ströme berührt wird, aber doch keine einheimischen Bäume besitzt,
karin als ein solcher Grenzpunkt gelten : denn in Reikiawik (64°) gelingt
es kleine Birken zu ziehen, wenn sie vor den stürmischen Winden
hinlänglich geschützt sind. Klimatisch ist dies nun dadurch erklärlich
, dass hier die Monatswärmen vom Mai bis zum September
über 6° sich erheben, während an der Nordküste, am Eyafjord, dies
nur im Juli und August, wie in Grönland, der Fall ist. Die Baumgrenze
würde daher die Südküste Islands berühren, wie es vielleicht früheren Zeiten der Fall gewesen ist, aber da der Wald keinen
Schutz findet, ist die arktische Flora in den offenen Raum eingetreten.
oin Im entgegengesetzten Sinne rücken an der Petschora und
anderen Flüssen des arktischen Russlands die Bäume nach Norden
hinaus in die Tundren des SamojedenlandesI4) [bis 67 2/3°]. Zwischen
diesen zungenähnlich in den Stromthälern vorgestreckten Waldungen
breitet sich die baumlose Ebene weithin südwärts aus (bis 66°): so ist
an der unteren Kolwa in der Breite des Polarkreises der Wald nur
etwa eine halbe g. Meile breit und wird nach Norden allmälig schmaler
und, wie es Waldinseln innerhalb der Tundren giebt, so zeigen sich
auch waldumschlossene Tundren diesseits der Grenzen des zusammenhängenden
Waldgebiets. Solche Erscheinungen erklären sich in
den südlichen Steppen leicht aus der grösseren Feuchtigkeit des
Bodens in der Nähe der Strombetten, weil daselbst dieBaumlosigkeit
von trockenen Jahreszeiten abhängig ist, welche die Dauer der Vegetation
über das den Bäumen nothwendige Maass hinaus verkürzen.
Aber in der arktischen Zone ist nicht Trockenheit, sondern die durch
die kältere Temperaturkurve verkürzte Vegetationszeit die Ursache
der Waldentblössung, indem die Flussthäler durch ihre tiefere Fage
die Erscheinung bedingen. Denn im Petschoragebiet sind die ITuss-
betten allgemein von zwei Terrassen eingefasst, deren Böschungen,
vor den Luftströmungen, vor dem Ungestüm kalter Nordstürme, geschützt,
nach oben vorzugsweise bewaldet sind. Wäre es die angesammelte
Wassermasse des Stromes oder die Nähe des Meeres, wodurch
das Klima örtlich gemildert würde, so würde im ersteren Falle
der untere Theil der Terrassen bewaldet sein, der von Stauden und
Weidengebüsch bedeckt ist, im letzteren müsste die Baumgrenze
gleichmässiger dem Abstande von der Küste folgen. Aber nur die
gewundenen Flusslinien begleitet der Wald, dessen Tannenstämme
noch 2 Fuss im Durchmesser messen, und breitet sich oberhalb der
feuchteren Gebüsche aus, wo er sich an der oberen 1 errasse hinaufzieht
und in der wagerechten Tundra auf hört. Den Abstand beider
Abhänge schätzte Schrenk an der Kolwa auf 600— 1800 Fuss.
Aber nicht die Kürze der Vegetationszeit allein ist es, wodurch
die Bäume aus dem arktischen Gebiete zurückgewiesen werden.
Fänden sie auch die entsprechende Temperatur, ihren Saftumtrieb
zu beginnen, und Zeit genug, ihn zu vollenden, so würden doch die
höheren Wärmegrade ihnen entgehen, deren sie in den mittleren
Zeiten ihres Wachsthums bedürfen. Unter allen ermittelten thermischen
Werthen entspricht die Juliwärme von 8° R. der Polargrenze
der Wälder am vollständigsten. Die Pflanzen der gemässigten Zone
sind in dem jährlichen Kreislauf ihrer Wachsthumsphasen auch an
die höheren Werthe der Temperaturkurve gebunden, die sie im
arktischen Gebiete nicht mehr empfangen würden. In manchen Fällen,
wie beim Weinstock, ist es leicht zu erkennen, dass die einzelnen
Abschnitte der jährlichen Entwickelung an die Temperatur verschiedene
Ansprüche machen, überdies ist als eine allgemeine Forderung
der Vegetation anzusehen. Zwischen der arktischen Flora und dem
südwärts angrenzenden Waldgebiete ist nun aber der bemerkens-
werthe Unterschied, dass auch die höchste Wärme in den hohen
Breiten wegen der schiefen Richtung der Sonnenstrahlen viel zu
niedrig bleibt, um südlicheren Gewächsen genügen zu können. Jede
Aenderung der Exposition gegen die Sonne kann daher in der Nähe
der Baumgrenze schon genügen. Waldinseln in das Gebiet der arktischen
Vegetation vorzuschieben. Legen wir die Wärme des Sommers
als desjenigen Zeitraums zu Grunde, der in der arktischen Plora
für das Pflanzenleben allein in Betracht zu ziehen ist, so umfassen
die Werthe, die aus den meteorologischen Messungen sich ergeben,
eine Reihe, deren unterstes Glied nach Kane’s Beobachtungen in
Rensselaer’s Hafen15) [Smith’s Sund, 78I//2° N.B.] nur einen halben
Grad (-+- r/2° R.) über den Gefrierpunkt sich hebt, während eins der
höchsten am Eyafjord in Island (6°, x) über sechs Grad hinaufreicht
und freilich in Reikiavik (g°,6) noch um viertehalb Grade übertroffen
wird. Aber auch in dieser Beziehung stimmt der Süden Islands mit
den Werthen überein, die in Europa und Sibirien in der Nähe der
nördlichen Baumgrenze ermittelt sind [90, 5; 8°, 1 IS) 1 : hier scheint
also eine rasche und bedeutende Steigerung der Sommerwärme einzutreten,
wie sie den klimatischen Ansprüchen des Baumlebens entspricht.
Innerhalb der alpinen Region der Alpen finden wir dieselbe
Sommerwärme (4°,9), wie unter dem 69. Breitengrade in Grönland.