angeben zu können, welche Gewächse ihn ertragen und welche in
der einen oder anderen Richtung Zurückbleiben. In dem ganzen
tropischen Südamerika diesseits der Anden, in Venezuela undGuiana,
ebenso wie im grössten Theile Brasiliens folgen die Urwälder den
Küsten und Flusslinien, während der innere Raum der Wasserscheiden
durch weite Savanen bezeichnet ist. Der Austausch der Savanen-
pflanzen ist daher von einem Gebiete zum anderen überall durch die
Waldstrecken gehemmt und kann fast nur durch atmosphärische
Strömungen oder durch Vögel, die sich von ihren Früchten ernähren,
unterhalten werden. Zu den häufigsten, von Mexiko und Cuba bis
Brasilien reichenden Bäumen der Savanengehölze gehört eine Ver-
benacee mit Steinfrüchten (.Duranta) , deren Samen durch Tauben
sich verbreiten, indem sie keimen, nachdem sie unbeschädigt durch
ihren Darmkanal gegangen sind und also durch ihre Exkremente
gleichsam gedüngt werden2Ö). Bei solchen Beschränkungen ist es
begreiflich, dass in den brasilianischen Savanen jenseits des Amazonas
, wo die äusseren Lebensbedingungen dieselben sind wie in
Guiana, so viele Gewächse des diesseitigen Gebiets sich nicht wiederfinden.
Das grösste unter allen diesen mechanischen Hindernissen
der Wanderung ist eben der breite Urwaldgürtel, der die Aequa-
toriallandschaften Brasiliens erfüllt und den Stromlauf des Amazonas
in ganz anderem Umfange als seine Nebenflüsse umspannt. Nicht
allein für die Savanenpflanzen, sondern auch für die Erzeugnisse der
feuchten Wälder selbst bietet derselbe eine Schranke. Denn dieser
Urwald enthält eine grosse Anzahl endemischer Bestandtheile, welche,
durch Niederschläge in allen Monaten des Jahrs und durch die Ueber-
schwemmungen des Stroms befeuchtet, eine vegetative Kraft besitzen,
die nirgends in Amerika ihres Gleichen hat, so dass das weithin
zusammenhängende Dickicht den meisten Gewächsen der seitlich
anliegenden Gebiete undurchdringlich und unüberschreitbar gegenübersteht
2S).
Die Flora der Anden von Neu Granada ist von Venezuela nur
durch die Hebung des Bodens abgesondert, aber auch die mit tropischen
Wäldern erfüllten Thäler des Magdalenenstroms und seiner
Nebenflüsse werden durch die östliche Kordillere von dem Gebiete
des Orinoko getrennt. Die Verkettung der Gebirgslinien lässt hier
eine Erscheinung unerklärt, die auf der Silla von Caracas Humboldt’s
Aufmerksamkeit auf sich zog2?). Die alpine Vegetation fand er hier
mit der auf den hohen Kordilleren von Bogota nicht bloss aus analogen,
sondern zum Theil aus gleichen Arten zusammengesetzt. Es
blieb ihm dunkel, wie dieselben Ericeen [Gaultheria odorata und
Gaylussacia buxifolia) zwei Hochgebirge zugleich bewohnen, die
70 Stunden weit durch niedrige Bergzüge getrennt sind, auf denen
sie nirgends eine so kühle Temperatur finden, dass sie daselbst gedeihen
könnten. So wurde von ihm unter den Tropen Amerikas
jenes Problem zum ersten Mal anerkannt, welches uns in Europa so
vielfach begegnete und das, so lange man bei der Einheit der Vegetationscentren
stehen bleibt und in der Gegenwart fortwirkende
Kräfte, es zu erklären, aufsucht, nur in den atmosphärischen Verbindungsbahnen
seine Lösung findet.
Das Verzeichniss der aus dem britischen Guiana bis zum J. 1848
bekannt gewordenen Pflanzen, welches Richard Schomburgk entworfen
hat und worin beinahe 3500 Gefässpflanzen aufgezählt werden,
ist die einzige zu Vergleichungen über die Systematik der Flora
brauchbare Zusammenstellung28). Der Raum, auf welchen sie sich
bezieht, ist nur auf etwa den siebenten Theil des ganzen Florengebiets
zu schätzen2?), aber die übrigen Länder sind weit weniger
genau als Guiana erforscht worden. Dass indessen auch hier der
Reichthum an endemischen Pflanzen des Kontinents bei Weitem
grösser sei als in Westindien, geht aus den bereits vorliegenden
Thatsachen hervor. Die Zahl endemischer Gattungen ist indessen
weit geringer als in Mexiko, und wird selbst von den den Antillen
eigenthümlichen übertroffen, worin ein Ausdruck der kontinentalen
Verbindungen mit Brasilien und den Anden zu erkennen ist. Die
eigenthümlichen Gattungen, von denen ich 70 zähle, vertheilen sich
unter 28 Familien: darunter sind am stärksten die Orchideen, Rubi-
aceen, Malpighiaceen, Leguminosen und Urticeen vertreten 3°). Die
Reihe der in Guiana nach ihrer Artenzahl vorherrschenden Familien
ist der von Westindien ähnlich: sie unterscheidet sich durch die vermehrte
Anzahl der Leguminosen, Malpighiaceen und Apocyneen,
sowie durch die erhebliche Abnahme der Synanthereen3t).