sich von hier aus nicht verbreitet haben, und in diesem Sinne kann
Skandinavien nicht als ein Ausgangspunkt von Pflanzenwanderungen
gelten, weil es kaum Spuren von eigenthiimlichen Arten besitzt. Der
grösste Theil der eigentlich arktischen Pflanzen, die dem Wald-
gebicte fremd sind, findet sich rings um den Pol verbreitet, und von
diesen tritt eine Anzahl in die alpine Region Lapplands und Norwegens
ein, zum Theil nur sporadisch an einzelnen Standorten. Was
diese Region vor der arktischen Flora voraus hat, theilt sie mit anderen
europäischen Gebirgen. Schon das Samojedenland besitzt
eine Reihe von Arten, die im skandinavischen Lappland nicht Vorkommen,
und so arm auch die Flora hier und im arktischen Sibirien
wegen der grossen Ausdehnung der Tundren erscheinen mag, so
finden sich doch gewisse, endemische, Arten im skandinavischen
Lappland nicht. Wir haben daher bessere Gründe, eine Einwanderung
der arktischen Pflanzen aus Asien in die Gebirge Skandinaviens
anzunehmen, als deren Heimath in die letzteren zu verlegen, wie
dies bereits von Christ 42) näher dargelegt worden ist.
Island wird ebenso wie die Ostküste Grönlands an der Norcl-
scite von der arktischen Meeresströmung getroffen, die an Treibholz
vielleicht die ergiebigste der Erde ist. Die Reihe der grossen sibirischen
Ströme, die in dem lockeren Diluvialboden fast unbewohnter
Wälder stetig ihr Pctt verändern, ist eine unerschöpfliche Quelle für
die Aufnahme von losgespülten Baumstämmen, die sic in das Eismeer
tragen, dessen Wogen sie zuletzt an fernen Küsten anhäufen.
Wie das Treibholz können auch die Keime und Sprossen lebender
Pflanzen sich aus diesen Strömungen ansiedeln, wenn sie das geeignete
Klima finden. Die arktischen und alpinen Gewächse sind in
Island weniger zahlreich als in Grönland, aber fast sämmtlich übereinstimmend
: nur 5 Arten 45) sind in Grönland bisher nicht aufgefunden,
von denen zwei auch in Sibirien Vorkommen, die drei anderen
in den westeuropäischen Gebirgen einheimisch sind. Wenn
Pflanzen durch Meeresströmungen verbreitet werden, so wird ihre
Zahl mit der Entfernung vom Ausgangspunkte allmälig abnehmen,
und dieser Forderung entspricht das Verhältniss der arktischen Vegetation
Grönlands und Islands, indem das sibirische Treibeis früher
an die grönländische Ostküste angespült wird, ehe es die Nordküste
Islands erreicht. Noch früher als Grönland erreicht cs Spitzbergen,
aber in dieser hohen Breite können manche Arten, die sich in Grönland
ansiedeln, nicht gedeihen. Wenn Island an arktischen Gewächsen
zurücksteht, so ist doch die Flora reicher als die grönländische :
dieser Vorzug beruht auf Pflanzen des europäischen Waldgebiets.
Die Verknüpfung Islands mit Westeuropa ist nicht durch den Golfstrom
zu erklären, den diese Wanderung rechtwinkelig trifft, sondern
zum Theil den über alle Meridiane wandernden, nordischen
Vögeln zuzuschreiben, mit ihren Ruhepunkten auf den Shetlands
und Far-Oeer. Auf den Felsen der hochnordischen Küsten und unbewohnten
Inseln, die ihnen nahe liegen, treten diese Seevögel in
solchen Massen auf, dass man ihren Anblick von den vorüberziehenden
Schiffen aus mit den dicht gedrängten Zuschauern eines Theaters
verglichen hat. Eine Reihe von Sumpf- und Wasserpflanzen, die
anderswo in hohen Breiten nicht mehr Vorkommen, hat sich in Island,
namentlich in der Nachbarschaft der Thermen44), angesiedelt.
Dann ist aber diese Insel auch das einzige Gebiet der arktischen
Flora, wohin eine alte Civilisation vorgedrungen ist: die Bevölkerung
ist vielleicht grösser als in allen übrigen arktischen Ländern zusammengenommen,
und so hat der Verkehr die Ansiedelung einer Reihe
von Pflanzen (22 Arten) bewirkt, die den Menschen auf seinen Wanderungen
zu begleiten pflegen.
Spitzbergens Flora ist, der Richtung des arktischen Stroms entsprechend
, näher mit Sibirien und Grönland als mit Lappland verknüpft.
Reichlich der vierte Theil der daselbst vorkommenden Ge-
fässpflanzen fehlt in Skandinavien45) [24 Arten unter 93], in Grönland
fehlen nur 12 Arten , und da diese bereits der Mehrzahl nach
im arktischen Asien nachgewiesen sind und die übrigen hinreichender
systematischer Sicherstellung ermangeln, so entspricht die Ver-
theilung doch auch hier der geographischen Lage, nach welcher
Spitzbergen früher von der sibirischen Strömung als Grönland erreicht
wird.
Alle diese Inseln des Eismeers, Grönland, Island, Spitzbergen
und Nowaja Semlja sind ohne endemische Pflanzen, oder wenigstens
ist keine Art als solche festgestejt. Ihre arktische Vegetation ist also
von dem Festlande entlehnt, mit dem der sibirische Meeresstrom sic
in Verbindung setzt. Auf den Kontinenten selbst ist der Austausch
durch. die Küstenverbindung längs des Eismeers in solchem Grade
erleichtert, dass die meisten Pflanzen der arktischen Flora rings um
den Pol verbreitet sind, und die übrigen in derselben Weise wie in
den Waldgebieten, nämlich so, dass die Verschiedenheiten mit den
Entfernungen allmälig wachsen. Die grösste Uebereinstimmung