In der Verbreitung der kaukasischen Nadelhölzer ist ein schwieriges
Problem enthalten, welches einer sicheren Lösung sich noch
ganz entzieht. Dass die Coniferen nach dem kaspischen Meere hin
so sehr zurücktreten, ist eine Thatsache, deren Ursache unbekannt
bleibt, aber viel merkwürdiger würde es sein, wenn es sich bestätigte,
dass die orientalische Tanne des pontischen Gebirgs und des
westlichen Kaukasus unter gleicher Breite am Thianschan wiederkehrt.
Auf diesem fernen Gebirge Centralasiens wächst nämlich,
wie' auch am Alatau, eine Conifere, die sich von jener nur durch
längere Nadeln unterscheiden soll und also vielleicht dieselbe ist
[Pinus Schrenkiana] I12). Dies wäre demnach ein ähnlicher Fall wie
bei der Ceder, aber noch auffallender, weil nicht bloss eine Verbindung
der entlegenen Wohngebiete über die persischen Gebirge nicht
anzunehmen ist, sondern weil die orientalische Tanne, bis Ossetien
vordringend, wie Ruprecht ausdrücklich bestätigt hat, im östlichen
Kaukasus fehlt, ohne dass man einsieht, was sie hier zurückhalten
könnte. Bei diesem Anlass müssen wir auch noch einmal ir3) auf den
asiatischen Wachholder (.Juniperus foetidissima) zurückkommen, da
auch hier die nämliche Schwierigkeit, die Wanderungen der Bäume
aufzuklären, uns aufs Neue begegnet. Von der Krim geht der
Wachholderbaum über den westlichen und centralen Kaukasus zum
Taurus bis Persien, die äussersten Standorte nach Nordosten sind auf
den Vorbergen der Provinz Karabagh im Süden des Kur nachgewiesen.
Im östlichen Kaukasus scheint er gleichfalls zu fehlen, wurde aber
dann in Centralasien vom Himalaja aus nordwestlich bis zum Fontau
bei Samarkand II4) verbreitet gefunden. Doch soll ein nicht näher
bezeichneter Fundort inTurkomanien, also vielleicht an den südlichen
Ausläufern des Ural, den weiten Abstand beider Wohngebiete vermitteln
” 5). Man könnte in solchen Fällen wohl an Hypothesen
denken, die auf Zustände in früheren Zeiten zurückgehen, man
könnte bei beiden Coniferen ehemalige Verknüpfungen des Wohngebiets
über den persischen Elborus und die gegenwärtig waldlosen
Gebirge Khorasans für möglich halten und darauf hinweisen, dass,
wie man aus Steenstrup’s Untersuchungen weiss, in der Vegetation
der Bäume ein säkularer Wechsel eintritt, der durch Erschöpfung
des Bodens an den der einzelnen Art nöthigen Nährstoffen, wie beim
Fruchtwechsel des Landmanns, endlich herbeigeführt werden muss.
Allein eine weitere Begründung solcher Vorstellungen wäre doch in
dem einzelnen Falle ausgeschlossen, und wir müssen aufs Neue dabei
stehen bleiben, dass die Schwierigkeit solcher weite Räume und selbst
o-eeignete Standorte überspringender Wanderungen nicht grösser ist
als bei der Ceder. Der Abstand der Cederwälder des Atlas bis zum
Taurus und Libanon ist ungefähr ebenso gross als vom westlichen
Kaukasus bis zum Thianschan und Fontau, ohne dass die Annahme
eines Waldwechsels zulässig ist, weil die Gebirgsverbindungen fehlen,
deren Vegetation sich hätte verändern können. Was darüber früher
gesagt wurde, findet daher auch auf den Wachholderbaum und vielleicht
auch auf die orientalische Tanne Anwendung.
Vom Thianschan sind fast nur die Regionen des der songarischen
Steppe zugewendeten Abhangs und der durch das Plateau des
Issik-Kul (4200 Fuss) von dem Hauptkamm getrennten Ketten des
Alatau bis jetzt genauer erforscht worden. Die Wälder beginnen
erst in einem viel höheren Niveau als am Kaukasus (4000 Fuss),
am Tabargatai zwischen dem Alatau und Altai sollen sie ganz fehlen.
Schrenk116), der dessen höchsten Gipfel bestieg (9700 Fuss), fand
daselbst nur steile, grüne Abhänge mit nackten Felsen, aber keinen
Wald. Die Gebirge des Steppengebiets finden wir nur da mit zusammenhängenden
Waldregionen ausgestattet, wo sie einem Tieflande
frei gegenüber liegen, welches in Verbindung mit dem Meere, als der
allgemeinen Quelle des Wasserdampfs der Atmosphäre, diesen herberführen
kann. So verhält es sich mit dem Kaukasus über der russischen,
so mit den Abhängen des Alatau und Thianschan über der
songarischen Kirgisensteppe. Wo dagegen ein höheres Gebirge vorliegt,
welches den Wasserdampf bereits erschöpfen konnte, wie dem
Tabargatai der Altai, ist die Trockenheit der Luft erhöht, und ebenso
bleiben die Abhänge waldlos, wenn die atmosphärischen Strömungen
von einem Plateau aus zu ihnen übergehen. Eine andere Bedingung
des Waldschutzes besteht darin, dass der Neigungswinkel der Berge
ein gewisses Maass erreicht: hebt sich der Boden unmerklich, so
kühlt sich die Luft, die ihnen entgegenweht, nicht hinlänglich ab,
um Nebel und Wolken zu erzeugen. Desshalb bleiben die unteren
Regionen des Thianschan, wo die Erhebung des Landes vom Aral
zum Baikasch und von da bis zum Hochgebirge eine allmalige ist,
unbewaldet, wogegen die Bäume an dem steiler ansteigenden Kaukasus
bis zu seinem Fusse der Steppe Trotz bieten. Kommen von
diesen beiden allgemeinen Bedingungen der Feuchtigkeit und des
Baumlebens hier und da Ausnahmen vor, so werden sie sich wohl
immer aus den örtlichen Verhältnissen erklären lassen : so scheint
Gr i s eba ch, Vegetation der Erde. I. 2. Aufl. 29