So sehr auch andere Succulenten, wie die fleischigen Euphorbien
Afrikas, gewissen Cactusformen äusserlich gleichen, so nehmen
diese letzteren doch auch im Haushalte ihres vegetativen Lebens
eine besondere Stellung ein. Es wurde in dem Abschnitte über die
Vegetation der Steppen erörtert, wie durch die verschiedensten Einrichtungen
der Organisation die Verdunstung des Safts in den trockenen
Klimaten verlangsamt und wie bei den Succulenten und Halo-
phyten bald durch eine umpanzerte Oberhaut, bald durch gelöste
salinische Stoffe das Wasser im Gewebe zurückgehalten und dadurch
zugleich eine Verlängerung der Vegetationsperiode ermöglicht wird.
Die Cacteen sind keine Halophyten und sie ersetzen jenen Salzgehalt
des Safts durch einen Reichthum an Pflanzenschleim. Eine Gummilösung
verdunstet langsam, wie eine Lösung von Kochsalz, dieselben
Zwecke werden hier nur durch ein anderes Hülfsmittel erreicht. Die
äussere Wandung der Oberhautzellen ist nicht bedeutend verdickt,
aber unter denselben findet sich eine eigentümliche Gewebschicht,
die man Collenchym genannt hat17). Sie besteht aus sehr stark in-
krustirtem Parenchym, dessen Wände von einigen grossen Kanälen
bis auf eine zarte Membran durchbrochen sind, wodurch der Saftaustausch
zwischen den Zellen und zur Oberhaut erleichtert wird.
Um die in dem Stamm angehäufte Saftmasse zu beherbergen, ist das
geräumigere Parenchym in einem weit grösseren Maassstabe ausgebildet
als in andern Gewächsen von gleichen Dimensionen, deren Kohäsion
und Tragkraft auf dem Holzgewebe der Gefässbündel beruht.
Solche Holzbündel treten bei den Cacteen in ihrem Wachsthum gegen
das Parenchym zurück und bilden oft nur ein lockeres Netzwerk im
Inneren des Stamms. Die Organisation hat hier die Aufgabe, einem
Stamm, der die Höhe von Sträuchern und selbst von Baumstämmen
erreichen soll, die erforderliche Festigkeit zu geben und doch seinem
Gewebe eine solche Zartheit zu lassen, dass es zu den Funktionen
des fehlenden Laubes geschickt bleibt. Die Inkrustation der Rindenzellen
unterstützt den ersteren Zweck, und zugleich werden in deren
Porenkanälen dem Safte die Wege geöffnet, mit der atmosphärischen
Luft in den Spaltöffnungsgängen in leichtere Verbindung zu treten.
Eine andere anatomische Eigenthümlichkeit der Cacteen besteht
in der Anhäufung von Krystallen oxalsauren Kalks in den zu dieser
Aussonderung bestimmten Parenchymzellen. In diesem Falle dienen
diese Ausscheidungen offenbar dazu, die Säfte vom Uebermaass der
löslichen Kalksalze zu befreien, die, aus dem Boden stetig aufgenommen,
durch die Verdunstung, bei welcher nur reines Wasser
entweicht, nicht wieder entfernt werden können. In alten Cactus-
stämmen finden wir daher die Masse der abgelagerten Krystalle ungemein
vermehrt und in beständiger Zunahme. Durch die Einführung
von Wasser, welches den Boden auslaugt, und durch die
Abgabe desselben an die Atmosphäre in salzfreiem Zustande wird
das*Gleichgewicht des Saftgehalts an gelösten Stoffen gestort und
nur in dem Falle bewahrt bleiben, wenn diese vollständig zum
Wachsthum der festen Gewebtheile verbraucht werden. Da aber
ihre Menge von der wechselnden Mischung der Erdkrume abhängt,
so müssen Mittel vorhanden sein, das Unbrauchbare zu beseitigen, da
eine gleiche Beschaffenheit des Safts dauernd vorausgesetzt werden
muss, um stets gleiche Bildungen im Wachsthum hervoizubringen.
Bei der normalen Entwickelung wird die Pflanze von dem Ueber-
schuss an Salzen durch den Wechsel der periodischen Organe befreit,
durch den Laubfall und die Rindenerneuerung bei den Holzgewächsen.
Bei der Cactusform aber haben wir den ganz besondern Fall, dass
bei einem viele Jahre hindurch anhaltenden Wachsthum des Stamms
kein Gewebe, keine Parenchymzelle verloren geht. Es müssen daher
alle die Stoffe, welche zur Herstellung der Gewebtheile selbst
nicht dienen können, zu besonderen Ablagerungsstätten in unlöslicher
Form aus dem Safte fortgeschafft werden, damit das nötlnge
Gleichgewicht in der Concentration desselben erhalten bleibe.
Durch so verschiedenartige Einrichtungen ihrer Oekonomie,
durch ihre Gummimassen, ihre Collenchymzellen und ihre Krystalle
wird unter den succulenten Pflanzenformen bei den Cacteen die
höchste Vollendung erreicht, die grösste Mannigfaltigkeit der Stammgestalten
sehen wir hier entfaltet. In ihren Dimensionen, ihren
Formen, ihrer Architektur übertreffen sie bei Weitem das Maass der
Bildungen, die bei anderen Succulenten verwirklicht sind, und doch
zeigt sich in ihrem Typus auch äusserlich manches Gemeinsame und
ihnen Eigenthümliche. So sind die Dornen an der Stammoberfläche
stets gruppenförmig vereinigt, und regelmässig gestaltete Zwischenräume
werden dadurch der Einwirkung der Sonnenstrahlen freigegeben.
Die Dornrosetten selbst bewegen sich dabei nach der
Grösse und Zahl ihrer Elemente, nach ihrer Festigkeit und Weiche
bis zum feinsten Wollhaar in dem buntesten Spiel von Einzelheiten.
Nach dem Verhältniss der Dimensionen unterscheidet man die cylin-
drischen oder prismatischen Säulen der Cereen von dei Kugel- odei