tation dazu in einem seltsamen Missverhältniss. Ihr glänzendstes
Erzeugniss, die Victoria, aus der Reihe der Lotusblumen, ist ihnen
mit anderen, weit entlegenen Flüssen Südamerikas gemeinsam. Nur
■ dies scheint bemerkenswerth, dass diese grössten Formen schwimmender
Blätter mit den kleinsten und einfachsten Bildungen blühender
Wasserpflanzen hier räumlich vereinigt sind. Spruce 3), der
ihnen eine besondere Aufmerksamkeit widmete, fand, dass der gewaltige
Strom selbst weniger Vegetation erzeugt als die kleinen
Fandseen, die mit ihm in Verbindung stehen. Wenn die Gewässer
sinken, sprosst an ihren Ufern zuweilen ein ephemerer Anflug von
winzigen Phanerogamen (von Cyperaceen und Utricularien), unter
denen die kleinste, aber doch mit einer weissen Blüthe gezierte
Art (U. uniflora) an Grösäe und Gestalt einer Nähnadel gleicht.
Der blattlose, einem knopfförmig anschwellenden Wurzelkegel
eingefügte Stengel mit seiner einzigen Blume bietet in seiner
Kleinheit den äussersten Gegensatz gegen die Riesenorgane der
Victoria.
Unter den endemischen Erzeugnissen der Wälder wurden räumliche
Analogien nachgewiesen14), welche die Vorstellungen von
einem genetischen Zusammenhänge der verwandten Arten zu unterstützen
scheinen. Wie in anderen Floren die einander nahestehenden
Pflanzen des Gebirgs und der Ebene dem Wechsel des Klimas in
senkrechter Richtung entsprechen, so beruht hier das systematische
Verhältniss des Igapo zum Ete auf dem Unterschiede der Bewässerung.
Spruce hatte den Eindruck, dass in jeder dieser Waldformationen
die einzelnen Pflanzenfamilien ungefähr durch die gleiche Anzahl
von Individuen und von endemischen Arten vertreten seien.
Nach den physischen Bedingungen ihres Vorkommens geschieden,
zeigen diese Arten doch einen gemeinsamen Typus in der Bildung
ihrer Organe^). Den Ansichten Darwin’s über die Variation der
Gattungen folgend, meint Spruce, dass die Verschiedenheit solcher
vikariirender Arten ein Maassstab der Zeitdauer sei, seitdem sie aus
einer einzigen, ursprünglichen Form hervorgegangen wären. Allein
so lange das Relief Südamerikas in seiner heutigen Gestaltung besteht
, waren auch die Gegensätze der durch die Bewässerung und
das Klima gesonderten Waldformationen gegeben, es mussten von
Anfang an die Kräfte in Wirksamkeit treten, durch wrelche die verwandten
Arten diesen verschiedenen physischen Bedingungen angepasst
worden sind.
So gleichmässig und einförmig auch in einem so eigenartig gestellten
Abschnitte des Kontinents, wo kein Wechsel des Reliefs die
Klimate zu gliedern vermag, die Bedingungen des Pflanzenlebens sich
darstellen, so hat die Natur doch auch hier die Vegetationscentren,
wie auf den Inseln eines grossen Archipels, schöpferisch gesondert
ausgestreut. Aber da im äusseren Umfange der Flora die klimatischen
Bedingungen durch allmälige Abstufungen geändert werden,
so ist es auch bis zu einem gewissen Grade willkürlich, wie man die
Grenzen derselben auffassen will. In Beziehung auf Venezuela un
Guiana wurde dies bereits nachgewiesen, und so ist auch das Floren-
o-ebiet des Amazonas mit dem der grossen brasilianischen Nebenflüsse
durch Uebergänge verknüpft. In einem ähnlichen Sinne kann man
auch ihr Verhältniss zu der Andenflora beurtheilen, in deren tief
eingeschnittene Thäler die brasilianische Flora eingreift. Die Schilderung
der düsteren Wälder von Mainas am Fusse der peruanischen
Anden24), wo Poeppig vierzig verschiedene Palmen sammelte, wo
aber in westlicher Richtung zuerst wieder Farnbäume auftreten und
zugleich auch aufs Neue Spuren von Savanenbildungen bemerkt
werden, ist übrigens denen vom Solimoes noch ganz ähnlich. ai
tius “ ) hat die Grenze der Andenflora am Amazonas auf das erste
Auftreten der ächten Cinchonen begründet, und, indem ich seiner
Auffassung auch in diesem Falle mich anschliesse, muss ich doch
erinnern, dass die Waldungen am Ostabhange der östlichen Kordilleren
mit demselben Rechte zur Flora von Brasilien gerechnet werden
könnten. Dies würde sogar den Vortheil gewähren, die Wälder von
den baumlosen Regionen der Anden abgesondert zu betrachten, aber
es hätte zugleich die Folge, dass die Eigentümlichkeiten der Gebirgstäler
mit ihrem tropischen Klima in der Darstellung nicht so
bestimmt hervortreten würden.
Um den systematischen Charakter der Flora des Amazonent ia s
näher angeben zu können, fehlt es bis jetzt, wie von Brasilien überhaupt,
an geeigneten Zusammenstellungen. Martins hob die Analogie
mit Guiana besonders hervor und zählte die artenreichsten Familien
auf25), jedoch ohne über ihr statistisches Verhältniss zu einem a
schliessenden Urtheil gelangt zu sein. Dass auf der einen Seite die
Farnbäume, auf der anderen die Cacteen in diesen Landschaften
zurücktreten, ist als eine Folge ihres feuchtwarmen Aequatorialklimas
anzusehen. . . ,
Von endemischen Gattungen finde ich mehr als dreissig e
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