
den dauernde Dureheinanderbewegung der Blutkörpereben in einem
Tropfen Blutes, der unter das Mikroskop gebracht wird,
für automatische Bewegung angesehen. Man kann diese momentanen
wirbelnden Bewegungen indess, wie ich öfter beobachtet,
und was entscheidend ist, auch in Tropfen längst aus dem Körper
entlassenen Blutes sehen. Wenn man z. B. sich von gerütteltem
Froschblut ein Gemenge'von Blutkörpereben und Serum
bereitet und das Gerinnsel entfernt, und dann nach 1 2 — 24
Stunden einen Tropfen davon unter das Mikroskop bringt, so
siebt man dieselbe Vertheilung, dasselbe Strömen der Blutkörperchen,
wie im frischen Blute. Diese Bewegung kann daher
nicht lebendig seyn. An Blut von warmblütigen Thieren haben
solche Beobachtungen ohnehin keine Beweiskraft, wegen der Bewegung,
die von der Verdunstung herrühren kann. Vielleicht
hat die kleine Formver'änderung welche jeder Tropfen Flüssigkeit,
den man auf einer Glasplatte ausbreitet, an den Rändern, zuweilen
schnell, erleidet, an jenen Bewegungen grossen Antheil. Dass
die Blutkörperchen endlich in der Nähe wimpernder Häute, der
Cteschlechtsorgane, Athemwerkzeuge u. a. wie alle feinen Körperchen
in Bewegung gerathen, darf nicht aufFällen,
H eibmakn (R eil’s Archiv. 6 . 425.) hat, Zusammenziehungen
und Dilatationen im Blute beim Gerinnen beschrieben, ich habe
sie nicht sehen können , so gewiss der geronnene Faserstoff sich
unmerklich auf ein viel kleineres Volumen zusammenzieht. Dass
aber die von T ourdes und Circaud beobachtete Zusammenziehung
des geronnenen Faserstoffs durch Galvanismus nicht existirt,
hat H eibmann selbst bewiesen, und ich habe nicht dergleichen
gesehen, als ich in den p. 144 angeführten Versuchen den durchs
Filtrum gehenden aufgelösten Faserstoff des Froschblutes galva-
nisirte und gerinnen liess.
Die Frage, ob das Blut eine lebendige oder nicht lebendige
Flüssigkeit sey, erinnert an einen kritischen Zustand unserer
Wissenschaft. Alles, was im Organismus auf eine von den unorganischen
Gesetzen verschiedene Art Wirkungen zeigt, hat eine
organische, oder, was dasselbe ist, lebendige Thätigkeit. Bloss die
festen Theile als lebend betrachten zu wollen, ist unangemessen;
denn haste organische Theile im strengen Sinne giebt es nicht,
fast alle enthalten bis ihres Gewichtes Wasser, und eine bestimmte
Grenze giebt es hier nicht. Betrachtet man nun die organische
Materie überhaupt als lebensfähig, die organisirten Theile
als belebt, so ist doch die Wirkung des Bluts schon aus physikalischen
und chemischen Gründen nicht zu begreifen. Der Samen
ist nicht bloss Reiz für die Befruchtung des Eies, sondern
da er die Eier der nackten Amphibien und Fische ausser dem
Körper befruchtet, da das neue Individuum eben sowohl die Fähigkeiten,
Aehnlichkeit, ja selbst Krankheitsanlagen des Vaters
hat, so ist der Samen offenbar, obgleich eine Flüssigkeit, eine lebende
und belebende. Der keimfähige Theil des Eies, die Keimscheibe,
ist eine ganz unorganisirte Aggregation von Thierstoff,
und dennoch von der ganzen organisirenden Kraft belebt und
belebend, obgleich weich und der Flüssigkeit noch verwandt*
Auch das Blut zeigt organische Eigenschaften, es wird von dem
belebten und gereizten Theil angezogen, es besteht eine lebend
e Wechselwirkung zwischen dem Blut und den organisirten
Theilen, an der das -Blut eben so gut Antheil hat als die Organe
selbst. ’ Der bei der Entzündung ausschwitzende Faserstoff des
Blutes ist anfangs flüssig, und bildet, indem er erhärtet, Pseudomembranen;
aber dieses Exsudat wird durch blosse Wechselwirkung
mit dem exsuairenden Organe auch organisirt und von
Blut und Gefässen durchdrungen. Das Blut hat daher selbst schon
Lebenseigenschaften, und dasselbe gilt von allen thierischen Säften
welche nichts Zersetztes, wie Urin, Kohlensäure, ausfuhren.
Der Speichel, die Galle wirken assimilirend auf die Nahrungsstoffe,
die Organe assimilirend auf das Blut, und hier giebt es
keine’ scharfe Grenze zwischen lebensfähigen und belebten Stoffen.
Diejenigen aber, welche am wenigsten belebt sind, bleiben, so
lange sie nicht zersetzt sind, lebensfähig.
c. E n ts te h u n g des B lu te s. '
Die Materialien zur Bildung des Blutes sind bei dem Erwachsenen
die Contenta der Lymphgefässe, die klare Lymphe
und der weissliche Chylus, wovon die erstere Nahrungsstoffe aus
dem Innern der organisirten Theile, der letztere die im Darmkanal
durch die Lymphgefässe ausgezogenen Nahrungsstoffe, in den
ductus thoracicus und so fort ins Blut führen. Die Lymphe und
der Ghylus enthalten aufgelöstes Eiweiss und aufgelösten Faserstoff,
weniger als das Blut. Durch diese in der Lymphe aufgelösten
Stoffe gleicht die Lymphe ganz der klaren Blutflüssigkeit,
liquor sanguinis, aus welcher das Blut besteht, wenn man von
den rothen Körperchen absieht. Dieser klare liquor sanguinis
enthält auch, wie ich gezeigt habe, den Faserstoff vor dem Gerinnen
aufgelöst. Mit vollem Rechte kann man daher den farblosen
liquor sanguinis gleichsam die Lymphe des Blutes nennen,
und inan kann behaupten, dass Lymphe Blut ohne rothe Körperchen
das Blut Lymphe mit rothen Körperchen ist. Das Eiweiss
des Blutes hat seine Entstehung in der Verdauung, von da es in
die lymphatischen Gefässe übergeht. Die verdauten Nahrungsstoffe
enthalten im Darmkanal aufgelöstes Eiweiss, keinen gerinnbaren
Faserstoff; dieser bildet sich erst in den Lympligefässen
und gelangt so ins Blut. Merkwürdig ist die von mir beobachtete,
fast constante Thatsache, dass bei länger aufbewahrten, also
hungernden Fröschen das Blut häufig nicht mehr gerinnt, so^ wie
' auch ihre Lymphe, die sonst gleich dem Blute schnell gerinnt,
dann nicht mehr coagulirt. Im Winter gerinnt gleichwohl das
Blut der Frösche oft, wenn auch nicht so vollständig, gleich wie
in allen Fällen, wenn ihr Blut nicht ganz 'gerinnt, auch ihre
Lymphe nicht so fest coagulirt. Diess finde ich so bei mehreren
der ausgegrabenen, sonst ganz muntern Frösche. Der Chylus ist
weniger deutlich alkalisch als das Blut. Lymphe und Chylus enthalten
weniger feste Theile als das Blut und namentlich weniger
Faserstoff. 100 Theile Chylus enthalten nach T iedemahn und