Donau bis zur Wolga zusammengedrängt sind, desto häufiger erscheinen
die Linien von Kulturlandschaften, deren sesshafte Bevölkerung
den Nomaden der Steppe gegenübersteht. Ostwärts von der
Wolga fehlen diese belebteren Ansiedelungen bis zu den Grenzen
Turkestans fast ganz, weil das Wasser sich zu grossen Strömen nicht
vereinigt oder nach Norden abfliesst. Die russischen Flüsse, die
nach Süden in die Steppe treten, haben stets ein höheres westliches
Ufer und an der gegenüberliegenden Seite eine tiefe Alluvialfläche,
ein Verhältniss, welches nach dem Baer’schen Gesetz auf der Rotation
der Erde beruht, die das Wasser an das rechts gelegene Gelände
drängt. Der Ausbreitung des Ackerbaus ist es wenigstens auf der
einen Seite des Thalgrunds vortheilhaft, aber doch stehen die Ströme
Russlands denen Turkestans in doppelter Beziehung' nach, sowohl
in dem Umfange des zur Bewässerung geeigneten Raums als in der
Beschaffenheit des Wassers. Flüsse, die, wie der Oxus in Chiwa und
dei Särafschan in Buchara, in hochalpinen Gebirgsketten entspringen,
haben, wenn sie in die Mulde des Depressionsgebiets eintreten,
den Vorzug des stärkeren Gefälles und reicherer, aus den Quellen
krystallinischer Gesteine stammender Mineralbestandtheile, die den
Werth des zur Irrigation verwendeten Wassers für die Ernährung
der Kulturpflanzen erhöhen. Die wagerechte Oberfläche des Bodens
gestattet eine Kanalisation, soweit die Wasservorräthe des Flusses
dazu ausieichen. In Buchara werden sie so vollständig dazu verbraucht,
dass der Särafschan, gleichsam bis zum letzten Tropfen
ausgeschöpft, den nahen Oxus nicht erreicht. Unter solchen Verhältnissen
wiederholen sich in den Chanaten von Turkestan die Verhältnisse
Aegyptens, und die Ergiebigkeit der Ernten ist ungeachtet
der strengen Winterkälte fast ebenso gross. Wenn die jährlich zum
Anbau verwendbare Zeit nicht so lange dauert, so liegen die Quellen
der Fruchtbarkeit im Hindukusch und in den Gebirgen von Samarkand
dem Kulturboden ungleich näher als die abessinischen Hochlande
dem Nilthale Aegyptens. Das Flusswasser hat, wo es die
Steppen berührt, noch nichts von seinen befruchtenden Schlamm-
theilen eingebüsst, und die rasch gesteigerte Wärme des Kontinentalklimas
erhöht die Energie des Wachsthums.
Der Ackerbau und die allgemein verbreitete Kultur von Obstbäumen
wird in Buchara (40° N. B.) durch periodische Ueberstau-
ungen der beider und Gärten unterhalten, die sämmtlich von Lehmmauern
eingefasst sind, und in die man von Zeit zu Zeit das Flusswasser
leitet, um es seinen Detritus absetzen zu lassen 2°). So werden
die Feigenbäume den ganzen Sommer hindurch einmal wöchentlich
unterWasser gesetzt, im Winter müssen sie niedergebogen und gegen
die Kälte durch Bedeckung geschützt werden. Fast alle Früchte des
wärmeren Europas reifen hier, die Aprikosen und Pfirsiche gehören
zu den bedeutendsten und trefflichsten Erzeugnissen des Landes.
Auch findet Seidenzucht statt, und die Rebe wird, nur zweimal im
Jahre bewässert, auf dem ebenen Felde gezogen. Man sieht also,
wie bei dem europäischen Weinbau, auch hier, in welchem Maasse
die Zuckerbildung in den Früchten durch die hohe Sommerwärme
befördert wird. Aber noch lehrreicher ist der Ackerbau von Buchara
dadurch, dass er zeigt, wüe sehr die Vegetation der Kulturpflanzen
durch das kontinentale Klima beschleunigt und das Wachsthum der
Stengelglieder erhöht wird. Der Weizen, das Hauptgetraide, wird
schon im Juni geerntet, nachdem er, im September gesäet, den
Winter überdauert hatte, und er trägt zuweilen das vierzigste Korn,
worauf als zweite Frucht die Mungobohne folgt (.Phaseolus Mungo),
deren Ernte noch in demselben Herbste stattfindet. Selbst der Reis,
dessen Entwickelungsperiode in anderen Gegenden so viel Zeit erfordert,
ist von diesem kontinentalen Klima nicht ausgeschlossen.
Die Luzerne [Medicago sativa) ist das allgemeine Futtergewächs und
kann, in Folge wöchentlich wiederholter Bewässerung, fünf-bis sechsmal
im Jahre geschnitten werden, wobei diese Pflanze doch zu ungewöhnlicher
Höhe (5—6 Fuss hoch) aufschiesst, wie auch die Hirse
[Sorghum) sechs bis neun Fuss hoch wird und schon nach drei Monaten
reif ist. Unmittelbar an die Felder und Baumgärten grenzt,
wie die Sahara an ihre Oasen, die salzige Lehmsteppe, die noch öder
ist als die Wüste Kisilkum am Aralsee. In dieser kommen doch
dürre Sträucher und Halophyten vor, während auf dem Lehmboden
von Buchara die Fläche oft von aller Vegetation entblösst ist. Die
Bewässerung hat nicht bloss die Erde auszusüssen, sondern auch die
Temperatur zu mässigen. Denn die Luftwärme steigt während des
Sommers im Schafften bis 35°; und in. der Sandwüste am Oxus wui de
der Boden sogar bis zu 50° erhitzt gefunden21). Der Ackerbau an
diesem Strome, in der Kulturebene von Chiwa (42 0 N. B.), ist dem
von Buchara ganz ähnlich, aber reichhaltiger sind die Nachrichten
über das Klima und die Entwickelungsperiode der Kulturpflanzen,
welche man der Reise Basiner’s nach diesem westlicher gelegenen
Chanate verdankt. Der Eisgang beginnt im Oxus in der ersten Hälfte