Weg in einigen Fällen einzuschlagen versuchte, kommt zu demselben
Ergebniss. Die Fehler der Methode sind von Erman und Anderen
nachgewiesen. Sie ist schon deshalb den physiologischen Vorgängen
widersprechend, weil nach jeder Vegetationsphase ein Stillstand von
unbestimmter Dauer eintreten kann, bis die Temperatur die Höhe
erieicht, welche von der neuen Phase gefordert wird. Bei jeder
Summirung der Temperaturgrade kommt daher der veränderliche
Wärmewerth in Rechnung, der zwischen beiden Phasen vorhanden
war, während doch das Wachsthum Stillstand. Nimmt man hingegen
an, dass jede Phase an ein bestimmtes Wärmeminimum gebunden
und zugleich von der Dauer der einzelnen Bildungsprocesse abhängig
ist49), so kann die veränderte Ordnung in der Belaubung derselben
Bäume als eine Folge der nach denKlimaten verschieden gestalteten
Jahreskurve aufgefasst werden, und auf diesem Gesichtspunkte beruht
Vaupell’s Erklärungsversuch. Wenn ich ihn nämlich richtig
verstehe, betrachtet er das Eintreten des Frühlingssafts in den Baum
und die Entfaltung der Blattknospen als zwei auf einander folgende
Vegetationsphasen, von denen die letztere einer höherenWärme bedarf
als die erstere, so dass, je nachdem dieser höhere Temperaturgrad
früher oder später eintritt, auch eine ungleiche Zeit zwischen
beiden Phasen verfliessen kann. Nehmen wir nun an, dass z. B. bei
der Eiche und Buche die Temperatur, bei welcher der Frühlingssaft
zu steigen anfängt, dieselbe sei (z. B. 6°), die Entfaltung der Blätter
abei bei der Buche 8°, bei der Eiche 10 ° fordere, und setzen wir
ferner voraus, dass die Buche einer längeren Zeit bedarf als die
Eiche, den Stamm und die Zweige in Safttrieb zu versetzen, so wird
die Eiche sich in einem Klima, wo die Temperatur rasch von 6° bis
io ° steigt, vor der Buche belauben können, weil die Blattknospen
des letzteren Baums noch nicht Saftzufluss genug empfangen haben.
Umgekehrt müsste sich die Belaubung der Eiche in einem Klima verzögern
und erst nach der Buche eintreten, wenn, nachdem der Saft
sich durch das ganze Gewächs verbreitet hat, die Temperatur von
io° noch längere Zeit hindurchynicht erreicht wird, so dass die
Wärme zwar dem Blatttriebe der Buche, aber nicht dem der Eiche
entspräche: denn dann würde bei diesem Baum ein Stillstand die
Entwickelung unterbrechen müssen. So fasse ich Vaupell’s Hypothese
auf, eine Erscheinung zu erklären, die auch deshalb auf solchen
mechanischen Ursachen zu beruhen schien, weilZweige dieser Bäume,
als sie im Winter in Treibhäuser gebracht wurden, sich ebenso
verhielten, wie in wärmeren Klimaten, so dass in der höheren Temperatur
die Eiche ebenfalls früher ausschlug als die Buche. In Nizza,
wo die Wärme zu Anfang April rasch zunimmt, könnten sie sich
hiernach gleichzeitig entwickeln. Allein mit dem Vaupelfschen
Erklärungsversuch lässt es sich doch nicht vereinigen, dass im Seeklima
Frankreichs die Wärme des Frühlings ja nicht rascher, sondern
vielmehr langsamer steigt als im kontinentaleren Deutschlands:
in Dijon, wo die Buche später als die Eiche und Esche sich belaubt,
ist die Mittelwärme des April 8°,5 R., des Mai 12 ° ,7; in Göttingen,
wo die Eichen stets später grün werden als die Buchen, hat der April
ebenfalls 8°, 4, der Mai schon i4 °,3 . Es wird daher der die Belaubung
der Eiche begleitende Temperaturgrad von io° in Deutschland
früher eintreten als in Frankreich, und doch entwickelt sich dort der
Baum später als hier. Wir sehen uns daher durch Vaupell’s Bemühungen,
das Räthsel der Erscheinung zu lösen, doch zu keiner
sicheren Ansicht geführt und müssen vielmehr auch in diesem Falle
den Mechanismus uns entschlüpfen sehen, indem wir wieder auf den
Ausgangspunkt unserer Betrachtung zurückgeführt werden, den rein
geographischen, der darin besteht, dass das Klima des Vegetationscentrums,
wo eine Art entstanden ist, ihrer Entwickelung am meisten
gemäss ist. In andere Länder, vielleicht durch ihre eigenen Kräfte,
verpflanzt, sucht sie ihre Entwickelungsperiode festzuhalten, oder
ändert sie, um ihr Fortbestehen zu sichern«), bis zu einem gewissen
Grade ab, bis sie endlich in noch weiteren Fernen der Ungunst des
Klimas erliegt. Nur so können wir bis jetzt verstehen, dass die
nordischen Bäume sich im Süden so spät entwickeln, und dass nach
dem Maass der Wärme die Entwickelungszeiten sich ändern, die Vegetation
sich verkürzen oder verlängern kann.
Aus diesem Ergebniss, dass die Entwickelungsperioden der
Gewächse dem Klima ihrer ursprünglichen Heimath am meisten entsprechen
, lässt sich eine neue Methode ableiten, die \ egetations-
centren gewisser Arten innerhalb ihres heutigen Wohngebiets zu bestimmen.
Diesen Weg werde ich bei mehreren südlichen Kulturbäumen
einschlagen, wobei nur vorläufig zu erinnern ist, dass, wenn
sie aus dem Orient stammen, sie sowohl früh als spät ihm Jahre sich
belauben können, je nachdem ihre Heimath dem Klima der Steppen
oder dem der syrischen Wüste mehr genähert ist, also z. B. am Bosporus
oder in Palästina gelegen wäre.
Wenn auch die Mittel unbekannt sind, deren die Organisation