XX.
FLORA DER TROPISCHEN ANDEN
SÜDAMERIKAS.
Klima. Auf die weiten Tiefebenen Südamerikas folgt westwärts
die Anschwellung der Anden, die, an Höhe nur dem Himalaja
nachstehend, aber nach der Ausdehnung der Hebungslinien das
grösste Gebirge der Erde, den Raum bis zum stillen Meere und vom
Isthmus bis aur Südspitze des Kontinents vollständig und ununterbrochen
ausfüllt. Diese langgestreckte Höhenzone, deren Längsdurchmesser
von Norden nach Süden etwa zwei Drittheilen eines
Erdquadranten gleichkommt (90 N. B. bis 56° S. B.), ist nirgends
so breit wie die der mexikanischen Anden, aber in sofern ähnlich
gebaut, als auch hier von parallelen Kämmen oder Kordilleren hochgelegene
Flächen eingeschlossen und umsäumt werden. Fast überall
kann man eine westliche Küstenkordillere, die unmittelbar vom Ufer
des stillen Meers ansteigt, von einer östlichen Reihe von Hochgipfeln
unterscheiden, welche ebenfalls dem Rande des Gebirgs genähert
sind und sich zu den tiefen Stromthälern des Flachlandes herabsenken.
Unter dem Aequator in Quito zu einem schmalen Hochthale
zusammenrückend, umschliessen die beiden Randkordilleren in Peru
und Bolivien ein weitläuftiges Hochland, welches daselbst die Sierra
und Puna-Region genannt wird. Am südlichen Wendekreise verschwinden
eine Strecke weit die Hochgipfel und Kämme fast ganz:
hier bildet die Wüste Atacama, die sich quer über die ganze Breite
der Andenschwellung vom stillen Meere bis zu den Pampas als
hochgewölbte Ebene1) ausbreitet, einen natürlichen Abschnitt, der
die Flora der tropischen Anden von der chilenischen abscheidet.
Bewässerung. 397
Die Vegetation der südamerikanischen Anden behauptet schon
als Gebirgsflora gegenüber den Tiefebenen, mit denen sie sich nur
in ihren Thaleinschnitten mischen kann, den Charakter abgeschlossener
Selbständigkeit. Innerhalb der Tropen umfasst sie in der
Stufenfolge ihrer Regionen alle Isothermen der Erde bis zur Linie
des ewigen Schnees, aber in diesen Breiten ist sie mannigfaltiger in
den nach dem Niveau gesonderten Formen als in der Mischung der
zusammenlebenden Arten, weil dem grössten Theil der Obei fläche
eine genügende Bewässerung nicht zu Gebote steht und die Einwanderungen
aus den Nachbarlandschaften durch das Höhenklima gehemmt
sind. Gegen den Reichthum der Waldregionen des Himalaja
stehen die Kordilleren weit zurück, und auch von den mexikanischen
Anden werden die südamerikanischen Gebirgslandschaften an Verschiedenartigkeit
der Erzeugnisse übertroffen.
Am pacifischen Abhange der westlichen Kordillere Perus ist der
Mangel an Bewässerung am grössten, die Küste selbst ist eine völlig
regenlose Zone, die nur im Winter durch leichte Nebelbildungen,
die Garuas, befeuchtet wird. Da diese Andenkette nirgends durchbrochen
ist, so haben die Flüsse einen kurzen Lauf und sind wasserarm
: an ihren Ufern allein, oder wo ihre Gewässer zu Irrigationen
gesammelt werden, ist die wüste Landschaft gelegentlich, wie bei
Arequipa, zu blühenden Kulturoasen umgestaltet worden. Aber
auch in den höheren Lagen und jenseits der Küstenkordillere ist die
Regenmenge geringfügig oder die Vertheilung der Niederschläge
nicht geeignet, einem kräftigen Pflanzenwuchse Vorschub zu leisten.
Die klimatische Linie, wo diesen dürren Berglandschaften gegenüber
die üppige Natur der Tropen sich entfalten kann, wird erst an der
Wasserscheide der östlichen Kordillere erreicht, an den Abhängen,
die den Tiefebenen Südamerikas zugewendet sind, oder in den Thä-
lern, welche, diese Kette umsäumend und durchschneidend, in der
Richtung des karaibischen und atlantischen Meers geöffnet sind und
ihre Gewässer zu den grossen Strömen, zum Magdalena, Orinoko
und Amazonas, ansammeln. Denn diese Abdachung der Anden allein
ist der Einwirkung des Regen bringenden Passats unterworfen, welcher
seine Wasserdämpfe aus fernen Meeren herbeiführt, an der
Kordillere seine Wolken entladet, westlich von deren Kamme hingegen
nicht weiter bemerkt wird. Der mechanische Widerstand, dei
hier die allgemeine Luftströmung unterbricht oder in die oberen
Schichten der Atmosphäre ablenkt, ist von so weitgreifender Wir