lung sind. Im Gebiete des Mittelmeers beruht also zwar in einzelnen
Gegenden, wie in der Lombardei, die dem Norden überlegene Zeugungskraft
des Klimas auf den freiwillig gewährten Gaben der
Natur, im tieferen Süden dagegen und im Osten wird sie erst durch
die Mitwirkung des Menschen, durch die Unterhaltung einer künstlichen
Bewässerung entfesselt. Es ist gewiss eine denkwürdige Erscheinung,
dass da, wo die Wiege der Kultur stand, wo der Ackerbau,
die Bedingung höherer Geistesbildung, erfunden ward und viele
Jahrhundertelang blühte, im Kampfe mit der stummen Natur der
menschlichen Thätigkeit grössere Schwierigkeiten, aber auch reichere
Htilfsmittel zu Gebote standen als im Norden, wo das Wasser dem
Boden von selbst zufliesst. Durch die Irrigationen, die einen festen
Wohnsitz voraussetzen, musste bei den orientalischen Völkern des
Alterthums jene Energie sich beleben, welche die vereinzelten
Stämme zu gemeinsamer Arbeit verband und dadurch die sittliche
Ordnung gesellschaftlicher Zustände begründete. Mit dieser Energie
ist auch in späterer Zeit die Herrschaft über die Natur zu Grunde
gegangen, verödete Steppen nahmen wieder den Raum der fruchtbarsten
Landschaften ein. Aber das Erworbene ging zu anderen
Völkern und zuletzt zu denen des nördlichen Europas über, die
berufen waren, nicht mehr im Kampfe mit natürlichen Schwierigkeiten,
sondern durch Aneignung der in den Geheimnissen der Natur
verborgenen Htilfsmittel die Herrschaft über das Unorganische höher
auszubilden und das geistige Leben dadurch noch] mannigfaltiger zu
bereichern.
Zu künstlichen Irrigationen ist das Gebiet des Mittelmcers mit
der reichen Gliederung seines Niveaus ganz besonders geeignet, und
was durch die Schuld erschlaffter Zeiten vernachlässigt oder verloren
wurde, können die Nachkommen wiederherstellen. In der ereeren-
wärtigen Zeit, wo in so weitem Umfange der Ackerbau danieder
liegt, wo in Spanien und vielen Gegenden des Orients durch die Entwaldung
der Gebirge der Wasserzufluss ärmlicher und unregelmässiger
geworden und dadurch die Erneuerung ehemaliger Bewässc-
rungsanstaltcn erschwert ist, sind die fruchtbarsten Landschaften,
wo sie sich erhalten, wie der Garten von Valencia, zuweilen den
verödeten so unmittelbar in die Nähe gerückt, dass die Nachtheile
des trockenen Sommerklimas für die Vegetation nirgends deutlicher
hervortreten. Ihren einheimischen Formen hat zwar die Natur
mannigfache Htilfsmittel der Organisation verliehen, der Dürre
Widerstand zu leisten, aber der rege Saftumtrieb, das Wachsthum
der Organe ist doch nur in denjenigen Monaten möglich, in denen
atmosphärische Niederschläge stattfinden. Die Theorie zeigt, dass
an den Südgrenzen des Gebiets dieselben eigentliche Winterregen
sind, dass sie nordwärts allmälig zu zwei Perioden grösserer Feuchtigkeit,
zu Herbst- und Frühlingsregen aus einander treten, bis diese
dann endlich diesseits der Alpen zu dem Maximum des Sommerregens
in Mitteleuropa sich wieder vereinigen4<5). Aber wie die örtlichen
Einwirkungen diese Vertheilung der Niederschläge vielfach verändern,
so sind auch auf der Norclkiiste Afrikas, der Zone des Winterregens,
die Herbst-und Frühlingsmonate noch feucht genug, um die
Pflanzenwelt zu beleben. Die Masse des Regens in den feuchtesten
Monaten ist ein Ueberfluss, dessen die Vegetation nicht bedarf.
Ihre Entwickelungsperiode beginnt daher mit den ersten herbstlichen
Niederschlägen und dauert zuletzt noch eine Zeit lang im Anfang der
trockenen Jahrszeit fort, bis die Wurzeln keine Feuchtigkeit mehr in
den Bodenschichten finden, in welche sie eindringen. Aber diese
lange Dauer der Vcgetationszcit, welche der Vertheilung der Niederschläge
entspricht, wird auf der anderen Seite durch den Gang der
Temperatur wiederum eingeschränkt. Wo im kontinentaleren Klima
die Winterkälte das Wachsthum unterbricht, ist die Periode in zwei
Abschnitte geschieden, die durch die Blüthen des Herbstes und des
Frühlings bezeichnet sind. Allein auch da, wo die Temperaturgrade
eine stetige Vegetation vom Herbst bis zum Frühling gestatten würden,
sind es nur gewisse, oft nur einzelne Gewächse, die gegen den
Wechsel des Sonnenstandes sich ganz gleichgültig verhalten. Um
dieses Verhältniss zu erläutern, ist näher auf das Verhältmss zwischen
Wärme und Vegetation einzugehen.
Suchen wir zuerst die mittlere Temperatur der Vegetationszeit
zu bestimmen, so ergeben sich Schwierigkeiten, die zwar bis jetzt
nicht zu heben sind, aber auch, wenn sie gelöst wären, gewisse
Thatsachen nicht erklären würden. Es müssten genauere Beobachtungen
über die Zeit des Stillstandes im Wachsthum vorliegen, und
an diesen fehlt es in den meisten Gegenden noch ganz. Nur wo die
Vegetation ununterbrochen vom Herbst bis zum Anfang des, Sommers
fortdauert, könnte man die klimatischen Messungen dazu benutzen.
So berechnet, liegt der mittlere Temperaturwerth der Vegetationszeit,
also die Wärme, die den Pflanzen bei ihrem Wachsthum
wirklich zu Gute kommt, durchschnittlich etwa ebenso hoch,
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