sich den Liliaceenbäumen anschliesst, aber, abweichend von der
gewöhnlichen Bildung monokotyledonischer Holzstämme, im höheren
Alter eine eigenthümlich verzweigte Krone bildet. Bis zur Bltithen-
bildung ist nämlich der Stamm, wie bei jenen, ganz ungetheilt und
trägt auf seiner Spitze eine einfache Rosette von Schilfblättern. Da
aber die Bliithenrispe aus deren Gipfelknospe hervorgeht, so treten,
um das Fortwachsen des Stamms zu bewirken, aus der nun alsbald
verschwindenden Laubrosette Seitentriebe hervor, die sich wieder
ebenso wie der Hauptstamm verhalten und durch Wiederholung
desselben Vorgangs nach und nach eine Krone von scheinbar in
Wirteln geordneten Aesten herstellen, von denen jeder einzelne, an
der Seitenfläche kahl, an seiner Spitze von den erneuerten Blättern
gekrönt wird IO). Der Hauptstamm selbst ist von geringer Höhe und
nach abwärts angeschwollen; die alten Individuen mit ihrer seltsamen
Krone gehören zu den bizarrsten Formen, die man kennt. Dieser
atlantische Drachenbaum ist der warmen Region des Archipels von
Madeira, den kanarischen Inseln und den Kap-Verden eigen, er soll
nach den Azoren erst durch die Kultur verpflanzt sein. Auch dadurch
ist derselbe merkwürdig, dass er, wie eine Reliquie der Vorwelt,
dem Aussterben nahe scheint: überall ist er selten geworden,
so dass auf Teneriffa die grossem Stämme als eine Merkwürdigkeit
beachtet werden. Auf Porto Santo, wo sie ehemals am häufigsten
waren, soll nicht ein einziger mehr übrig sein; auch der uralte
Drachenbaum von Orotava, den Humboldt beschrieb, ist bereits zu
Grunde gegangen.
Ist nun in diesem Falle ein einheimisches Gewächs vor den eingewanderten
zurückgewichen, so darf die verdrängende Kraft derselben,
die zuletzt zur Vertilgung der ursprünglichen Vegetation
führen würde, doch nicht als eine allgemein wirkende aufgefasst
werden, da hier, wie auf den Azoren, viele andere endemische Arten
sich unversehrt erhalten und auch in der Geselligkeit ihrer Individuen
keineswegs beschränkt werden. Die Mischung der Flora aus
beiden Quellen ist in ihrer vertikalen Abstufung überall zu erkennen,
die wegen der etwas geringeren Höhe des Gebirgs von Madeira
(6000 Fuss) der immergrünen Region durchaus anheimfällt6).
Immergrüne Region, o ' — 6000'.
Kulturregion bis 2000'.
Lorbeerwald bis 4000'.
Maquis. 4000' — 6000'.
Am oberen Saume der bebauten Region hat sich, wo die schroff
eingefurchten Thäler oder Barrancas dies irgend gestatten, ein
Gürtel von Kastanien angesiedelt; über diesen nimmt der Lorbeerwald
einen beträchtlichen Raum ein und reicht an der feuchteren
Nordseite noch tiefer, in geschützten Thalschluchten selbst bis zum
Meere hinab. Hier ist der Wuchs der Bäume und Sträucher höher
als auf den Azoren, die Mischung der Arten mannigfaltiger13). Von
Laurineen allein kommen 4 Arten vor, die sämmtlich auch auf den
kanarischen Inseln wachsen: überhaupt sind in diesen feuchten
Waldungen die atlantischen Holzgewächse weit überwiegend. Von
Bäumen finde ich mehr als ein Dutzend angeführt, von denen auch
die meisten übrigen in ihrer Belaubung den Laurineen gleichen, von
Sträuchern zähle ich gegen 30 Arten: unter den letztem sind viele
endemisch, unter den Bäumen nur einer (Clethra arborea), zwei sind
europäisch [Prunus lusitanica und Taxus), die übrigen atlantisch.
Oft verdrängt das massenhafte Unterholz den höhern Lorbeerwald,
ein unwegsames Dickicht von doppelter Mannshöhe, durch Brombeerranken
verbunden, lässt den Bäumen nur gruppenweise zu
wachsen Raum IO), oder üppiges Farnkraut entspriesst dem feuchten,
fruchtbaren Boden. Aber auch einige Sträucher selbst werden mitunter
zu Bäumen, namentlich die südeuropäische Baumhaide [Erica
arborea), von welcher Stämme von 40 P'uss Höhe VorkommenIO).
Wo der Lorbecrwald aufhört, entwickelt sich die selbständige Region
der Maquis dadurch, dass einige der sein Unterholz bildenden
Sträucher höher im Gebirge ansteigen als die übrigen: nun besteht
die Hauptmasse der Vegetation eben aus jener Baumhaide und aus
einem Vaccinium (V. maderense; vergl. oben S. 476). Die Baumgrenze
ist daher auch hier, so wenig wie auf den Azoren, durch ein
bestimmtes Niveau abgeschlossen.
Nach der durch genaue Kritik ausgezeichneten Zusammenstellung
Cosson’s I4), wurden bis jetzt auf dem Archipel von Madeira
gegen 700 einheimische Gefässpflanzen nachgewiesen (696), von
denen 15 Procent (106) endemisch sind und mehr als 8 Procent (58)
der gemeinschaftlich atlantischen Flora angehören. Die übrigen
stammen mit wenigen Ausnahmen aus dem Mittelmeergebiet. Unter
den endemischen Pflanzen finden sich 4 Monotypen, sämmtlich Holzgewächse,
die europäischen Gattungen nahe stehen (die Rosacee
Cliamaemeles neben Cotoneaster, die Campanulacee Musschia neben
Campanula, und die beiden holzigen Umbclliferen Melanoselinum und
G r i s e b a c h , Vegetation der Erde. II. 2. Aufl. 31