setzte15). Schon vom 16. Mai an stieg dessen Wärme täglich über
den Gefrierpunkt (nur am 22. war dies nicht der Fall), erreichte bereits
am 15. Juni 7° R , am 26. beinahe io°; am 5. Juli wurde die
höchste Insolation mit i 6°,9 beobachtet, ergab noch am n . August
über 150 und sank erst nach dem 4. September wieder unter 0° Es
fand demnach über viertehalb Monate lang eine Erwärmung des
Bodens und der Pflanzen statt, bei welcher flüssiges Wasser gebildet
wurde und sich in den Geweben bewegen konnte. Die mittlere
Sommerwärme von + o 0,5 giebt also in Rensselaers Hafen nur eine
sehr ungeeignete Vorstellung von dem, was die Vegetation von den
Sonnenstrahlen empfängt. Fügen wir hinzu, dass, wie gesagt, die
Abplattung des Pols die Abhängigkeit der Insolation von den Breitengraden
mässigt, weil die Richtung der Strahlen in Folge dessen
sich innerhalb des Polarkreises wenig mehr ändert, und dass dagegen
die rasch zunehmende Tageslänge die Wirkungen der Sonne vielmehr
mit wachsender Polhöhe steigert, so ist es einleuchtend, dass
bis zum Pole selbst es der Vegetation arktischer Pflanzen an Wäime
nicht fehlen würde, und dass die klimatischen Unterschiede, die
demohngeachtet stattfinden und die in der Vertheilung der Pflanzenformen
ihren Ausdruck finden, nicht dem Stande der Sonne, sondern
nur dem Schnee und Eis beizumessen sind, deren ungleiche Masse
über oder in dem Erdboden der Luft und den Pflanzen die Wärme
entziehen kann.
Die Unterschiede der Winterkälte sind im Gebiete der arktischen
Flora ungleich grösser als die der Sommerwärme. Die letztere bildet
wie bei uns eine regelmässige Temperaturkurve, weil sie vom Stande
der Sonne abhängt, die Strenge des Winters ist unregelmässiger
über die langen Polarnächte vertheilt, weil die tiefsten Temperaturen
von der Heiterkeit des Himmels und namentlich in der Nähe der
Winterkältepole von der Stille der Luft abhängen. In mehreren hallen
hat man erst gegen den Schluss des Winters die grösste Kälte
eintreten sehen, zu einer Zeit, wo die Eisbedeckung von der Küste
aus am weitesten in das Meer hinausreicht, also dié Ausstrahlung
überall von festen Körpern, nicht mehr zugleich von Wasserflächen
ausgeht, auf denen ihre Wirkungen geringer sind: so im Februar auf
Nowaja Semlja und erst im März am Smith s Sund.
Die Winterkälte beschränkt die arktische Vegetation weniger
durch ihre Strenge als durch ihre Dauer. Es ist indessen selbstverständlich
, dass alle einheimischen Pflanzen hartem Frost zu widerstehen
geeignet sein müssen. Die allgemeinsten Mittel, welche die
Natur anwendet, die ausdauernden Gewächse den Winter hindurch
zu erhalten, würden unter der Schneedecke, welche die Vegetation
einhüllt, zum Theil nicht wirksam sein. Weiche Stengel und Blattorgane,
die durch Zerrung ihres Gewebes bei eintretender Kälte am
meisten gefährdet sind, und die in der gemässigten Zone vor dem
Eintritt des Winters entfernt werden, kommen hier seltener vor I7)
oder werden durch den Schnee vor Fäulniss bewahrt, ohne dass ihre
Erhaltung im gefrorenen Zustande der Pflanze nachtheilig sein könnte.
Diejenigen Organe aber, die in folgenden Jahren sich wiederbeleben
und die in wärmeren Gegenden allein übrig bleiben, erhöhen wie dort
ihre Kohaesion durch holzige Inkrustationen des Gewebes oder durch
eine starre Oberhaut. Den zarten Knospen, die überwintern sollen,
ist eine Hülle vonTegmenten gegeben, welchen ebenfalls eine grössere
Widerstandskraft gegen die durch die Kälte veränderten Spannungen
der Gewebe zukommt. Aber es müssen doch im arktischen
Klima die Säfte viele Monate lang gefroren sein, auch wenn der
Schnee sie vor den tieferen Kältegraden schützt. Worin eigentlich
die Verschiedenheiten der Organisation bestehen, dass bei gewissen
Pflanzen der Saft zu Eis erstarren kann, bei anderen nicht, ohne das
Leben zu gefährden, ist bis jetzt ein physiologisches Räthsel, dessen
Dunkelheit noch dadurch erhöht wird, dass tropische Gewächse
schon bei Temperaturen oberhalb des Frostpunktes erfrieren können.
Man würde sonst vermuthen, dass die Erstarrung des Safts diejenigen
Veränderungen der Molekularstruktur hervorbringe, die man namentlich
bei den plastischen Stoffen, dem Eiweiss, wenn es dem Froste
ausgesetzt war, bemerkt hat, und die sich in dem Charakter ihrer
endosmotischen Kräfte äussernl8) . Die Erhaltung dieser Eigenschaften
, auf der die Regelmässigkeit des Saftaustausches zwischen
den Geweben beruht, hängt also nicht bloss von dem Aggregatzustande
der wirksamen Stoffe, sondern überhaupt von der Temperatut
ab, welche die Organe von ihren Umgebungen empfangen, und
deren Sinken sie durch eigene Wärmeerzeugung vielleicht in beschränkter
Weise Widerstand zu leisten vermögen. Wie ungeachtet
der chemischen Gleichheit der plastischen Stoffe, die doch kaum zu
bezweifeln ist, verschiedene Gewächse gegen die Temperatur sich so
ungleich verhalten, ist aus der Wärmeleitung allein nicht wohl zu
erklären. Die Erscheinung, dass gewisse Pflanzen einen Frost von
—-8° ertragen, aber bei noch tieferer Temperatur erfrieren, ist der,