Man erkennt aus den Beobachtungen sogleich, dass der Oelbaum
und die Buche in ihrer vertikalen Verbreitung sich ähnlicher verhalten
als die Kastanie, die in südlicher und östlicher Richtung höher
ansteigt. Die beiden ersteren Bäume zeigen das schon bei der Erörterung
des atlantischen Klimas erwähnte Verhältniss, dass die
Höhengrenzen sowohl nach Westen als nach Osten sinken und in
Italien oder bei Nizza am höchsten liegen. Die Buche sodann hebt
sich noch einmal wieder im pontischen Gebirge zu einem höheren
Niveau als in westlicher gelegenen Meridianen. Es frägt sich, ob
dieses Steigen und Sinken der Höhengrenze aus der klimatischen
Lebensphäre der einzelnen Bäume erklärt werden kann. Ueber die
Buchengrenze habe ich schon früher - 6) bemerkt, dass das See- und
Kontinentalklima, über ein gewisses Maass gesteigert, dieselben herabdrücken
, und in Italien sehen wir daher diesen Baum am höchsten
in das Gebiige sich erheben, höher als auf den Pyrenäen und in Macédonien.
Welches aber sind nun die im Westen und Osten geänderten
klimatischen Werthe, die auf die Organisation der Buche
solche Wirkungen ausüben können? Bei.der Erörterung der Buchen-
gienze in den Ebenen des Nordens wurde angenommen, dass, wenn
der Baum bei 8° ausschlägt und bei -6° seine Blätter wieder verliert,
derselbe in Gothenburg noch 5 Monate Zeit zu seiner jährlichen Vegetation
findet, in Christiana aber nicht mehr, und dass hiemit setne
klimatische Sphäre überschritten ist.. Auf den beiden östlichen Halbinseln
des Mittelmeergebiets wiederholen sich ähnliche Bedingungen
im Gebirge ; die Entwickelungsperiode verkürzt sich, weil schon am
Meere der Winter länger dauert als in Italien. Nur das Gebiet der
pontischen Flora machte hievon eine Ausnahme, und hier hebt sich
daher auch die Buchengrenze mehr als 1000 Fuss höher als in Macédonien
und als an der anatolischen Westküste. Die vertikale Depression
im Osten, die am Biokovo • in Dalmatien ihr Maximum erreicht,
ist demnach die Folge der durch die schroffere Temperaturkurve
verkürzten Vegetationszeit. Die steilen Gehänge des Biokovo
sind ungeachtet des mildenAVinters der dalmatischen Küste in dieser
Beziehung noch ungünstiger gestellt als die bosnischen Hochlande,
entweder weil dort der Boden die Bewaldung hindert, oder weil die
Wärme nach aufwärts rascher abnimmt als auf dem von Mittelgebirgen
erfüllten Plateau Bosniens. Die östliche Depression der Olivenkultur,
die eine so viel längere Entwi.ckelungsperiode fordert, beruht
auf denselben klimatischen Bedingungen wie die der Buche,- und,
wenn sie in Lycien und Cilicien höher ansteigt als an der Nordküste
des ägäischen Meers, so erkennt man darin den Einfluss der südlicheren
Breite auf die Dauer der Vegetationszeit. Die Kastanie,
die durch ihr festeres Laub den Gewächsen der immergrünen Region
verwandter ist als die Buche, und von der man daher erwarten sollte,
dass ihre Verbreitung ein Verbindungsglied zwischen dieser und dem
Oelbaum bilde, zeigt auf den Gebirgen des Südens nur wenige Andeutungen
von einer durch kürzere Entwickelungsperioden bedingten
Depression1^). Indem ihre Verbreitung in nordöstlicher Richtung
weit hinter der Buche zurückbleibt, findet bei ihren Höhengrenzen
fast nur das einfachere klimatische Verhältniss seinen Ausdruck,
dass die Wärme sowohl nach Süden als mit dem Abstande vom atlantischen
Meere wächst. In Andalusien, Sicilien und an der Westküste
Kleinasiens steigt daher die Kastanie am höchsten in das Gebirge
und bietet, wenn man damit die westliche Depression in Portugal
vergleicht, eine ebenso charakteristische Nachweisung für den Gegensatz
der Temperatur-Variation in Südeuropa wie der Oelbaum. Es
ist einleuchtend, dass unter den mannigfachen, klimatischen Momenten,
die man unter der Bezeichnung See-Klima zusammengefasst
hat, und die, je nachdem sie auf die Temperatur der verschiedenen
Jahrszeiten oder auf die Dauer der Vegetationszeit sich beziehen, so
ungleich auf das Pflanzenleben wirken, nur die Verminderung der
Sommerwärme es sein kann, von der die Depression der Vegetationsgrenzen
am atlantischen Meere gerade so wie die der Schneelinie 8)
abgeleitet werden kann. Wenn man aber sieht, wie ausserordentlich
gross der Unterschied der Höhengrenzen von Algarvien und Granada
ist (bei dem Oelbaum 2800Fuss, bei der Kastanie 2700 Fuss), und
doch die klimatischen Messungen der Sommerwärme von Lissabon
von denen der spanischen Mittelmeerküste kaum in entsprechendem
Verhältniss, sondern nur um 3 0 abweichen IIO)? so könnte es zweifelhaft
erscheinen, ob jene Angaben aus Portugal wirklich auf klimatische
Grenzwerthe zu beziehen sind. Berücksichtigen wir indessen,
dass die Sierra Nevada aus dem Plateau von Granada sich erhebt
und die Wärmeabnahme durch dessen Einfluss eine langsamere sein
muss als auf dem Küstengebirge Algarviens, so wird dieses Bedenken
wenigstens theoretisch beseitigt. Denn jedes Plateauklima ist als
solches kontinental, die Sommerwärme hoch, weil der Boden von
der Sonne um so stärker erhitzt wird, je ebener die erwärmungsfähige
Fläche ist, der Winter zwar auch kalt, weil die nächtliche