I. Arktische Flora.
1. Die Schneelinie ist in Spitzbergen, wie in anderen Polarländern, grossen
Schwankungen unterworfen. Malmgren schätzt sie unter8o°N. B. auf 1000' (Petermann,
Mitth. f. 1863. S. 401); unter 770 bestimmten sie Duner und Nordenskiöld auf 1400'
(Behrn’s geogr. Jahrbuch, 1. S. 258). Die Schneegrenze in Island (64°) ward erst bei
2880 erreicht (das.) und in Grönland (61—73°) fand sie Rink, ohne dass die geographische
Breite auf ihr Niveau von sonderlichem Einfluss war, zwischen 2000 und
3000' (Rink, Grönland: naturhistoriske Bidrag, S. 169).
2. In Spitzbergen sollen an einem einzigen Fjord, dem Eisfjord (78°) während
des Sommers von 1861 400—600 Rennthiere erlegt worden sein (Malmgren a. a. O.
S. 49). Auf der Melville-Insel beobachtete schon Parry das reich entwickelte Leben
grosser Landthiere, des B o s m o s c h a tu s und des Rennthiers [ Jo u r n . o f a v o y a g e f o r
t lie d is c o v e r y o f a N o r t h W e s t p a s s a g e ): diese Nachrichten wurden auf den Expeditionen
zur Aufsuchung Franklin’s vielfach bestätigt gefunden, und ebenso auf Kolde-
wey’s Reise nach der Ostküste Grönlands im J, 1870.
3. Die tiefste Mitteltemperatur, die man in den Polarländern kennt, ist an der
Nordwestküste Grönlands, in Rensselaers Hafen im Smith’s Sund (78 t/2°) von Rane
beobachtet: sie wurde zu — 15°>3 K. berechnet (K a n e , m e te o ro l. o b s e r v a t io n s in the
A r c t ic s e a s , S m ith s o n ia n C o n t r ib u t io n s Vol. n ) . Auf der Melville-Insel (750) beträgt
die mittlere Wärme nach Parry — i3°,7 (Dove’s Temperaturtafeln, S. 13): die des
Sommers wurde zu + 2°,3 bestimmt, wovon auf den Juni + i°,9, den Juli + 4°,6
und den August -(- o°,3 kommen.
4. Middendo r f f , Reise in den äussersten Norden und Osten Sibiriens.
I. Klimatologie; vergl. Grisebach, Jahresbericht f. 1847. S. 32. Später (IV. 1. S. 500)
nahm der Verf. sogar eine Mächtigkeit des sibirischen Eisbodens bis zu 1000' an.
5. R i c h a r d s o n , A r c t ic r e s e a r c h in g e x p e d it io n ; vergl. Jahresb. f. 1851. S. 50.
6. Sch renk, Reise nach dem Nordosten’des europäischen Russlands; vergl.
Jahresbericht f. 1850. S. 3.
7. L ang e , Översigt over Grönlands Planter (in Rink’s Grönland). Wiewohl
die grönländische Ostküste wegen ihrer Unzugänglichkeit so wenig bekannt ist, so
wird doch hier bereits (nach den Sammlungen J. Vahl’s und nach den Angaben
Giaahs) nachgewiesen, dass von 320 Gefässpflanzen der grönländischen Flora
101 Alten an beiden Küsten Vorkommen. Hierbei sind noch 28 Arten der Ostküste
übergangen, die, von Scoresby gesammelt, in dessen Reisewerke von W. Ilooker an-
gefühit werden. Rechnet man die von Kane entdeckten 21 Arten hinzu, welche
Durand bestimmte, sowie 3, welche nur an der Ostküste von Scoresby gefunden wurden,
so beträgt die Summe der bis jetzt aus Grönland bekannten Pflanzen 344, wovon
126 an beiden Küsten nachgewiesen sind.
