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154 II. Waldgebiet des 'östlichen Kontinents.
als die Calluna des trockenen Bodens. Die Zwischenräume zwischen
ihren gewölbten Zwerggesträuchrasen (den sogenannten Bülten) werden
mit zunehmender Nässe des Bodens mehr und mehr durch Cype-
raceen, durch Seggen und Eriophoren ausgefüllt, und so kann das
Hochmoor in das Wiesenmoor übergehen, dessen zusammenhängende
Vegetationsdecke, wo sie rein ausgebildet ist, aus dieser letzteren
Pflanzenform und einigen Sumpfgräsern und Stauden besteht. Die
Wiesenmoore oder Brüche, deren Torf aus diesen Rasen bildenden
Pflanzen hervorgeht, trocknen in der Sommerdürre nicht so leicht
aus wie die Hochmoore; die organische Substanz, welche die Verwesung
ihrer Organe zurücklässt, ist minder dicht und als Brennstoff
weniger werthvoll; unter der Rasendecke, die beim Betreten
schwankt und zittert, sammelt sich das Wasser wie in Cisternen: so
wird die Formation zuweilen zu einer schwimmenden Insel, die, vom
Ufer losgerissen, auf den Fluthen eines Landsees umhertreibt. Die
Verschiedenheit der Cyperaceen- und Erikenvegetation besteht darin,
dass die erstere ihren Rasen leichter seitwärts erweitert, ohne selbst
das offene Wasser zu scheuen, die letztere hingegen eines festeren
Grundes bedarf, den sie sich freilich selbst durch die Verwesung der
Wurzeln erst erzeugt und aufbaut. Ist das Wiesenmoor sodann erst
mit einer zusammenhängenden Vegetationsdecke ausgestattet , so
bietet die aus den Rasen entstandene Torfmasse nun auch Sträuchern
einen geeigneten Boden, nicht den Eriken, sondern höheren Laub-
sträuchern. Dies führt uns zu dem bedeutenden, geographischen
Gegensätze der Hochmoore und der Erlen- und Birkenbrüche, von
denen die ersteren dem westlichen Theile der baltischen Ebene, die
letzteren dem europäischen Russland vorzugsweise angehören. Diese
Brüche des Ostens dehnen sich über einen viel grösseren Raum aus
als die Erikamoore, und sind ebenfalls überall verhältnissmässig
gleichartig gebildet. Zuweilen sind die Sträucher so hoch und gedrängt,
dass, wenn sie sich nicht vom Boden aus verzweigten, man
sie für Mittelwald halten könnte, und so erscheinen sie, aus der
Ferne betrachtet, namentlich dann, wenn die nordischen Erlen [Ainus
incana) vorherrschen. Weit häufiger sind die Birkengesträuche
[Bctida fruticosa und nana), etwa von Mannshöhe, durch Zwischenräume
von Cyperaceenrasen getrennt, von kleineren Weiden [Salix
rosmarinifolia) und Ericeen (Ledum, Vacciniwn) begleitet. Im Norden
hat auch diese Formation ihre Beeren und unter denselben die
wohlschmeckendste Frucht der ganzen Flora, die Moltebeere [Kubus
! „
Haide, Moor, Erlenbruch. — Küssten. 155
chamaemorus), das Erzeugniss einer kleinen , aber geselligen , etwa
handhohen Staude, die in solchen Brüchen und in versumpfenden
Wäldern gedeiht. Die Frucht gleicht der Himbeere, die.sie an
Grösse übertrifft, und steht nur einzeln an der Spitze des einfachen
Stengels. In Skandinavien und im nördlichen Russland allgemein
verbreitet, erreicht sie Deutschland nur in den nördlichsten Brüchen
und Wäldern Preussens und Pommerns, sie hat sich dann noch einmal
an einzelnen, hochgelegenen Standorten der Sudeten angesiedelt.
Die Grenze der Erlenbrüche und der Hochmoore selbst ist durch den
Stromlauf der Elbe in der Mark bezeichnet. Von Mecklenburg bis
zur Lausitz sind die Erlen- und Birkenbrüche bereits ebenso ausgebildet
wie in Russland. Am weitläufigsten entwickeln sie sich in
den Sümpfen Litthauens, weil hier die Quellengebiete der nördlichen
und südlichen Ströme am wenigsten durch Bodenschwellungen gesondert
sind: hier werden sie oft nur von Weidengesträuch gebildet
und auch auf trockenerem Boden verwandelt sich der Eichenwald
häufig zu niedrigem Gestrüpp iri). Diesseits der Elbe giebt es noch
einen grösseren Erlenbruch, den Drömling, an den Grenzen von Hannover,
Braunsthweig und der Altmark. Es ist nicht anzunehmen,
dass dieser Wechsel der Brüche und Hochmoore nur eine Folge verschiedener
Bewässerung sei, vielmehr ist durch die Vertheilung dieser
beiden Formationen nur der Gegensatz zwischen den klimatischen
Bedingungen der Eriken und anderer Sträucher von höherem Wüchse
ausgedrückt, welche eines kontinentalen Sommers bedürfen. Die
Vegetation empfängt ihren Charakter nicht durch die Art und Weise,
wie der Wasserabfluss gehemmt ist, sondern sie bewirkt eben, dass
die Stauungen desselben nach verschiedenen Normen erfolgen, je
nachdem sich der Humus aus Eriken oder aus Cyperaceenrasen und
Strauchwurzeln bildet.
Die Pussten Ungarns schliessen sich durch ihre Vegetation so
nahe den Steppen des südlichen Russlands an, dass man die Frage
aufwerfen muss, ob es nicht willkürlich sei, sie von ihnen zu trennen.
Die Steppe selbst hat, wo der Boden die Pflanzen einladet,
ihre von Wald umschlossenen westlichen Vorposten auch ausserhalb
der Karpaten: eine solche Bildung wird in der Gegend von Chotin
am Dnjestr angeführt, wo Galizien, Bessarabien und die Moldau
sich berühren, ähnliche werden wahrscheinlich in den Donaufürsten-
thümern zu finden sein. So sind auch die Pussten in der Abwesenheit
der Holzgewächse, in dem Vorherrschen der Gramineen, in der