenharten Masse zusammengefroren,
so dass man sich scheut, beim Fällen eines Stammes die
Aexte zu verderben. Dabei leiden die Bäume von der sibirischen
Kälte nicht leicht: nur, wenn plötzlich das Thermometer auf 40°
unter den Gefrierpunkt fällt, entstehen Frostspalten, und dann vernimmt
man im Walde, indem das feste Gewebe zerreisst, heftige
Detonationen. Im Frühlinge erwacht das Leben zuerst in den überwinternden
Knospen, wenn diese von den Sonnenstrahlen getroffen
werden: während die Lufttemperatur noch tief unter dem Frostpunkte
steht und das Holz der Wurzeln und Stämme noch gefroren
ist, belaubt sich schon die Lärche, es entwickeln sich schon die
Kätzchen der strauchartigen Polarweiden und die Blüthen der Alpenrose
(.Rhododendron parvifolimn). Die Physiologie hat längst auf anderem
Wege durch Versuche dargethan, dass die Saftbewegung nach
dem Winterschlaf zuerst in den Knospen der Holzgewächse eingeleitet
wird und sich von oben nach unten zu den Wurzeln fortpflanzt,
aberMiddendorff geht zu weit, wenn er wegen der Wirkungen, welche
unmittelbar von der Sonne ausgehen, die Benutzung der meteorologischen
Beobachtungen zur Erforschung der Lebensbedingungen
verwerfen will, weil sich dieselben auf die diffuse Wärme der Luft
beziehen. Diese ist für die beschatteten Gewächse maassgebend,
und wenn auch vergleichende Messungen der Sonnenwärme nicht
vorhanden, ja nicht einmal mit Schärfe ausführbar sind, so wissen
wir doch, dass ihre Intensität nur von der geographischen Breite abhängt
und also die Polhöhe für die Entwickelungsphasen der den
Sonnenstrahlen ausgesetzten Organe das entscheidende Moment ist.
Die Aufgabe nun, die organischen Bewegungen des Frühlings an die
des Herbstes anzuknüpfen, ist nicht immer so einfach zu erfüllen als
man sich vorstellen könnte, wenn man nur in Betracht zieht, dass
das Wiedererwachen des Lebens von einer Steigerung der äusseren
Lebensreize abhängt. Sie verwickelt sich dadurch, dass die Organe,
welche nicht überwintern konnten, erst wieder ersetzt werden müssen,
und dass dadurch ein gewisser Zeitraum verloren geht, der bei einei
anderen Einrichtung erspart werden könnte. Auf diesem Unterschiede
beruht die klimatische Anordnung der immergrünen Nadelwälder
und der Laubwälder mit periodischer Belaubung.
Die Laubhölzer sind, insofern sie nicht die Blätter, sondern nur
den Stamm gegen die Winterkälte zu schützen haben, dem nordischen
Klima auf eine einfachere Weise angepasst als die Nadelhölzer.
Aber abgesehen von einzelnen Ausnahmen bedürfen sie im
Allgemeinen einer längeren Wachsthumsperiode, und desshalb erreichen
nur wenige die Baumgrenze. Bei ihnen wird das Laub, als ein
Gebilde von zarterem Gewebe, weil es der in dasselbe eindringenden
Kälte durch Zerrungen erliegen müsste, vor dem Eintritte derselben
durch eigenthümliche Processe entfernt. Erst pflegt es sich zu entfärben,
dann gliedert sich der Blattstiel und in einem scheinbar noch
lebensfähigen Zustande wird es abgeworfen. Die glatten, durch
Kork geschützten Narben, die es zurücklässt, schliessen die Organe,
welche fähig sind, im Winter fortzubestehen, besser gegen die
äusseren Schädlichkeiten ab als wenn es an den Zweigen verwesen
müsste. Hiebei entsteht nun der Nachtheil, dass die Reihe der Bildungen,
die in jedem Jahre zu wiederholen sind, das vegetative
Wachsthum, die Verholzung neu entstandener Gewebe, che Entwickelung
der Blüthen und Früchte, durch die Periode der Belaubungszeit
erweitert wird, die wiederum Ablagerung von Nahrungsstoffen
und Erzeugung von überwinternden Knospen im Herbste
voraussetzt. Denn so lange die grünen Organe fehlen, findet keine
Ernährung aus der Luft statt, und zur Bildung des neuen Laubes
bedarf es, bis dasselbe ausgewachsen ist, eines Vorraths von Stärkemehl
und anderer organischer Stoffe, welchen die im vorhergehenden
Jahre thätigen Blätter bereiten und im Stamm und in den Knospen
anhäufen mussten. Erst wenn der Baum wieder in seinem Frühlingslaube
prangt, beginnt er die allgemeine Aufgabe der Pflanzenwelt