form vertreten, von denen die erstere nicht immer an ihren schmaleren
Blättern kenntlich, aber durch einen feuchteren Standort zu
unterscheiden ist. Mit der Entfernung von der Baumgrenze werden
diese Sträucher niedriger, und wenn der holzige Stamm sich wagerecht
ausstreckt und völlig im Boden verbirgt, können solche Holzgewächse
selbst die äussersten Grade der Verkürzung der Vegetationszeit
und die niedrigste Bodenwärme ertragen, so dass sie auch
von der Tundra nicht ausgeschlossen sind, aus deren Lichenen und
Moosen sie ihre Jahrestriebe kaum erheben. So durchlaufen namentlich
die Weidensträueher, in ihren Arten wechselnd , eine allmälig
abnehmende Reihe nach dem Umfang der Luftorgane, von den kräf-
tio-en Zweiten der uferbewohnenden Formen in der Nachbarschaft o c>
der Wälder (z. B. Salix spcciosa) bis zu den eigentlichen Polarweiden
(z. B. N. polaris). Von den Weiden auf Nowaja Semlja beschrieb
Baer20) drei Arten, unter denen die Triebe der grössten [S. lanata)
eine Spanne hoch, einer anderen 4—5 Zoll aus dem Boden hervorragten,
die kleinste aber (S. polaris) nur einen halben Zoll hoch wird
und nur zwei Blätter mit einem einzigen Kätzchen entwickelt, aber
doch gleich den übrigen eine Menge dieser in die Luft gestreckten
Pflänzchen vermittelst eines weit verbreiteten, astreichen, unterirdisch
kriechenden Stamms zu einer individuellen Einheit verbindet. Auch
die Rhamnusform, die in der Nähe der Wälder noch stattliche Sträucher
von Zwergbirken bildet, verkürzt sich an kälteren Standorten
so sehr, dass Schrenk6) die kleinblätterigen Vaccinien [ V. uligino-
sum) im arktischen Russland oft nur einen Zoll hoch aus dem Boden
hervorragen sah und dasselbe auch von der immergrünen Art dieses
Geschlechts (V. Vitis idaca) anführt.
Die immergrünen Sträucher gehören thcils zur Erikenform,
deren Blätter nadelförmig gestaltet sind, theils entsprechen sie der
Myrtenform, deren Laub ebenfalls klein , aber zu einer Fläche ausgebreitet
ist. Für den Unterschied der arktischen von den alpinen
Sträuchern ist es nämlich charakteristisch, dass die immergrünen
Blätter in den Alpen eine bedeutendere Grösse erreichen und sich
hiedurch der südlichen Oleanderform anschliessen: man erkennt dies
bei der Vergleichung der Alpenrosen [Rhododendron), von denen
grossblättrige Arten die Plochgebirge des Waldgebiets bewohnen
[z. B. Rh. ferrugineum) , während die einzige arktische Form [Rh.
lapponicmn) ein der Myrte ähnliches Laub besitzt. Aber auch in den
Alpen selbst sind jene Sträucher auf ein tieferes Niveau angewiesen
als die Vaccinien, woraus sich in diesem Falle auf die AbhäneigLeit
der Blattgrösse von der Dauer der Vegetationszeit schliessen lässt.
Die klimatische Bedeutung des immergrünen Laubes ist übrigens
bei den Sträuchern ebenso wie bei den Stauden zu beurtheilen: die
Zeit für die Verjüngung des Laubes wird erspart, und bei kleinen
und doch wenig zahlreichen Blättern in höherem Grade als bei der
Oleanderform. Bei der Erikenform ist freilich eine grössere Anzahl
von Blattnadeln erforderlich, und diese stehen dicht gedrängt fz. B
Andromeda tetragona), aber um so rascher können die einzelnen
auswachsen.
Vegetationsformationen. Die Anordnung der Pflanzenformen
zu den physiognonlischen Abschnitten der Landschaft oder den
Formationen ihrer Vegetation hängt im Allgemeinen vom Boden,
von seiner Mischung und Feuchtigkeit ab. Allein diese Einflüsse
sind im arktischen Gebiete von geringerer Bedeutung als die klimatischen
der Bodenwärme und der Insolation. Da von diesen bereits
gehandelt ist, so bleibt in Bezug auf die Formationen jetzt übrig
zusammenzustellen, was in den Berichten der Reisenden für die
Physiognomie der arktischen Landschaft als charakteristisch gelten
kann.
Den grössten Theil der Oberfläche des Festlands nehmen in
beiden Kontinenten die Tundren ein. Auf den grossen Inseln, denen
es an wagerechtet Oberfläche fehlt, finden sie sich nicht oder sind
daselbst nur schwach angedeutet. Da sie nur zu einer so geringen
Tiefe aufthauen, so ist es erklärlich, dass man sich auf den Tundren
in jeder Richtung, selbst am Schluss der warmen Jahreszeit, mit
Leichtigkeit im Rennthierschlitten bewegt, der über die Lichenen
und Moose hingleitet und durch den niedrigen Wuchs der Sträucher
und Stauden, die sie spärlich begleiten, wenig gehemmt wird. Auch
»das weichste Moos« bildet »hier nie einen schwankend trügerischen
Boden6) , weil das Grundeis so dicht unter der Oberfläche liegt und
mit der Erdkrume zu einer steinharten Masse verbunden ist. Es
giebt im arktischen Sibirien auch grosse Flächen, wo nicht einmal
mehr die kryptogamischen Gewächse gedeihen und das Erdreich
völlig von Pflanzen entblösst ist, wüste Gegenden, die ebenfalls zu
der Tundra gerechnet werden. Wahrscheinlich sind es Niederungen,
die durch die Wölbungen des Tieflands beschattet werden, und wo
das Eis bis an die Oberfläche selbst reicht. Ist dies der Fall, so sind
sie den Thalbildungen auf den arktischen Inseln zu vergleichen , wo
4*