und so viel rascher als andere klimatische Werthe sich ändern, dass
der Einfluss der übrigen weniger bemerklich ist. In der Ebene hängen
zwar das solare Klima und die Tageslänge von den Parallelkreisen
des Aequators ab, aber andere klimatische Einflüsse, die
bedeutend auf die Lage der Vegetationslinien einwirken, sind ebenso
unregelmässig vertheilt wie Festland und Meer, wie Gebirgsketten
und Fläche, und hiedurch verwickelt sich die Aufgabe, in jedem einzelnen
Falle das bestimmende, klimatische Moment zu erkennen.
Allein dieser Schwierigkeit ist doch dadurch auszuweichen möglich,
dass die Organisation der Pflanzen auf diejenigen klimatischen Einflüsse
schliessen lässt, von denen ihr Wohngebiet bestimmt wird.
Die Dauer der Entwickelungsperiode, die nur innerhalb gewisser
Grenzen sich verkürzen kann, die Unfähigkeit, niederen Temperaturgraden
Widerstand zu leisten, sind solche Lebenserscheinungen,
aus denen wir auf den Zusammenhang zwischen der Organisation
und bestimmten klimatischen Werthen mit Sicherheit schliessen
können.
Wäre es nun aber auch gelungen, die Vegetationslinien auf
klimatische Einflüsse zurückzuführen, so ist doch damit allein die
Aufgabe noch nicht erfüllt, ein natürliches Florengebiet in bestimmte,
geographische Abschnitte zu zerlegen. Dies wird erst dadurch erreicht,
dass die klimatischen Grenzwerthe, die zur Eintheilung dienen
sollen, von gleichartiger Beschaffenheit sind. Denn die Linien,
welche den verschiedenartigen Einflüssen des Klimas auf das Pflanzenleben
entsprechen, kreuzen sich in mannigfaltigen Richtungen
und sind daher, in ihrer Gesammtheit aufgefasst, untauglich, den
Charakter einer abgesonderten Räumlichkeit auszudrücken. Im mittleren
Russland schneidet die Südostgrenze der Calluna-Haide die
Polargrenzen der meisten Laubhölzer, die in nordöstlicher Richtung
auf hören 6) . So ist auch die Vegetationslinie der europäischen Weinkultur,
weil die Wärme des Spätsommers, die sie bedingt, nach
Norden und Westen abnimmt, eine Nordwestgrenze, die der Buchenwälder,
von den in nördlicher und östlicher Richtung geänderten,
klimatischen Werthen abhängig, eine nordöstliche. Beide Gebiete,
die des Weinbaus und des Buchenwalds, sind von einander unabhängig
, am Rhein fallen sie zusammen, in Dänemark, in England
wird die Buche vom Weinstock nicht begleitet. In den Ostseeprovinzen
würde andererseits der Weinbau über die Buchenwälder
hinausreichen, wenn nicht hier ein anderer klimatischer Einfluss, die
Verkürzung des Sommers, dem Fortkommen der Rebe ebenfalls
eine Schranke setzte. Zu geographischenEintheilungen können nur
solche klimatische Linien benutzt werden, die, ohne sich irgendwo
zu schneiden, gleichsam harmonisch verlaufen und den Kontinent
daher in räumlich abgeschlossene Abschnitte theilen. Welche Wei the
dazu ausgewählt werden, ist bis zu einem gewissen Grade willkühr-
lich, aber in den nördlichen Breiten Europas und Asiens eignen sich
zu diesem Zwecke doch nur diejenigen, welche die Abstufungen des
See- und Kontinentalklimas bezeichnen, weil durch sie allein die
Physiognomie der Wälder, der hier durchaus vorherrschenden Foi-
mationen, Wesentlich geändert wird.
Bevor jedoch auf das See- und Kontinentalklima näher eingegangen
wird, ist der allgemeine, klimatische Charakter dei euio-
päisch-sibirischen Flora zu untersuchen, weicherden übei einstimmenden
Verhältnissen der Vegetation zu Grunde liegt. Es sind die
Bedingungen des Baumlebens zu erörtern, die der arktischen Floia
fehlten, und die hier zuerst gegeben sind, um sofort, jede andeie
Vegetation überwältigend, die volle Energie des Waldes hervorzubringen.
Je höher ein Gewächs über den Erdboden sich eihebt, je
grösser das Gewicht wird, welches die unteren Organe zu tragen
und zu stützen haben, desto kräftiger müssen diese an Masse und
Kohäsion sich ausbilden. Der Holzstamm leistet dasselbe füi die
Krone des Baumes, was den Säulen eines Bauwerks übertragen ist,
deren Stärke mit der Last des Gewölbes in einem angemessenen
Verhältniss steht. Die Bäume des Nordens sind dikotyledonisch,
ihre Krone nimmt, so lange das Leben fortdauert, von Jahr zu Jahr
stetig an Umfang und Gewicht zu. Diesem entspricht das jährlich
wiederkehrende Wachsthum des Holzstammes im transveisalen
Durchmesser, die beständige Erneuerung der Rinde , durch welche
die zartesten, die entwickelungsfähigen Gewebtheile gegen die Atmosphäre
geschützt werden. Hier werden viel mannigfaltigere,
vegetative Processe zum Bedürfniss als bei Gewächsen von geringerer
Grösse, und jeder einzelne Process fordert, um das Mateiial zu
bereiten, es an den Ort seiner Bestimmung zu leiten und zu veiw enden,
ein bestimmtes Zeitmaass. In einem Klima, wo die Vegetation
noch immer durch die sinkende Temperatur lange Zeit unteibrochen
wird, ist die Entwickelungsperiode für alle diese Wachsthumsphasen
karg zugemessen. Derjenige Abschnitt der Temperaturkuive, der
vegetative Processe zulässt, erhält die Bedeutung eines klimatischen