seine Ansichten sind durch die späteren Entdeckungsreisen in Centralasien
bestätigt und erweitert worden. Es ist willkührlich, hier
verschiedene Gebirgssysteme zu unterscheiden6s) : denn die Ketten
des Himalaja, des Karakorum und des Künllin verhalten sich zu
einander wie die drei Hauptzüge der Alpen, indem sie überall durch
ihre Gliederungen Zusammenhängen. Wie mit fortschreitender geographischer
Kunde sich derBegriffder Anden erweitert hat, so möchte
ich auch dieses ganze System Hochasiens als Himalaja bezeichnen,
wobei die südliche Kette als die indische zu unterscheiden wäre. In
diesem Sinne erstreckt sich das höchste Gebirge der Erde 6+) über
mehr als zwölf Breitengrade (40°—27°), von den Grenzen Bucharas
bis zu dem indischen und chinesichen Tieflande. Wie es im Osten
gegen das letztere sich abdacht, ist geographisch noch unerforscht;
genauere Kunde hat man jenseits der nach Indien führenden Pässe
nur von Klein-Tibet und den nördlich angrenzenden Landschaften.
In diesen Meridianen finden sich Hochebenen nur im Bereich der
beiden nördlichen Ketten (30—37 °N. B .), und auch diese sind meist
von geringem Umfang. Abgesehen von einzelnen Seebecken breiten
sich weder das Hauptthal des Indus in Klein-Tibet65), noch dessen
Nebenthäler irgendwo zu Tafelländern aus , sondern die weithin gedehnten
Bergketten treten dicht an die Furchen des fliessenden
Wassers, und ein geneigter Boden ist daher allgemeiner Charakter
dieses Theils von Centralasien. Aber die Hochthäler Tibets theilen
dennoch die Vortheile des Plateauklimas : die Verhältnisse sind dem
Flächenraume nach so grossartig, die Böschungen so sanft, dass, wie
Gérard sich ausdrückte66), die schneebedeckten Gipfel in der Weite
ihrer Entfernung erbleichen, wie ein Bild, das in der Erinnerung nur
eine dämmernde Vorstellung zurücklässt.
Die tibetanischen Hochthäler6?) senken sich von 14000 bis
10000 Fuss, ohne dass die Flora sich ändert, und noch höher liegen
die nördlichen Hochebenen (15000 Fuss). In dem hohen Niveau
der Thäler wird dennoch an den Flüssen Getraidebau betrieben (bis
über 13000 Fuss), selbst einzelne Bäume kommen fort (hochstämmige
bis 12600 Fuss). Hier haben die Irrigationen nicht bloss die
excessive Trockenheit und Dürre des Steppenklimas zu überwinden,
sondern die geringe Sommerwärme6S) scheint mit dem Anbau ebenfalls
schwer in Einklang zu bringen, so sehr auch die sanfte Neigung
des Reliefs die Abnahme der Temperatur verzögert. Zwar finden
wir in Leh, der Hauptstadt von Klein-Tibet (10800 Fuss), den
Sommer noch ebenso warm wie in Stockholm (12° 7), aber wenn
man in Hochasien auf 800 Fuss Erhebung eine Wärmeabnahme von
einem Grad rechnet 6s>), so würde an der oberen Grenze des Ge-
traidebaus die Vegetation unter noch ungünstigeren Bedingungen
stehen als da, wo derselbe in Lappland aufhört. Nirgends auf der
Erde giebt es einen deutlicheren Beweis, dass die Insolation in den
oberen Schichten der Atmosphäre zunimmt, wenn sie eine so eiwai-
mungsfähige Fläche trifft wie hier, und dies dient daher auch zur
Aufklärung über dié Kulturbedingungen in den hochgelegenen Tha-
lern Afghani stans. Unstreitig wird die Wärme auch durch die Trocken
heit der Luft erheblich gesteigert, indem die Sonnenstrahlen auch im
aufgelösten Wasserdampf an Kraft verlieren. Moorcroft?°) sah zu
Leh in der Julisonne das Thermometer auf 50° steigen, selbst des
Nachts fiel es zu dieser Zeit nur auf 19 °, und sogar in der Mitte des
Winters beobachtete er ein Steigen des Quecksilbers auf 23 0 m den
Sonnenstrahlen. Die starke Insolation kompensirt nicht bloss die
Abnahme der Mittelwärme, sondern auch die Kürze des Sommers,
und bringt das Getraide zuweilen rascher zur Reife als in Lappland.
Frost und Schnee beginnen in Leh zu Anfang September und dauern
mit wenig Unterbrechung bis Anfang Mai, so dass hier allerdings
vier Monate für die Bestellung des Ackers frei sind und der Weizen
daher gut fortkommt. Auch wird die Gerste gewöhnlich erst m der
zweiten Hälfte des Mai gesäet und im September geerntet?1}, allein
Moorcroft erwähnt auch den F a ll, dass dieselbe im Niveau von
10000 Fuss schon zwei Monate nach der Saat zur Ernte reif wurde
in dem eingeschlossenen Thale von Pituk, wo die Insolation durch
reverberirte Strahlen gesteigert ist.
Ein grösseres Hinderniss als in der Temperaturabnahme n e
der tibetanische Ackerbau in der Trockenheit der Luft und der
Seltenheit des Regens. In dem Hauptthale des Indus 5) finden keine
Niederschläge statt, die den Boden vollständig benetzen; auch im
Winter fällt wenig Schnee, und die Flüsse empfangen ihr W asser aus
den mehr als 10000 Fuss höheren Bergketten, an denen sich der
Wasserdampf zu einer weitläufigen Region ewigen Schnees ansammelt.
Noch viel ungünstiger sind die Verhältnisse in Gross-1 ibet ),
wo im Winter gar keine Niederschläge zu erfolgen scheinen. Die
Punditen, welche von Nepal aus in dessen Hauptthal gelangten und
bis Hlassa vordrangen, erlebten während der ganzen Dauer 1 rer
Reise, vom Oktober bis zum Juni, nur einmal einen Schneefall und