bei den immergrünen Gewächsen scheinen die Blätter im Winter zu
leiden oder überhaupt zum Stillstand der Funktionen nicht geeignet
zu sein, da sie diesen doch nur eine gewisse Z e it überdauern und
früher oder später zu Grunde gehen. Be i der Welwitschia hingegen,
die in einem K lim a lebt, wo keine Hemmungsperiode der Vegetation
vorhanden ist, beharren die Samenblätter, die ersten L auborg an e der
Pflanze und zugleich die letzten, während eines unbestimmt langen
Zeitraums in ihrer T h ätigkeit, und sie bewahren ihre Lebenskraft,
obgleich sie durch Sturm und Zufälle gewöhnlich der L än g e nach
in Segmente zerschlitzt oder unregelmässig in Fetzen zerrissen sind
und ein trockenes, wie abgestorbenes Ansehen haben. Sind doch
diese unschönen Gebilde die einzigen Organe, au f denen die Fortdauer
des Wachsthums, der E rn äh rung und der Ern euerun g der zur
Fortpflanzung bestimmten Kn osp en beruht. Wir finden ferner, dass
bei den dikotyledonischen Holzgewächsen mit dem A lte r des Stamms
auch die Anzahl der Blätter sich vergrössert, weil mit der wachsenden
Masse der Gewebe und ihrer Bildungscentren auch das Bediirf-
niss an Nahrungsstoffen zunimmt, die in den L au b o rg an en bereitet
werden. A lle in derselbe Zw e ck kann durch vermehrte Grösse, wie
durch V e rvielfä ltigu ng der Blattflächen erreicht werden, wie man
schon an der geringen Z ah l gleichzeitig wirksamer Blä tte r bei grossblättrigen
Monokotyledonen, bei den Palmen und beim Pisang, erkennt.
Dieses Verhältniss nun erfährt in der Welwitschia die höchste
S te ig e ru n g , die denkbar i s t , indem die Z ahl der Blätter auf zwei
sich beschränkt und diese gewöhnlich 6 F u s s , in einzelnen Fällen
soga r zuletzt 12 bis 18 F u s s lang werden. D ie se beiden Organe
stehen also in einem angemessenen Verhältniss zu der langsam sich
tafelförmig ausbreitenden Holzmasse, sie wachsen wahrscheinlich
während der ganzen L eb en sd au e r des Gewächses an ihrem Grunde
fort, und vertreten auf diese Weise eine ganze L au b k ron e oder die
stetig erneuerte Blattrosette der Zwergpalmen. Was endlich die
Eigenthümlichkeit des anatomischen B au s betrifft, wodurch die Welwitschia
von allen bekannten Holzgewächsen und namentlich auch
von den ähnlichen Cycadeen so auffallend abw e ich t, so ist zu erinnern,
dass ein Holzstamm ganz verschiedenen Zwecken dienen kann.
E rh eb t er sich zu einer dikotyledonischen Baumgestalt, so ist seine
nächste A u fg ab e , das L au b d a ch und eine K ron e von A e sten zu tragen,
und je mehr das Gewicht dieser L a s t mit dem A lte r zunimmt,
desto dicker und stärker wird die S ä u le , welche sie zu stützen bestimmt
ist. A b e r zugleich ist der Baumstamm auch Nahrungsspeicher
für die überwinternden Knospen, die sich aus dem Winter-
vorrath des Stärkemehls in neue Zw eig e und Blätter verwandeln
sollen. F ü r den ersten Zw eck dienen die festen, vertikal gestellten
Holzzellen, für den letzteren ist jed e s Parenchym genügend. In
dem regenlosen K lim a der Kalahariküste wachsen keine Bäume,
aber für ein Gewächs, welches, wie ein Baum, ein Jahrhundert lang
bestehen soll, muss im L au fe der Ze it eine beträchtliche Menge von
Nahrungsstoffen allmälig abgelagert w e rd en , schon um die wiederkehrende
Produktion der Blüthenknospen zu unterstützen. D a s ältere
Gewebe der Welwitschia eignet sich nicht mehr zur Aufnahme der
in den Blättern gebildeten Stoffe. Denn es musste fest werden, wie
das härteste H o lz , um in den steinigen B o d e n , au f dem die Pflanze
lebt, mit hinlänglicher K ra ft die Wurzel einzutreiben. E in stetiges
Fortwachsen des Holzstamms im äusseren Umfange ist also erforderlich,
um jüngere Gewebe zu schaffen, die nicht bloss als Ske let,
sondern als organisches Verbindungsglied zwischen den beiden B lä ttern
und den Blüthen- und Wurzelknospen dienen sollen. Je grosser
und älter das Gewächs w ird , desto tiefer wächst es auch in den
Boden und nähert sich dem unterirdischen Wasserzufluss in demselben
Verhältniss, als die zunehmende Grösse mehr Feuchtigke it in
Anspruch nimmt, bis endlich die Blätter in ihrer ungeschützten L a g e
zu Grunde gehen und damit das Z ie l des L eb en s erreicht ist. S o
kann die Welwitschia unter diesem wolkenlosen, gleichmässig warmen
Tropenhimmel, durch nächtlichen T h au befeuchtet, zwar unendlich
langsam, aber stetig fortwachsen und ein ganzes Jahrhundert
lang ausdauern.
So b ald man von der wüsten K ü ste des Damaralandes aus die
Terrasse des Tafellandes hinansteigt, ändert sich die Physiognomie
des Bodens, ohne jed o ch einladender zu werden. E s ist die fo rm
der Dornsträucher, fast nur durch Arten von A c a c ia vertreten, die
in ihrem g eselligen Wachsthum den Charakter der Landschaft b e zeichnen1*).
Nirgends wohl ist die Dornbildung allgemeiner, nirgends
innerhalb eines engen K re ise s von Bildungen so mannigfaltig
wie hier. A ls ein besonderes Hinderniss freier B ew egu n g in diesen
Gegenden besprechen alle Reisenden die Dorngebüsche der K alahari,
und Burchell g ieb t, als er kaum den Gariep überschritten hatte,
bereits eine anschauliche Schilderung, wie es unmöglich sei, bei zufälliger
Berührung sich von dem Haakedorn [Acacia detinens) loszu