dem Orient eigentümlich zu sein. Noch eine dritte Cypresse [C.glauca)
wird als ein in Portugal häufig vorkommender Baum erwähnt,
der aber daselbst nicht einheimisch ist, sondern aus Ostindien ein-
geführt ward. Die ursprüngliche Heimath der italienischen Cypresse
ist zwar auch wahrscheinlich im Osten des Mittelmeergebiets zu
suchen, aber als Symbol der Trauer, wozu die dunkle Färbung ihres
Grün sie zu bestimmen scheint, überall auf den Friedhöfen angepflanzt
und auch sonst als ein Lieblingsbaum durch die Kultur verbreitet,
verknüpft sich seine Erscheinung mit jeder Erinnerung an die
Pflanzenformen der südlichen Natur. Ist das Bild des Cypressenhains
doch einer der ersten Eindrücke, den der Nordländer dort empfängt,
sobald er den Gürtel des Kastanienwaldes durchschritten hat. Selbst
noch ehe die Alpen vollends überstiegen sind, wird ihm der Anblick
der Cypresse schon an den geschützten Ufern des Genfer Sees zu
Theil, und dieser Baum begleitet ihn dann von Italien bis in den
fernsten Orient. Den Wuchs desselben mit derForm einer Pyramide
zu vergleichen, finde ich sehr ungeeignet. Die Cypresse entspricht
vielmehr der Architektur des Obelisken oder gleicht einem schlanken
Kegel, und gerade diese eigene Gestalt, die vielleicht auf den Bau
des orientalischen Minarets von Einfluss war, macht den Baum in der
Fernsicht anziehend, wenn sein schwärzliches Grün sich so lebhaft
von der dunklen Bläue desPIimmels abhebt. Die unterdrückte Blattbildung
ist mit ungemein langsamem Wachsthum des Holzes verbunden,
und wiewohl man zuweilen Bäume von bedeutender Stärke
antrifft, so gehören diese doch zu den grössten Seltenheiten und
zeigen ein ungemein hohes Alter an. Neben dem Kloster Lavra am
Athos habe ich zwei Cypressenbäume gesehen?6), bei denen aus Inschriften
nachzuweisen war, dass sie ein mehr als tausendjähriges
Alter erreicht hatten, wobei ihr Stammdurchmesser durchschnittlich
in einer Vegetationsperiode nur um den zwanzigsten Theil eines Zolls
angewachsen war. Durch ein bläuliches Grün von matter, glanzloser
Pärbung unterscheiden sich von der breitwüchsigen Cypresse die
ramariskenbäume (Tdmarixgallica und andere), die dem spanischen
Wachholder noch ähnlicher sind, aber sich imFrühlinge mit unzähligen
fleischrothen Blumenrispen beladen, und, wie die Stämme meist
niedriger sind, auch leicht in strauchartige Gebüschformen übergehen.
Zwanzig küss hohe Stämme kommen nur vereinzelt am
Meeresufer vor, aber da die Pflanzengruppe, zu der sie gehören,
grösstentheils der Salzsteppe angehört, so wird diese Baumform auch
an den orientalischen Küsten schon mannigfaltiger als im Westen.
Man kann bei den Holzgewächsen mit verkürzten Blattnadeln die
Unterscheidung von Bäumen und Sträuchern nicht füglich festhalten
und wird ihnen daher auch einige niedrige Wachholderarten an-
schliessen müssen, von denen die bekannteste [Juniperus phoenicea) in
den Maquis des ganzen Mittelmeergebiets häufig vorkommt und zu
der Reihe von Pflanzenformen, die hier vereinigt ist, noch ein neues
Glied hinzufügt.
Von monokotyledonischen Bäumen ist allein die Dattelpalme
(Phoenix dactylifera) zu erwähnen, die aber nur durch die Kultur an
das Mittelmeer verpflanzt ward. Dass sie nicht einheimisch sei, geht
schon daraus hervor, dass sie selbst an den, warmen Küsten von
Algerien und Sicilien ihre Früchte nicht zur völligen Reife entwickelt.
Auch ist ihre Kultur nur auf den Westen und Süden beschränkt.
Auf der spanischen Halbinsel gedeiht sie an allen Küsten, ausgenommen
in Portugal nordwärts vom Tajo, sie erreicht ihre Polargrenze
in Asturien, in der Provence und der Riviera von Genua. Uebrigens
finden sich in Nord- und Mittel-Italien keine Palmen im Freien. Nur
in Gärten sieht man sie zuweilen einmal, wie auf den borromäischen
Inseln, oder als seltenes Erzeugniss sorgsamer Pflege in Florenz und
Rom. Erst von Terracina aus (41 °), wo die nach Neapel reisenden
Fremden sie als eine neue Erscheinung zu begrüssen pflegen, wird
die Dattelpalme häufiger, an der Ostseite des Apennin findet sie sich
bis Foggia in der Capitanata und ist nun ein bedeutendes Element
in dem Landschaftsbilde der immergrünen Region Unteritaliens und
seiner Nachbarinseln. Am adriatischen Meere sah ich Palmen an
der Küste vonRagusa, und sie sollen in Dalmatien noch in der Gegend
von Spalatro (43 V20) fortkommen, aber von dem Innern der griechischen
Halbinsel sind sie fast ganz ausgeschlossen und ertragen das
kontinentalere Klima der macedonisch-thracischen Küsten nicht.
Auch in Anatolien werden sie von Tchihatcheff nirgends erwähnt,
und ihre Kulturgrenze im Orient scheint nur die südlichen Inseln des
Archipels zu umfassen und von Nordafrika und Syrien aus die Südküste
Kleinasiens noch eben zu erreichen ??).
Die Familie der Palmen ist der reinste Ausdruck tropischer
Klimate, aber in den wärmsten Gegenden der beiden gemässigten
Zonen verhält sich diese Organisation auf eine ähnliche Weise, wie
jenseits der Baumgrenze die Wälder durch Gesträuche ersetzt zu
werden pflegen. Dies ist die Bedeutung der Zwergpalme, die in
G r i s e b a c h , Vegetation der Erde. I. 2. Aufl. 20