durch Krankheit und Alter hohl werdende Baum leistet wenig mehr,
sich denSturmwinden gegenüber zu erhalten. In dem gesunden Organismus
ist stetiges Dickenwachsthum der Säule, welche die Krone
zu tragen hat, nothwendig, wogegen die Laubrosette der Palme eine
frühzeitig in ihrem Gewicht abgeschlossene Grösse ist, deren Stütze
sich zwar verlängert, aber den einmal erlangten Querdurchmesser
nicht weiter mehr verändert.
An einzelnen Vertretern der Nadel- und Laubholzformen stehen
die Wälder des östlichen Kontinents dem westlichen und vielen anderen
Florengebieten nach. Und doch hat mit den einfachsten Mitteln
die Natur über unsere Länder einen grossen Schmuck ausgebreitet.
Unsere Bäume gehören zu den schönsten der Erde, jeder
hat sein eigenes, bedeutendes Gepräge, und die Kunst schöpft ohne
Unterlass aus diesen unversieglichen Quellen, wo individuelle Gestaltung
und Gruppirung die Mannigfaltigkeit der Organisation so
reichhaltig ersetzen. Von Nadelholzbäumen zählte ich nur elf sicher
umgrenzte Arten88), unter denen mehrere nur örtliche Erscheinungen
sind, und die übrigen grösstentheils schon in dem ersten Abschnitt
nach ihren klimatischen Bedingungen gewürdigt wurden. Aber es
bleibt übrig, Einzelnes hinzuzufügen und auch andere Seiten ihrer
geographischen Anordnung in Betracht zu ziehen. Ausser dem
Taxus, der dem Buchenklima entspricht, gehören diese Coniferen
sämmtlich zu der Gattung Pinus nach deren ursprünglicher Umgrenzung.
Ueber die Kiefern, die immergrünen Pinus-Arten mit zwei
oder mehreren Nadeln in derselben Scheide, herrscht noch einige
systematische Unsicherheit, aber nicht über die beiden Arten, denen
eine grössere geographische Wichtigkeit zukommt [P. sylvestris und
Cembra). Die drei Tannen, bei denen die Nadeln einzeln, aber gedrängt
stehen, sind leicht von einander zu unterscheiden: die Fichte
trägt hängende Zapfen, bei den beiden Edeltannen stehen dieselben
aufrecht, und an der Unterseite ihrer Nadeln verläuft ein weisslicher
Längsstreifen, die europäische hat aus dem Zapfen hervorragende,
die sibirische versteckte Deckblätter. Die Lärche zeichnet sich durch
ihre gehäuften Nadeln aus, die im Winter abfallen. Von diesen
'Coniferen bilden die Kiefer und die Fichte die ausgedehntesten
Waldbestände. Da ihr Wohngebiet häufig zusammenfällt, kann man
leicht erkennen^ in wiefern ihr Vorkommen von Bodeneinflüssen abhängt.
In Westeuropa ist die Kiefer das Nadelholz der Ebene, die
Fichte ist der herrschende Gebirgsbaum. und selbst geringe Höhenunterschiede
begründen zuweilen diese Anordnung, wie auf den
Hügelwellen der Lüneburger Haide. Im nördlichen Russland8^, wo
nur die Sümpfe den Wald unterbrechen, ist umgekehrt die thonreiche
Niederung des alten rothen Sandsteins von Fichtenwäldern, das sandige
Hügelland des Diluviums von der Kiefer bedeckt, die aber ebenfalls
das Wasser nicht scheut, wenn sie nur lockeren Boden findet.
In den Alpen sieht man die Kiefer bei Weitem nicht so hoch an-
steigen wie die Fichte, während sie auf den Fjelden des südlichen
Norwegens bis zu gleichem Niveau vorkommt 9°) und in Lappland,
wo sie an ihrer Polargrenze (70°) zuweilen noch 60 Fuss hoch ist,
beinahe bis zum äussersten Saume der Wälder reicht, von dem die
Fichte in einem grösseren Abstande (67°, lokal 69°) zurückbleibt.
In Sibirien wiederum, wo sie bis in das Amurgebiet sehr verbreitet
ist und oft mit den Tannen und anderen Bäumen gemischt wächst,
findet sie sich nicht einmal bis zum Polarkreise 91). Alle diese so
grossen und verschiedenartigen Ungleichheiten des Vorkommens
lassen sich fast ohne Ausnahme auf zwei Forderungen ihrer Organisation
zurückführen, auf die tiefe Pfahlwurzel, mit welcher die Kiefer
in den Boden eindringt, und auf das grössere Lichtbedürfniss ihrer
weitläuftig geordneten Nadeln. Merkwürdig sind die Unterschiede
ihres Wachsthums: die Höhe kann 120 Fuss betragen oder zu verkrüppelter
Form herabsinken, je nachdem die Erdkrume fester oder
lockerer ist und die Feuchtigkeit aufspart oder in den Untergrund
entlässt. Desshalb flieht sie auch das Gebirge, wenn die Gesteine
mit einer zu flachen Erdkrume bedeckt sind. Die Fichte verhält sich
in ihren Ansprüchen an den Boden und an die Beleuchtung entgegengesetzt.
In ihren geschlossenen Beständen erzeugt sie den tiefsten
Schatten, und man erstaunt, wie sie an den steilen Felsgestaden der
norwegischen Fjorde auf dem kleinsten Absatz mit ihren flachen
Wurzeln sich zu befestigen vermag und doch dabei zu der Grösse
der höchsten Mastbäume sich erhebt, wenn der Boden ihr nur Feuchtigkeit
genug spendet. Aus den äusseren Lebensbedingungen ist es
indessen nicht zu erklären, dass die Kiefer im Tief lande Ungarns
fehlt, wo sie den passendsten Boden finden würde und gewiss auch
nicht durch klimatische Ursachen ausgeschlossen wird. Von Galizien
aus verbreitet sie sich nur bis zum Fuss der Central-Karpaten 92),
und in Siebenbürgen hat sie nur die obere Waldregion an einzelnen
Orten erreicht. Da Ungarn fast vollständig von dem Kranze der
Karpaten umschlossen wird, so wird die Erscheinung als eine unvoll-
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