Rhonethal, bis in die Gegend von Görz, so dass vielleicht nirgends
in den Alpen die Physiognomie des Südens malerischer und bedeutender
entgegentritt als bei dem Uebergange von den waldigen Gehängen
des wasserreichen Isonzo zum Litoral des adriatischen Meers.
Hier, am Fusse der karnischen Alpen, liegt überhaupt der nördlichste
Punkt, den die Mediterranflora irgendwo erreicht. Diese
Erscheinung wird noch auffallender dadurch, dass die beiden Küsten
des adriatischen Meers sich entgegengesetzt verhalten. Das italienische
Gestade ist, wie wir sahen, noch über drei Breitengrade weit
von den meisten Pflanzenformen des Südens entblösst, während eine
immergrüne Region die Ostküste vom Golf von Triest bis Dalmatien
hin und weiter fast ununterbrochen bekleidet. Es ist nicht bloss der
Schutz der die illyrische Küste bis Albanien stetig umsäumenden
Alpenketten, wodurch die Temperatur des Winters freilich auch
hier, wie an den lombardischen Seen, erhöht wird, sondern abweichende
Regenverhältnisse lassen sich ebenfalls, wie anderswo,
nachweisen. Wenn man freilich den Sommer von Triest und Venedig
vergleicht, scheint sich diese Ansicht durch die Messungen des
Niederschlags nicht zu bestätigen, wiewohl in den Umgebungen
dieser beiden so nahe gerückten Küstenstädte jener Unterschied des
Vegetationscharakters bereits vollständig ausgeprägt ist. Nicht bloss
ist in Triest die Grösse des Niederschlags wegen der Nähe des Ge-
birgs überhaupt bedeutender als in Venedig, sondern auch im Sommer
beträgt sie etwas mehr [dort 9",4, hier 8'',6] 29). Aber die
Zahl der Sommerregentage ist in Venedig ebenso gross als in Mailand,
und dass in Triest, wo über diesen Werth die Nachweisungen
fehlen, dies nicht der Fall sei, kann man daraus schliessen, dass zu
Ende der warmen Jahrszeit die Vegetation daselbst ebenso verdorrt
ist wie in Dalmatien. So sehr täuschen die blossen Vergleichungen
der Menge des Niederschlags, die ohne Zweifel in Triest nur deshalb
auch während des Sommers so bedeutend ist, weil einzelne Gewittergüsse
eine grössere Menge Wasser liefern können. Ueber dem
adriatischen Meere entwickelt sich, wenn auch durch die Lage der
Küsten abgelenkt, der Sommerpassat bis zur äussersten Spitze des
Golfs, während dieser Wind der norditalienischen Ebene durch den
Apennin entzogen war. Verstärken sich die nördlichen Luftströmungen
zur Bora, so sind die Wirkungen auf die illyrisch-dalmatische
Küste ähnlich wie die des Mistral in der Provence, und da der Ursprung
der Bora in den karnischen'und kroatischen Gebirgen liegt,
die ebenso schroff wie die Seealpen von dem schmalen Vorlande
ansteigen, so ist auch hier der Gegensatz der immergrünen Region
zu derVegetation des inneren Landes im höchsten Maasse ausgeprägt.
Nur innerhalb des Meerbusens von Fiume, wo die Myrte, noch auf
Lussin einheimisch, vom nördlichen Theil der Insel Cherso ausgeschlossen
ist31), erleidet dieser Saum der Mediterranflora eine Unterbrechung.
Uebrigens herrschen die gleichen klimatischen Bedingungen
von der Mündung des Isonzo inlllyrien bis zum See von Scutari
in Albanien. Da nun aber auch von hier aus jener Gürtel südlicher
Vegetation um die ganze griechische Halbinsel und über Thracien bis
zu den Balkanausläufern am schwarzen Meere (43 0 N. B.) sich fortsetzt31),
so ist die illyrisch-dalmatische Flora viel enger mit der griechischen
als mit der italienischen verbunden. Denn hier wiederholen
sich die-grossen klimatischen Verschiedenheiten nicht, durch welche
die spanischen Küsten und in anderer Weise auch die italienischen
sich von einander absondern. Das Gemeinsame beruht auf der strengeren
Winterkälte, aber diese ist vom adriatischen Meere bis zum
Bosporus so wenig abgestuft, dass die Untersuchungen über den
Wärmeunterschied des Januar und August in Janina, Athen und Konstantinopel
32), den einzigen, aber für diese Frage so günstig gelegenen
Orten, von denen bis jetzt solche Messungen bekannt geworden sind,
Werthe ergeben, die nur etwa um 2 0 in östlicher Richtung zunehmen
(i5 °,4— 17°,7 R.). Die immergrüne Vegetation wird auf der
griechischen Halbinsel nicht bloss, durch die Dürre des Sommers,
sondern auch, wenngleich nur vorübergehend, durch die kühlen
Wintermonate in ihrer Entwickelung gehemmt, sie erleidet zwei
Unterbrechungen, von denen die eine in Andalusien und bei Nizza
kaum zu bemerken ist. Die Vegetationszeit ist daher unter gleicher
Isotherme doch weit kürzer als an den westlicher gelegenen Küsten.
Dennoch ist auch hier die Flora zu drei Regionen gegliedert, nicht
so sehr nach der geographischen Lage, wie nach dem Niveau, welches
auf der griechischen noch weit mehr als auf den übrigen Halbinseln
abgeschlossene, selbständige Räumlichkeiten von einander
absondert. Die mitteleuropäische Flora greift von Norden her ununterbrochen
tief in das Innere ein und beherrscht den grössten
Theil des Landes, aber auch die alpine Vegetation zeigt auf den
kälteren Höhen, die wie Inseln so unregelmässig aus den vielfach
verschlungenen Gebirgsketten hervortäuchen, eine Mannigfaltigkeit,
wie sie in Spanien oder auf dem Apennin nur an wenigen Punkten