XXIV.
OCEANISCHE INSELN.
Nach der Darstellung der kontinentalen Florengebiete bleiben
uns noch diejenigen oceanischen Inseln zu erläutern übrig, auf denen
eine selbständige Entstehung von Pflanzen nachgewiesen werden
kann: bei den übrigen ist es ungewiss, ob sie ihre Vegetation nur
von auswärts entlehnt oder durch den Austausch die Spuren ihrer
eigenen Bildungskräfte verloren haben. Eine hohe Wichtigkeit
kommt jenen entlegenen Archipelen und Inseln des Oceans zu, wo
die Bahnen, auf denen die Vermischung der Floren erfolgt ist, sich
leichter erkennen lassen, wo die endemischen Gewächse selbst von
denen aller Festländer oft bedeutend in ihrem Bau abweichen und
wo die ursprüngliche Anordnung der Centren sich reiner als anderswo
erhalten hat. Von solchen Inselfloren ist eben die Theorie des
Endemismus und der Pflanzenwanderung ausgegangen. Nachdem
jedoch die ihnen gemeinsamen Züge in früheren Abschnitten bereits
grösstentheils erörtert wurden, können wir uns hier auf eine abgekürzte
Darstellung beschränken, welche in ähnlicher Weise geordnet
ist wie die Reihe der Kontinentalfloren, mit denen die einzelnen
Inselgruppen in näherer Beziehung stehen.
i. Azoren. Zwischen dem 40. Breitengrade und dem nördlichen
Wendekreise liegen im atlantischen Meere drei Archipele, die,
zwar in weiten Abständen von einander getrennt, doch durch ihre
Vegetation in enge Verbindung treten. Man hat ihre Flora, die
einer gebirgigen Oberfläche von 200 g. Quadratmeilen selbständig
entsprossen ist und sodann von auswärts bereichert wurde, als die
atlantische bezeichnet, Webb nannte sie die makaronesische. Von
dem Umfange der drei Archipele kann man sich eine Vorstellung
machen, wenn man sie mit der Grösse von Schweizer Kantons vergleicht,
mit dem Waadtlande die Azoren (54 g. Quadratmeilen
zwischen 37 0 und 40° N.B.), mit Schwyz Madeira nebst Porto santo
(16 Q.-M. unter 330 N. B.), und mit Graubiindten oder Bern die
kanarischen Inseln (132 Q.-M. unter 28° und 290 N. B.). Sämmt-
lich aus Laven und vulkanischen Gesteinen aufgebaut, von denen
einige tertiäre Kalkgebilde mitgehoben wurden, scheinen diese Archipele
seit ihrer ersten Entstehung in derselben Anordnung wie
gegenwärtig bestanden zu haben : denn der Vorstellung, dass sie die
Ueberreste eines versunkenen Festlands seien, dem man den Namen
Atlantis gab, widerspricht die gleichmässig grosse Tiefe des Meers,
welches sie trennt und aus dem sie gleich den noch jetzt zu Zeiten
emportreibenden Inselvulkanen zusammenhanglos zu steilen Gipfeln
ansteigen. Auch werden sie von keinem umherschweifenden Land-
thiere bewohnt, welches von einer ehemaligen kontinentalen Ausdehnung
oder Verbindung zurückgeblieben sein möchte, und stimmen
hierin mit allen übrigen oceanischen Inseln überein, die stets
für sich bestanden und deren geringer Umfang den Bedingungen der
animalischen Ernährung Schranken setzt.
Vom Golfstrom werden die atlantischen Archipele der Reihe
nach berührt, zuerst die Azoren, wo man die Früchte einer westindischen
Mimosee (.Entada) mit keimfähigen Samen häufig angespült
gefunden hat1), ohne dass sie daselbst zur Entwickelung gelangen,
hierauf Madeira und zuletzt die kanarischen Inseln. Auf diesen hat
aber ungeachtet ihres wärmeren Klimas ebenso wenig wie dort eine
Ansiedelung von Pflanzen aus dem tropischen Amerika stattgefunden.
Europa ist der Kontinent, von welchem die eingewanderte Vegetation
der Azoren abstammt, mit dem sie durch den Sommerpassat in Verbindung
stehen und von wo auch Vögel im Winter massenweise herüberziehen2).
Auch durch ihr Klima und ihre geographische Lage
haben die Azoren, obgleich weit nach dem fernen Westen hinausgerückt,
doch zu Europa eine nähere Beziehung als zu Amerika.
Der Küste Portugals liegen sie fast um ein Drittel näher als den am
weitesten nach Osten vorspringenden Theilen von Newfoundland
und Brasilien (etwa im Verhältniss von 240 zu 345 g. Meilen). Ihr
Klima3), wie das von Südeuropa durch denSommerpassatbeeinflusst,
stimmt in seiner Mittelwärme mit den Messungen in Cadix überein :
allerdings ist die Temperatur noch gleichmässiger als in Andalusien,