Bedingungen geknüpft sind als der chemische Process in den Blättern,
und dass auch mit diesem Verhältniss die Einwirkungen des
nordischen oder des kontinentalen Klimas in Verbindung stehen.
Sollte nicht vielleicht das Wachsthum der Stengelglieder, welches
eine Vermehrung der Laubfülle begünstigt, weil jedes Blatt einer
freien Lage zu seiner Beleuchtung bedarf, durch die rasche Wärmesteigerung
des Kontinentalklimas, das der Blätter durch die langen
Tage des Nordens befördert werden? In derThat giebt es in höheren
Breiten noch besondere Eigenthümlichkeiten des Wachsthums, die
bestimmt scheinen, der verkürzten Vegetationszeit entgegen zu
wirken. Auf meiner norwegischen Reise im Jahre 1842 bemerkte
ich, dass die meisten Laubhölzer schon unter dem 60. Breitengrade
grössere Blätter tragen als in Deutschland 7°). Sehr auffallend war
mir dies bei der Traubenkirsche (.Prunus Padus), bei der Haselnuss
(Corylus) und der Espe (.Populus tremula). Die Espe hatte dort allgemein
Blätter von 2 Zoll Durchmesser. Aehnliche Beobachtungen
machte Martins in Lappland72) an dem dort angebauten Gemüse:
die Blätter von Erbsen waren zu Alten fast einen Fuss, von Runkelrüben
2i Zolllang. Wo die Vegetationszeit kürzer wird, kann das
Laub die gleiche Masse von organischem Nahrungsstoff, in den
Bäumen das zur Erhaltung des Stammes nöthige Holz bereiten,
wenn entweder die Zahl der Blätter vermehrt oder die Oberfläche des
einzelnen Blatts seinen Leistungen entsprechend vergrössert wird.
Das östliche Klima, welches reicher an hochwüchsigen Stauden ist,
scheint auf die Anzahl der Blätter an einem Jahrestrieb, das nordische
in gewissen Fällen auf ihre Grösse einzuwirken. Nach den
Untersuchungen von Sachs 7s) wirkt das Licht des Tages nur auf
die Bildung der organischen Verbindungen aus unorganischen Nahrungsstoffen
und auf das Wachsthum der grünen Organe, während
die übrigen bildenden Processe in der Dunkelheit vor sich gehen.
Unter diesem Gesichtspunkte erscheint die Vergrösserung der Lauboberfläche
als ein Hülfsmittel, welches gewissen Pflanzen zu Theil
geworden ist, um im Norden noch diejenigen Wirkungen zu verstärken,
welche ohnedies schon durch die längeren Tage gegeben
sind. Allgemeiner aber könnte man sagen, dass die Vegetationslinien
, welche einer bestimmten Polhöhe entsprechen, mit der
Tageslänge insofern in Beziehung stehen, als die Pflanzen da ihre
Nordgrenze finden müssten, wo sie innerhalb der Zeit, in welcher
die Sonne sie wirklich beleuchtet und erwärmt, die organischen
Arbeiten, welche den Blättern übertragen sind, nicht mehr zu vollenden
vermöchten.
Der Anbau der Gerste erreicht, wie schon bemerkt, nur bei
Alten in Finmarken die Nähe der Baumgrenze, wenige Längengrade
östlicher hört derselbe am bottnischen Meerbusen schon diesseits des
Polarkreises auf [65 °] 74). Der erwärmende Einfluss des Golfstroms,
der selbst am Nordkap noch die Eisbildung verhindert, bringt einen
Gewinn von fünf Breitengraden, wie bei den Wintercerealien. Von
Torneo aus bleibt der Ackerbau durch das ganze europäische und
asiatische Russland in wechselnden Abständen diesseits der Waldgrenze
zurück, und hierin liegt also der Beweis, dass die Bäume und
die Sommercerealien, wenn sie auch in dem Anspruch an eine etwa
dreimonatliche Vegetationszeit übereinstimmen, doch nicht denselben
klimatischen Bedingungen unterworfen sind. Die Natur hat
die hochnordischen Wälder zu einem Jagdgebiete bestimmt, welches
der Ackerbau niemals einnehmen wird. Middendorff, dessen gründlichen
und umfassenden Untersuchungen wir die vollständige Kennt-
niss von der Polargrenze des Ackerbaus in Sibirien verdanken , hat
durch seine historischen und nationalökonomischen Nachweisungen
sicher dargethan, dass hier überall wirklich klimatische Grenzpunkte
erreicht sind, und er hat zugleich ausgeführt, aus welchen Ursachen
ein grosser Theil des sibirischen Waldgebiets der Cerealienkultur
unzugänglich ist und bleiben wird. Im Allgemeinen finden wir auch
die Polargrenze der Gerste wie die der Wintercerealien an bestimmte
Breitengrade gebunden, aber mit der eigenthümlichen Abänderung,
dass das gleichsam sprungweise schon in Lappland erfolgende
Zurückweichen nach Süden sich in den östlichen Meridianen noch
zweimal wiederholt und in Sibirien die Vegetationslinien derWinter-
ünd Sommercerealien wenig geschieden sind oder auch ganz zusammenfallen.
Mit einigen örtlichen, zum Theil durch das weisse Meer
verursachten Schwankungen (65 — 67°) verläuft die Polargrenze der
Gerste vom Nordrande des bottnischen Meerbusens bis zum Ural in
der Nähe des Polarkreises (65—66°), vom Ob bis zur Lena vier Breitengrade
südlicher (61 — 62°), und geht zuletzt mit der ochotskischen
Gebirgskette in das Amurgebiet über, ohne die Ostküste selbst völlig
zu erreichen, an welcher der Ackerbau erst in weit niedrigeier Breite
(kaum 50°) möglich sein soll. Middendorff hat in dem gefrorenen
Boden Sibiriens die Ursache erkannt, welche den Ackerbau überall
beschränkt, wo nicht ein hinlängliches Gegengewicht in dei Stei-
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