Reihen von Vegetationslinien, deren Glieder durch die ungleiche
Breite, bis zu welcher sie fortkommen, geschieden sind w). Unter
allen diesen Sträuchern ist nur ein einziger geeignet, den nördlichen
Theil der westlichen Zone die Kastanie ergänzend zu bezeichnen,
und dies ist der Hülsenstrauch [Ilex), der von der Insel Rügen bis
zum Rhein an einer südlichen Vegetationslinie aufhört, die von hier
aus eine den grössten Theil Süddeutschlands ausschliessende Kurve
bis Wien beschreibt, wogegen weiter ostwärts das Gewächs erst im
Mittelmeergebiet wieder auftritt.
Wiewohl demnach die Vegetationslinie des Hülsenstrauchs in
Norddeutschland der Nordwestgrenze der mittleren Zone bereits nahe
liegt, so wird diese letztere doch schon im Rheinthal von ihrer südlichen
Kurve durchschnitten. Unter den Charakterpflanzen der deutschen
Flora finde ich keine Holzgewächse, welche vollständiger als
die Edeltanne jener klimatischen Nordwestgrenze entsprächen oder
deren Vegetationslinie weiter nach Norden ergänzen könnten. Bei
einigen immergrünen Sträuchern, die nun an die Stelle der vorigen
treten, zeigt sich die der französischen Flora entgegengesetzte Erscheinung,
dass sie nicht, wie der Hülsenstrauch im Süden, sondern
im hohen Norden allgemeiner verbreitet sind. Das Myrtenblatt des
Preisselbeerstrauchs ( Vaccinium Vitis idaea), und selbst die Nadeln
der Erikenform [Ledwn palustre) geben den Beweis , dass Organe
dieser Art von der Variation der Temperatur und der Dauer der
Vegetationszeit unabhängig sind, und daher fehlen sie auch weder
dem nördlichen noch dem östlichen Europa durchaus. Um die
nordwestliche Vegetationslinie, welche die deutsche Flora begrenzt,
schärfer zu bezeichnen als dies durch die Edeltanne möglich ist,
bieten sich fast nur Stauden dar, und auch unter diesen haben nur
wenige ein hinreichend grosses Wohngebiet60). Und doch ist der
Wendepunkt der Flora überall leicht bemerklich, wenn man von den
Küstenländern an der Nordsee aus über das Eichsfeld nach der Unstrut
oder vom Niederrhein thalaufwärts wandert, wenn man in südöstlicher
Richtung eine Linie überschreitet, die man sich geraden
Wegs und in gleichem Abstande von der atlantischen Küste über
einen grossen Theil des Kontinents gezogen denkt, vom Dauphiné
durch das Eisass, Franken, Thüringen, Brandenburg, Pommern bis
zu den schwedischen Inseln Oeland und Gottland in der Ostsee.
Denn noch auf diesem Inselpaar kommen einige östliche Pflanzen
vor, die übrigens in Schweden nicht vorhanden sind und also die
Bedeutung dieser Vegetationslinie selbst noch jenseits der Buchengrenze
andeuten.
Die meisten Pflanzen der mittleren Zone gehen über deren Ostgrenze
weit hinaus, und die ungarische Flora ist daher von der deutschen
eigentlich nur durch zahlreiche neu auftretende Bestandtheile
zu unterscheiden. Deutschland wäre lediglich als ein Uebergangs-
gebiet zwischen Frankreich, Ungarn und Russland aufzufassen, wenn
nur die Ebenen und nicht auch die Gebirge, die Alpen mit ihrer
reichen und eigenthümlichen Flora in Betracht gezogen würden.
Ungarn besitzt einige Sträucher, die jenes Verhältniss zu Deutschland
deutlich erkennen lassen. Namentlich die Cytisus-Arten, die
hier so allgemein äuftreten, aber auch zum Theil die Zone der russischen
Laubwälder bewohnen , nehmen in nordwestlicher Richtung
allmälig ab, die Vegetationslinien der am weitesten vorgeschobenen
Arten liegen zwar wiederum der Nordseeküste parallel, aber weit
tiefer landeinwärts als die der Edeltanne 6l) , sie zeigen, wie im östlichen
Deutschland die Flora nach und nach in den ungarischen und
russischen Typus übergeht.
Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass wir in dem
grossen Durchmesser des Waldgebiets der östlichen Hemisphäre vom
atlantischen bis zum stillen Meere sieben Zonen nach einem gewissen
Typus ihrer Flora unterscheiden können, die sämmtlich von der
Gestalt der Temperaturkurve abhängen , in welcher die verschiedenen
klimatischen Werthe der Vegetationszeit und der Variation der
Wärmegrade enthalten sind. Diese Zonen sind je nach ihrer Lage
durch Grenzlinien von ungleicher Richtung bezeichnet, aber stehen
fast ohne Ausnahme mit der Konfiguration der Küsten, also mit dem
Wechsel des See-, des Kontinental- und des gemischten Klimas in
Beziehung. Die drei Zonen des Buchenklimas sind durch das atlantische
Meer zunächst beeinflusst und theilen ihre charakteristischen
Holzgewächse mit den Gebirgen des südlichen Europas (Kastanien,
Edeltannen , Cerris-Eichen). Drei andere Zonen beruhen theils auf
der Vertheilung der Wärme, theils auf der kontinentalen Absonderung
von dem Einfluss beider Oceane: dies sind die Gebiete der
mittelrussischen Laubwälder, der nordischen Nadelhölzer und der
Amur-Eiche. Endlich verdankt die letzte Zone, die der kamtscha-
dalischen Birke, ihre Eigenthümlichkeit dem gemischten Klima der
Ostküste Sibiriens. So sehr also auch die Beziehungen des Meers
zum Festlande bei der Anordnung der Waldbäume und der übrigen