368 X V I II. Hylaea, Gebiet des äquatorialen Brasiliens.
So sehr die Savanen an Ausdehnung auch am unteren Amazonas
gegen die Wälder zurücktreten, so kommt doch auch in ihnen
das Aequatorialklima dadurch zur Geltung, dass die Bäume dieser
offenen Flächen ebenfalls immergrün sind 9) und daher keine eigentliche
Catingas bilden. Die Luft scheint daher in keiner Jahrszeit
so arm an Wasserdampf zu sein wie auf den Ebenen und Campos
von Venezuela und im südlichen Brasilien. Ueberhaupt drängt
hier den Baumwuchs die Beschaffenheit des Bodens zurück. Denn
Savanen treten am unteren Stromlaufe nur da auf, wo die Erdkrume
aus grobem Sand und Gerollen gebildet ist»). Unter diesen Bedingungen
entstehen selbst mitten im Ete-Walde kleinere, mit Savanen-
gräsern bewachsene Flächen, wo nicht einmal Gesträuche den Graswuchs
unterbrechen. Auch hier wird der Waldrand durch eine eigen-
thiimliche Vegetation von Gebüschen und niedrigen Bäumen, von
Melastomaceen, Myrtaceen und Malpighiaceen, gegen .den frei beleuchteten
Boden abgegrenzt. Auf den grösseren Savanen von San-
tarem wachsen die Gräser nur einen Fuss hoch 9): im Februar und
März blühend, sind sie im September völlig verdorrt3). Auf diesen
Flächen treten einzelne Bäume oder Waldinseln auf, die gleich dem
Ete-Walde von Lianen und Epiphyten reich geschmückt werden,
aber aus besonderen Arten bestehen, unter denen die Myrtaceen am
zahlreichsten zu sein scheinen.
Nach den Hülfsqu eilen, welche Brasilien durch Klima und Vegetation
zu Gebote stehen, unterscheidet Agassiz *9) von den südlicher
gelegenen Gegenden, die vermöge ihrer höheren Lage für die
Kaffeekultur besonders geeignet sind, das fruchtbare Aequatorial-
efebiet des Amazonas dadurch, dass hier die natürlichen Erzeugnisse
des Waldes in der merkantilischen Bewegung den ersten Platz behaupten.
Unter diesen stehen gegenwärtig, abgesehen von den Para-
Nüssen, Kautschuk, Kakao, Vanille und Sarsaparille voran, woran
eine Menge von Hölzern, Pflanzenfasern und Droguen sich an-
schliessen. Der amerikanische Kautschuk wird in den Niederungen
von Para aus dem Milchsäfte eines auch im Inneren häufigen Euphor-
biaceenbaums gewonnen [Siphonia clastica) • und der Kakao (der
Samen der Byttneriacee Theobroma Cacao), auf den Inseln des Stroms
vielfach angebaut, ist ebenfalls ein einheimisches Erzeugniss, dessen
Heimath vorzüglich die Wälder am Solimoes umfasst9). Die brasilianische
Vanille ist weniger gewürzhaft, die Frucht von geringerer
Grösse als bei der mexikanischen ; auch die Sarsaparille scheint einer
Savanen. Handelserzeugnisse. — Vegetationsccntrcn. 369
eigenthümlichen Art [Smilax papyracea) anzugehören, deren Wurzel
mit der aus andern Gegenden des tropischen Amerikas gewonnenen
nicht übereinstimmt20).
Vegetationscentren. Zahlreiche Beobachtungen lehren, dass
die Gewächse, welche die Küstenlandschaften Brasiliens bewohnen,
über ein weit ausgedehnteres Gebiet verbreitet sind als diejenigen,
die im Innern des Landes wachsen. Gardner21) fand in den Provinzen
Ceara und Pernambuco viele Pflanzen, die nicht bloss an der ganzen
tropischen Küste Brasiliens, sondern auch in Guiana und Westindien
Vorkommen, während unter denselben Breitengraden eine durchaus
eigenthümliche Vegetation eine Strecke weit landeinwärts begann.
In den beiden Meeresströmungen, welche, am Kap Roques geschieden,
der Nordost- und Südostküste Brasiliens entlang fliessen und
die Wanderungen der Litoralgewächse, sowie der aus den Flüssen m
das Meer getragenen Keime erleichtern, findet dieses Verhältniss
seine Erläuterung, und hiermit lassen sich auch Spruce’s Beobachtungen
am Amazonas selbst vergleichen. Manche Holzgewächse
folgen, den Verbindungen durch das fliessende Wasser entsprechend,
dem Strome von den Grenzen Perus bis zur Küste von Para und
Guiana22). Auch ist die Flora des Amazonas mit der am Orinoko
übereinstimmender als mit der südbrasilianischen, und dennoch ge
staltet sich durch den Wechsel der Arten im oberen Gebiete des
Stromlaufs die Masse der endemischen Gewächse zu einem erstaunlichen
Reichthum. Im Abstande eines einzigen Breiten- oder Längengrads
ändert sich nach Spruce die Plora um die Hälfte der einheimischen
Arten. Der Austausch ist am Igapo am meisten eileich
tert, dieselben Bäume bewohnen beide Stromufer. Im Ete-Walde
dagegen haben sich die ursprünglichen Centren oft in ihrer engen
Räumlichkeit erhalten und in noch höherem Maasse innerhalb der von
ihm umschlossenen Capoes, wo jener botanische Reisende in den einzelnen
Beständen jedesmal einige Arten antraf, die ihm später niemals
wieder zu Gesicht kamen. Das Wasser erweitert die Wohngebiete
der Pflanzen, der Wald, wo alle Schätze des Bodens an
lebenskräftige Organisationen bereits vergeben sind, schränkt sie ein.
Auch die Wasserpflanzen selbst sind selten dem Amazonas
eigenthümlich. Während das Thierleben im Strome sich viel reicher
als in den unzugänglichen, stillen Wäldern entfaltet und eine beispiellose
Anhäufung verschiedener und auf enge Bezirke eingeschränkter
Fische diese Gewässer bewohnt15), steht deren Vege-
G r i s e b a c h , Vegetation der Erde. I I. 2. Au fl.