8. S c o r e s b y , Journal o f a v o y a g e to th e N o r t h e r n W h a le f is h e r y p. 103. 178.
204. Die Berge an der Ostküste wurden zwischen 710 und 750 N. B. durchschnittlich
auf 3000' geschätzt, aber sie trugen nur wenig Schnee, weniger als m Spitzbergen;
nur 2 oder 3 Gletscher wurden bemerkt. Völlig abweichend erschien dem Reisenden
das Land am Scoresby-Sund (70°), niedrig, wellenförmig gebaut, völlig schneefrei,
der Boden reich mit fusshohem Grase bekleidet, stellenweise den schönsten Wiesen
Englands gleichend. Und doch ist diese Küste wegen des mit der arktischen Strömung
an Ihr vorüberziehenden Treibeises fast nie zu erreichen. Die von Koldewey 1870
entdeckten hochalpinen Bprge und Gletscher am Franz Joseph’s Fjord liegen zwischen
730 und 74° N. B. r ,
9. O s b o r n , s t r a y le a v e s f r o m a n A r c t ic J o u r n a l , p. 302. Die Polarfahrer
unterscheiden drei Hauptformen der im Meere schwimmenden Eismassen, die Eisberge
die Eisfelder und das Packeis. Die Eisberge stammen von den Gletschern des
Festlands und sind daher eine reine Süsswasserbildung; sie erreichen ein sehr beträchtliches
Volumen (Ross sah sie bis 1000' hoch) und kommen grösstentheils von der
grönländischen Westküste, da die übrigen Polarländer zu niedrig sind oder wenigstens
keine grossen Gletscherfragmente in das Meer entladen : auch bei Spitzbergen bilden
sich keine eigentliche Eisberge (nach Toreil in Peterm. Mitth. 1861. S. 5 3 = alle
grösseren Gletscher erreichen daselbst zwar das Meer, aber in das Meer fallen nur
Schollen von ihrem Eise). Im antarktischen Meere sind die Eisberge allgemein, an
atlantischen an bestimmte Meridiane gebunden. Die Eisfelder sind das Erzeugnis
des Meerwassers während eines Winters und haben ihren Ursprung an allen eisum-
säumten Küsten. Dieses Eis hat gewöhnlich nur eine Dicke von 8 - 1 0 und lost sich
im Sommer vom Festlande ab, dessen Küste es zusammenhängend umsaumte, wird
nun zu grossen Eisfeldern und kleineren Schollen zertrümmert, folgt den Strömungen
und gelangt zuletzt, ebenso wie die Eisberge, in das atlantische Meer. Was man die
feste Eisbarriere des Meers im hohen Norden genannt hat, ist nichts wie dieses Tiei -
eis, dieser breite, aber mit Eisfeldern erfüllte arktische Strom, der von Sibirien aus
die Nordseite Spitzbergens berührt, längs der Ostküste Grönlands nach Süden fliesst
und häufig von offenen, aber wandelbaren Wasserflächen (den Polymen) unterbrochen
ist. Solche Strömungen bieten also im Grossen ein ähnliches Schauspiel wie der Eisgang
der Flüsse im Frühling. Wo sie einer entgegengesetzten, warmen Strömung
begegnen was namentlich in der karischen Pforte, zwischen Nowaja Semlja und
Spitzbergen, sowie im Smith’s Sund der Fall ist, stauen sich die Eisfelder, schmelzen
im Sommer unvollständig oder werden, wo dies möglich ist, m andere Richtungen
abgelenkt Wo sie sich aber stauen oder wegen der grossen Entfernung vom o enen
Meere nicht rasch genug sich bewegen, um das Eis in einem einzigen kurzen Sommer
fortzuschaffen, da schieben Sturm und Wogen die Eisfelder leicht von den Randein
aus über einander, ihr Gewicht vermehrt sich, tiefer tauchen sie ein, verstärken sich
durch neuen Frost und so entsteht das Packeis (Peterm. Mitth. 1855. S. io7), dessen
einzelne Erhöhungen Torosse (Hammocks) genannt werden. Wrangel gab eine anschauliche
Schilderung von dem grossartigen Schauspiel dieser Bildungen in en
Stürmen des Meers (Reise längs der Nordküste von Sibirien, 2. S. 250). Die Torosse
erreichen zuweilen eine Dicke, die der der Eisberge nicht erheblich nachstehl, nämlich
von 10 0 -20 0 ', wovon etwas weniger als die halbe Hohe, wenn sie schwimmen,
eintaucht. Die Gegenden, wo diese perennirenden Eisbildungen im grössten Maassstabe
stattfinden, liegen zu beiden Seiten vom Meridian der Behringstrasse, in dem