D er bedeutendste U nterschied zwischen dem Festlande und dem
Arch ip el besteht darin, dass hier die einzelnen Inseln und besonders
die grösseren ihre abgesonderten Vegetationscentren behauptet haben.
Dies lässt sich schon in Ceylon erkennen und in weit umfassenderer
Weise auf den grossen Sunda-Inseln, von denen freilich Borneo und
Celebes noch wenig bekannt s in d , sodann auch auf den Molukken
und Philippinen, deren V e rg le ich u n g indessen ebenfalls umfassenderer
Forschungen bedürftig ist. A lle diese durch Centren eigen-
thümlicher organischer Bildungen ausgezeichneten Inseln sind vulkanischen
Ursprungs oder haben doch erst in der gegenwärtigen
Erd periode ihren Küstenumriss durch fortdauernde Hebungen ausgebildet.
Borneo und Neu-Guinea, die beiden grössten Inseln der
E rd e , werden von Halbkreisen thätiger Vulkanreihen um g e b en , an
welche sich dann die Senkung sgebie te der Koralleninseln in der
Südsee anschliessen. S o weit die vulkanische T h ä tig k e it reicht oder
an den Küsten sich gehobene Korallenbänke zeigen, finden wir Vegetationscentren,
die zwar sämmtlich mit dem Charakter der indischen
F lo ra übereinstimmen, aber doch an den endemischen Pflanzen der
einzelnen Inseln von Sumatra und Ja v a bis N e u -G u in e a kenntlich
sind. A u f den in der S enku ng begriffenen Inseln der S iid se e ist die
F lo ra dagegen sehr arm an endemischen Erzeugnissen und grössten-
theils von A sien aus eingewandert. Ueber Neu Guinea und Neuirland
hinaus sind im stillen Meere im entschiedensten Gegensatz
g egen die S andw ich -G ru pp e und Neu-Ka ledon ien , wo die indische
Veg e ta tion ihr Z ie l findet, selbständige Centren endemischer Gewächse
nur spärlich nachgewiesen. Da ss die F lo ra der tropischen
K o ra llen -A rch ip e le eine eingewanderte sei und sich nicht von ihnen
aus erst nach A s ien verbreitet h a t, geht aus dem geringen Verhält-
niss der A rten zu den Gattungen hervor, aus einem G esetze, welches
von Hooker bei seiner Untersuchung der Galapagos zuerst ermittelt
w u rd e 62). Hiernach ist nicht anzunehmen, dass das Maass dieser
S enku ng en, die Darwin 6s) aus den Korallenbildungen nachwies, so
bedeutend war, um ganze Kontinente zu zerstören, von deren organischen
Schöpfungen doch Ueberreste sich erhalten haben würden.
Mit* dem Umfange gehobenen L an d e s wächst auf den Sunda-Inseln
die Fü lle eigenthümlicher Erzeugnisse.
Die Vertheilun g der Organismen im indischen Archip el enthält
noch ein anderes Problem, eins der merkwürdigsten auf dem dunklen
Gebiete der Vegetationscentren. Während die F lo ra übe rall, mit
Ausnahme der Gruppe von T im o r , indisch ist, der V eg e tation scharakter
Neu-Guineas durchaus dem von Borneo gleicht und also
durch klimatische Bedingungen gereg e lt wird, erscheint die A n o rd nung
der Thie re einem ganz verschiedenen, von W a lla c e 1) nachgewiesenen
Verhältniss unterworfen. D ie Grenzen bestimmter T h ie rformen,
wie der australischen B eu te lth ie re , werden durch die T ie fe
des Meers b e s tim m t, welches die Inseln von einander absondert.
Eine L in ie tiefen Seegrundes durch die Macassarstrasse zwischen
Borneo und Celebes, im Osten von Ja v a zwischen B a li und L om b o k
und im Norden zwischen den Molukken und Philippinen fortgesetzt,
trennt die indische von der australischen F a u n a , ohne dass irgend
ein anderer physischer Einfluss zu erkennen wäre. Denkt man sich
beide Gebiete um 600 F u s s g e h o b e n , so würde das indische mit
dem asiatischen F e stland e verbunden s e in , und ebenso steht Neu-
Guinea durch die seichte australische B ank mit Neuholland in unter-
meerischem Zusammenhang.
Die Grenzen bestimmter Pflanzen- und Thierformen fallen demnach
im indischen A rch ip e l nicht zusammen. Die V eg e ta tion entspricht
dem Gesetz der klimatischen, die F au n a dem der räumlichen
Analogieen. E in weiter Spielraum zu Spekulationen übei die E rd geschichte
ist hier geöffnet. Durch eine blosse Sen ku n g des Bodens
von geringfügigem B e trag e erklärt der Darwinismus den U rsprung
der Faunen auf diesen Inseln mit L e ich t ig k e it , nicht aber den indischen
Charakter der F lo ra von N eu -G u in e a , die weit bedeutendeie
Hebungen als der Ursprung der Fau nen voraussetzt, geeignet, äquatoriale
Regenzeiten zu erzeugen. D ie se Hypothese lässt die endemischen
Beutelthiere Neu-Guineas nach erfolgter Bildung der T o r ie s strasse
aus den australischen h e rv o rg eh en , aber sie giebt keinen
Aufschluss, wie die eigenthümlichen Palmen Neu-Guineas aus verwandten
indischen Gattungen entstehen konnten. Mit grösseiem
Rechte kann man eine andere, jedoch ebensow enig durch Thatsachen
näher begründete Vermuthung aussprechen, die von der verschiedenen
Stellung der Pflanzen und T hie re zur Aussenwelt ausgeht.
Nach ihrer Organisation sind die ersteren vom K lim a abhängiger, die
letzteren von der Veg e ta tion, die ihnen zur Nahrung dient. W ild ein
Meeresgrund in F e stland verwandelt, so ist dessen K lim a (abgesehen
von der geographischen L ag e ) durch die Gestalt der Küsten und das
Relief des Bodens bestimmt. Aeussern sich nun schöpferische Krä fte ,
so werden die Fo rm en der V eg e ta tion sich dem K lim a anpassen.
Gr i s eba c h , Vegetation der Erde. II. 2. Aull. 5