II. Wald gebiet des 'östlichen Kontinents
liehen begünstigt sind, und dass beide Seitenketten von der mittleren
übertroffen werden, wenngleich auch sie, da wo sie am höchsten gehoben
ist, im Wallis und in Savoyen, gegen Tirol und Oesterreich
weit zurücksteht.
Begleiten wir die einzelnen Regionen von der Schneelinie bis
zum Fusse der Alpen, so erscheint die grosse vertikale Ausdehnung
der Alpenmatten und ihr Pflanzenreichthum zunächst bemerkens-
werth. Die alpinen Stauden mit dem sie begleitenden Grasrasen, die
auf den F'irninseln noch über die Schneegrenze hinausgehen, gedeihen,
wenn auch nach den Arten wechselnd, abwärts in der Region
der Sträucher bis zum oberen Saume des Waldes und steigen auf
den Geröllablagerungen der Thäler vielfach noch viel tiefer hinab,
während sie von den Bergwiesen der unteren Gehänge grösstentheils
ausgeschlossen sind. Schon diese grossen Niveauabstände sind eine
Ursache der hohen Mannigfaltigkeit in den Bestandtheilen der Vegetation.
Hier wird der Pflanzenfreund durch den anmuthigsten Blüthen-
schmuck, durch die reichste Ausbeute erfreut: es ist auf fruchtbaren,
wohl befeuchteten Alpen, wie auf dem Fimberjoch in Tirol oder der
Pasterze am Glöckner, nicht schwierig, mehrere Plündert verschiedener
Arten von Gewächsen einzusammeln. Die Form der Stauden
und ihre Anordnung im Gramineenrasen entspricht in den höheren
Lagen den Verhältnissen der arktischen Flora und geht abwärts
allmälig in den höheren Wuchs der Aconitenregion an der Baumgrenze
über. Der Gürtel von kryptogamischen Gewächsen an der
Schneelinie fehlt, weil, wie schon bemerkt wurde, im Sommer die
Masse des durch das Schmelzen des Firns gebildeten Wassers in
den Gletschern und Thalgründen gesammelt wird und derjenige An-
theil, der den Humus der Gehänge tränkt, während seiner langsamen
Bewegung sich hinreichend zu erwärmen Zeit hat, um der phanero-
gamischen Vegetation bis zum Saume des Schnees und Eises das
Gedeihen zu sichern. Ebenso fehlen nach dem Typus der Bergformen
die Bedingungen zur Versumpfung des Bodens, und die
Sträucher ziehen sich grossentheils an das Ufer der Bäche zurück.
Uebrigens richtet sich die Grösse der Holzgewächse ebenso wie die
der Stauden nach der mit der Höhe des Niveaus abnehmenden Vegetationszeit.
Die alpinen Rhododendren, die Alpenrosen, bei denen
eine Fülle rother Blumen in dem dunklen Grün der gedrängten, immergrünen
Blätter prangt, bilden, in den östlichen Alpen mit dem kar-
patischen Krummholz verbunden, den unteren Gürtel der Sträucher,
Alpen. — Auvergne und Jura. 193
steigen aber auch mit dem Wasser in die Thäler hinab. Weiter aufwärts
sind unter den kleineren Sträuchern auch die Vaccinien und
die Zwergweiden des Nordens vertreten, und zuletzt bleiben nur
noch die Stauden und Gräser übrig.
In der Waldregion ist der obere Nadelholzgürtel von dem abwärts
folgenden Laubholz und namentlich der Buche durch eine
regelmässige Abstufung geschieden. Nicht als ob die Fichte den
unteren Abhängen fremd wäre, die vielmehr auf den Hochflächen am
Fusse der nördlichen Alpen noch ebenso wohl gedeiht, aber von den
oberen Wäldern ist das Laubholz ausgeschlossen. In den südlichen
Alpen ist der Buchengürtel noch bestimmter als untere Waldregion
zu unterscheiden oder bildet, wenn die Nadelhölzer fehlen, einen
Uebergang zu den Regionen des Apennin, wo derselbe an die Baumgrenze
hinaufrückt. In den Thälern endlich, die nach Italien und
Frankreich führen, tritt man zuletzt, ehe die Ebene erreicht ist, noch
in den Gürtel des Kastanienwaldes ein, der allmälig andere südliche
Pflanzenformen aufnimmt, die unter dem Schutz der p'elswände, in
dem warmen Klima der dem Nordwinde entzogenen Gründe nicht
bloss den Saum des Gebirgs schmücken, sondern auch tief in das
Innere dessen Ströme aufwärts begleiten, einzelne von ihnen die Etsch
bis Botzen, das Rhone-Ufer bis ins Wallis. So wird der Eintritt in
das Mediterrangebiet durch anziehende Uebergänge vorbereitet,
bald durch die Wälder, wenn sie, wie im Isonzo-Thal, sich ungestörter
erhalten haben, bald durch die Kultur südlicher Pflanzen, die
an den lombardischen Seen so plötzlich ihren Boden findet, und so
treten dem in Italien Einziehenden überraschende Eindrücke entgegen,
die mehr versprechen, als in weiterem Abstande vom Fusse
der Alpen das Klima der Halbinsel zu leisten vermag.
Vergleichen wir die Regionen der Alpen mit denen der benachbarten
Gebirge, so ergiebt sich, dass die Wälder auch in der nördlichen
Kette bedeutend höher (bis 5500 Fuss) ansteigen als auf den
niedrigeren Höhenzügen, die westlicher gelegen sind. In der A u vergne
und im Schweizer Ju ra, wo der Unterschied gegen
900 Fuss beträgt, hat dies indessen nur darin seinen Grund, dass,
wie in den südlichen Alpen, die Fichte über den Gürtel der Edeltanne
kaum hinausreicht, da diese Gebirge der Befeuchtung aus dem Firn
entbehren und ihre Höhen zum Wiesenboden geeigneter sind als
zur Walderzeugung. Beide Gebirge haben das Gemeinsame, dass bis
G r i s e b a c h , Vegetation der Erde. I. 2. Aufl. 13