so wäre es erklärlich, dass die Alten mit der Frucht wohl bekannt
waren. Aber zur Ernährung der Seidenraupe kann derselbe nach
Metzler nicht benutzt werden, und, wenn dieses behauptet worden
ist, meinte dieser hervorragende Kenner unserer Kulturgewächse,
hätten Verwechselungen mit dem weissenMorus, der auch mit dunkelfarbigen
Beeren vorkommt, zu Grunde gelegen. Wenn diese Ansicht
aber auch nicht vollständig begründet wäre und die Meinung italienischer
Forscher6^ sich bestätigt, dass der occidentalische Seidenbau
lange Zeit mit Hülfe des schwarzen Morus betrieben sei, sich aber
erst zur jetzigen Blüthe heben konnte, als im fünfzehnten Jahrhundert
der weisse Morus von Asien nach Europa verpflanzt wurde, so weisen
doch diese Ueberlieferungen nicht minder als die klimatischen Verschiedenheiten
beider Arten daraufhin, dass dieHeimath des Insekts
wie die von dessen eigentlicher Nährpflanze nicht dem Mittelmeergebiet,
sondern einem kontinentaleren Klima des Ostens angehöre.
Hat man den weissen Morus am kaspischen Meere als einheimisch
aufgefasst, so ist zu bemerken, dass das Steppenklima von dort bis
nach China reicht und also eine natürliche Verbreitung des Gewächses
durch einen grossen Theil Asiens erfolgen konnte. Alle Thatsachen
scheinen sich demnach unter dem Gesichtspunkte zu vereinigen, dass
der weisse Maulbeerbaum in den durch Flüsse bewässerten Steppen
Asiens seine Heimath habe, dadurch den Chinesen im Osten, vielleicht
auch den Griechen im Westen bekannt ward, dass aber die
Ersteren, die Bewohner des alten Sericum, die Benutzung des Ge-
spinnstes der Seidenraupe erfanden und bis in das sechste Jahrhundert
unserer Zeitrechnung diese Erfindung als Monopol bewahrten.
Durch die veränderliche Gestalt des Morus-Blattes reiht sich
dieser Baum an die Laubformen der Linde und der afrikanischen
Sykomore, deren Vertreter in Südeuropa sich ähnlich wie die der
Buchenform verhalten. Weit seltener als die Buche ist die Birke
auf den Gebirgen des Südens anzutreflen, aber in Unteritalien gewinnt
eine Erle mit Lindenblättern [Ainus cordifolia) bedeutenden
Antheil an der Bewaldung vder Berge ; auch in Korsika kommt sie
vor und soll mit einer in den Kaukasusländern einheimischen Art
[A. sub cor data) übereinstimmen. Auf der griechischen Halbinsel begleitet
die Silberlinde ( Tilia argentea) den Kastaniengürtel und bildet
in Macédonien eine schmale, scharfbegrenzte Waldregion66) von
hohen, unvermischten und weitverzweigten Stämmen , deren Laub
durch die weisse Färbung der unteren Fläche zu dem Namen des
Baums den Anlass bot. .Während aber die Kastanie nur im Westen
die Grenzen des Mittelmeergebiets bedeutend überschreitet, erstreckt
sich die Verbreitung jenes griechischen Baums in das verwandtere
Klima Ungarns. Viel bedeutender ragt in der Physiognomie der
orientalischen Landschaft die Platane [Platanus orientalis) hervor,
welche von Macédonien und Griechenland bis zu den fernen Steppenlandschaften
am Indus die Wohnsitze der Menschen zu begleiten
pflegt. Waldbestände dieses prächtigen Baums, dessen zackig gerundetes
Laub nicht bloss an den Ahorn, sondern auch an die tropischen
Bombaceen erinnert, kommen schon in den tiefen Forsten auf
dem Vorgebirge desAthos und in Griechenland vor, sollen auch ehemals
am Fusse des Aetna vorhanden gewesen sein, aber als eigentliches
Heimathland möchten die Gebirge der vorderasiatischen
Steppen gelten dürfen, wo die Platane am Taurus bis über 5000 Fuss
ansteigt ®7). Hierfür spricht auch der Umstand, dass der nahe verwandte
Storaxbaum (.Liquidambar orientale) auf einen kleinen Raum
am pisidischen Taurus beschränkt ist und also das gemeinsame
Vegetationscentrum nicht verlassen hat. Es liegt nahe, hiebei die
Thatsache anzuführen, dass beide Bäume in Nordamerika durch
überaus ähnliche Arten ersetzt werden, so dass der Storaxbalsam
von zwei so entlegenen Ursprungsländern in den Handel kommt und
die beiden Platanen in den Gärten häufig mit einander verwechselt
werden. Dies ist eins der auffallendsten Beispiele, wie die entferntesten
Vegetationscentren zuweilen in ähnlichen, aber doch nicht
identischen Erzeugnissen sich gefallen, wobei an die Uebertragung
einer etwaigen Stammart von einem Gebiete in das andere doch gar
nicht zu denken ist.
Die Sykomorenform, deren Eigenthümlichkeit näher zu erläutern
erst das afrikanische Sudan, dessen Klima ihm am meisten zusagt,
den Anlass bieten wird, tritt über Aegypten nur bis nach Syrien
in das Gebiet ein (Ficus Sycomorus), aber auch der südeuropäische
Feigenbaum [Ficus Carica) kann mit ihr verglichen und als der am
weitesten nach Norden gerückte und unter neue Bedingungen gestellte
Vertreter derselben betrachtet werden. Schon in den ältesten
Ueberlieferungen der Geschichte erwähnt und, wie man meint, aus
Vorderasien abstammend, umfasst die Feigenkultur gegenwärtig das
ganze Bereich der Mediterranflora und erreicht, da nur der winterliche
Frost deren weitere Ausbreitung verhindert, erst im westlichen
Seeklima von Frankreich ihre Polargrenze. Ueberall innerhalb dieses