294 I I I . Mittelmcergcbiet.
zeit zu erhalten, in welche sie gerade dann eintritt, wenn die höchste
Energie ihrer Vegetation erreicht ist. Mögen dann auch ihre Blätter
welk und verstäubt erscheinen, sie gehen nicht zu Grunde und erholen
sich wieder unter dem Einflüsse des Herbstregens. Eine ähnliche,
dem Osten eigenthümliche Art [Q. infectoria) nähert sich durch ihr
zäheres Laubgewebe schon den immergrünen Formen, indem sie ihre
alten Blätter erst im folgenden Frühlinge abwirft, während das neue
Laub sich entfaltet. Wenn durch die Eichen mit periodischer Entlaubung
die klimatischen Momente ausgedrückt sind, die Mittel- und
Südeuropa gemeinsam angehören, so zeigen mehrere Kulturbäume,
die der Buche in ihrer Blattbildung mehr oder minder ähnlich sind,
dass auch der Süden eigenthümliche Erzeugnisse aus dieser und den
verwandten Bildungsreihen besitzt. Dahin gehören der Mandelbaum,
der Granatbaum und die beidenMaulbeerbäume [Amygdalus communis
Punica granatum, Morus alba und nigra). Die Herkunft von Gewächsen,
die so werthvoll sind wie diese, lässt sich selten sicher bestimmen.
Die Untersuchungen über ihre ursprüngliche Heimath haben indessen
gelehrt, dass die genannten Bäume sämmtlich schon im griechischen
Alterthume bekannt waren, und dass sie noch jetzt theils im Orient,
theils in Nordafrika als einheimische Gewächse betrachtet werden,
also in Abschnitten des Gebiets, wo die Vegetationszeit verkürzt ist.
Da sie einen milderen Winter erheischen als die Eichen des Nordens,
so ist ihre Wanderung als diesen entgegengesetzt aufzufassen. Vom
Osten und Süden hat sie der Anbau in westlicher und nördlicher
Richtung ausgebreitet, aber nach ihren heutigen Kulturgrenzen sind
ihre klimatischen Bedingungen ungleich. Der Granatbaum, der in
Macédonien sich wie ein einheimisches Gewächs verhält, überschreitet
doch nirgends die Grenzen der Mediterranflora, so leicht er sich
unter den Tropen akklimatisirt, wo er fast das ganze Jahr seine
dunkelrothen Blüthen entwickeln soll. Das Laub dieses Baums hat
eine kürzere Dauer als bei den immergrünen Gewächsen ®2) , und
die in Südeuropa zum Sommer sich verspätende Blüthezeit deutet
ebenfalls auf die kürzere Vegetationsperiode seiner orientalischen
Heimath. In wärmeren Ländern scheint er dann an wiederholte
Bildungsprocesse während desselben Jahrs sich gewöhnen zu können,
wogegen er in höheren Breiten zwar die genügende Entwickelungszeit
finden, aber während seines Winterschlafs die Kälte nicht ertragen
würde. Ganz verschieden verhält sich der Mandelbaum, der
schon so früh im Jahre die zu den Baumkulturen bestimmte Land-
Buchenform. 295
schaft mit seinen Blüthen schmückt und doch, wiewohl er noch vor
seiner Belaubung z. B. in Südfrankreich bereits im Januar oder Februar
zu blühen pflegt, erst gegen den Schluss der dürren Jahrszeit
seine Früchte reift. Hieraus ist man wohl berechtigt, den Schluss
zu ziehen, dass die ursprüngliche Heimath des Granat- und Mandelbaums
nicht dieselbe sei, dass der erstere aus solchen Gegenden des
Orients stamme, wo der Winter zwar milde, aber von längerer Dauer
ist, der letztere aus Nordafrika, wo man ihn noch jetzt als einheimisch
betrachtet63), und wo die Vegetationsperiode nicht durch den
Winter, sondern durch die verlängerte Sommerdürre verkürzt wird,
welche die Reife der Mandeln verspätet. Das Kulturgebiet des
Mandelbaums sehen wir auch über die Grenzen der Mediterranflora
im Westen bis zum Rheine (490 N. B.) hinausgerückt, soweit ihm
die Entwickelungszeit und der milde Winter des Seeklimas genügen.
Der Maulbeerbaum scheint dem Granatbaum in seiner klimatischen
Sphäre näher zu stehen als dem Mandelbaum, da er viel später aus
dem Winterschlaf erwacht und seine Blätter in der Provence erst in
der zweiten Hälfte des März entfaltet. Zu Anfang April 1867 machte
ich die Beobachtung im Rhonethal, dass von Lyon abwärts die Maulbeerbäume
bis zur Grenze der Mediterranflora noch kahl waren, dass
sie aber, sobald ich die ersten Olivenbäume erreicht hatte, nun auch
von frischem, gelblichem Laube bedeckt sich zeigten und die Mandelbäume
ebenfalls im Frühlingslaube prangten. Obgleich manche
Beobachtungen für die politische Heimath der beidenMaulbeerbäume
sprechen, so ist es doch auffallend, dass sie den alten Griechen schon
bekannt gewesen sein sollen und doch die auf ihren Anbau begründete
Zucht der Seidenraupe auf China beschränkt blieb, indem dieselbe
erst in viel späterer Zeit unter Justinian nach dem Occident
verpflanzt wurde 64). Dieser scheinbare Widerspruch, dass dieHeimath
eines Insekts nicht mit der des Gewächses Zusammenfalle, von dem
es sich ernährt, findet wahrscheinlich darin seine Lösung, dass die
Herkunft der beiden Morus-Arten keineswegs dieselbe sein dürfte.
Denn die klimatischen Bedingungen derselben sind nicht übereinstimmend.
Der weisse Maulbeerbaum, dessen Spielarten fast ausschliesslich
zum Seidenbau benutzt werden, erträgt den kontinentalen
Winter des Steppenklimas und leidet erst bei hohen Kältegraden.
Der schwarze Maulbeerbaum erfriert in Deutschland leicht und entspricht
übrigens dem Klima des Weinstocks6s). Hiernach möchte
die Heimath des letzteren am schwarzen Meere zu suchen sein, und