
zugelb an ist, die Kohlensäurebildung doch nur in den Capillar-
gelässen des Körpers annehmen. Nach dieser Ansicht muss das
Venenblut vorzüglich Kohlensäure aufgelöst enthalten, das Arterienblut
muss locker gebundenen Sauerstoff enthalten. Diese
Ansicht war immer unter einem grossen Theil der Physiologen
verbreitet, und stützte sich früher auf die Versuche von Vogei ,
H ome, B rande, S cxjdamore , Collard de Martigny, dass Venenblut
wirklich Kohlensäure enthalte, und H. D avy’s Versuch, dass
sich aus Arterienblut Sauerstoffgas entwickeln lasse. Nach dieser
Theorie ist es erklärlich, warum die Lungen nicht wärmer als
andere Theile sind. Fr. Nasse hat in einer ausgezeichneten Abhandlung
über das Atbmen (Meck. Arch. 2. 195. 435.) alle früheren
diese Ansicht stützenden Thatsächen zusammengestellt.
Widersprechende Versuche, die oben mitgetheilt worden , hatten
diese Ansicht wieder zweifelhaft gemacht. Durch die Beobachtungen
von Stevens, H offmann, B ischoff, Bertuch über den
Kohlensäuregehalt des Venenblutes und besonders durch diejenigen
von Magnus über den Luftgehalt beider Blutarten ist
indess diese Theorie die wahrscheinlichste' geworden.
5. Vor Kurzem hat Stevens eine eigentümliche Ansicht
über den chemischen Process des Athmeris aufgestellt, welche
auf den ersten Blick sinnreich erscheint. Stevens sagt, der Färbestoff
der Blutkörperchen ist an sich dunkel, durch das Serum
wird er hellroth, weil die Salze das Blut hellroth machen. Die
hellrothe Farbe ist daher die natürliche Farbe der Blutkörperchen,
so lange sie von Serum umgeben sind. Bringt man Wasser
mit hellrothem Bluteoagulum zusammen, so wird das hellrothe
Blut dunkel, weil das Serum des Coagulums ausgewaschen
wird. Kohlensäure macht das hellrothe Blut dunkel. Diese
Kohlensäure entsteht nach Stevens in den Capillargefässen
des Körpers, daher ist das Venenblut dunkel; in den Lungen
wird diese Kohlensäure ausgeschieden, daher tritt wieder
die natürliche Farbe des Blutes, die hellrothe, ein, ohne
dass der Sauerstoff die Ursache der hellrothen Färbung wäre.
Wäre S tevens Ansicht richtig, so müsste Venenblut unter der
Luftpumpe durch das Entweichen der Kohlensäure zum hellrothen
Blute werden. Diess geschieht aber nicht, wie wir oben
gesehen ^ haben. Das ins Blut aufgenommene Sauerstoffgas muss
daher einen wesentlichen Antheil an der hellrothen Farbe des
Blutes haben. D e Maack (de ratione quae colorem sanguinis inter
et respirationis functionem intercedit. Kil. 1834.) fand, dass der
oxydirte sowohl als der kohlensaure Cruor von schwärzlicher
Farbe ist, wenn er nicht mit einer Neutralsalze haltigen Flüssigkeit
in Berührung kommt. Salze machen beide heiler roth, die
kohlensauren nur bis zur Farbe des Venenblutes, die oxydirten
bis zur Farbe des Arterienblutes. Der Verf. fand übereinstimmend
mit Berzelius; dass Blutwasser nur äusserst wenig Sauer—
stoflgas absorbirt und keine Kohlensäure aushaucht. Dagegen
ahsorbiren 2^- Maass Farbestoffauflösung von 2 Maass Sauerstoffgas
1^-Maass, und werden dann durch Berührung mit einer salzhaltigen
Flüssigkeit hellroth. Der Verfasser nimmt an, dass der kohlen
saure Cruor durch Sauerstoffgas zersetzt werde, so dass der
Cruor oxydirt, die Kohlensäure aber frei werde, gleichwie das
kohlensaure Eisenoxydul an der feuchten Luft zersetzt, und in
Eisenoxydhydrat verwandelt wird.
6 . Verschieden von dieser ist wieder folgende Ansicht, dass
die Kohlensäure nicht durch Verbindung von Sauerstoff der Luft
und Kohlenstoff des Blutes entstehe, weil die Aushauchung von
Kohlensäure in sauerstofffreien Gasen fortdauere, dass daher die
Kohlensäure aus den letzten Bestandteilen des Blutes sich wie
andere Secreta bilde. Mann kann für diese Vorstellung die Absonderung
verschiedener Gase durch die Schwimmblase der Fische
anführen. Nach dieser Ansicht wäre die Kohlensäure nicht im
Venenblute notwendig präexistirend, sondern sie würde im Momente
des Durchganges des Blutes durch die Capillargefässe der
Lungen ohne Mitwirkung des Sauerstoffs der Luft gebildet. Diese
Ansicht stützt sich auf Beobachtungen, dass die Bildung von Kohlensäure
in sauerstofffreien Gasen bei kaltblütigen Thieren fortdauert;
Beobachtungen, welche schon S pallanzani gemacht und
E dwards wiederholt. Indess die Existenz dér Gase im Blute
beweist, daäs sie nicht durch Secretion erst entstehen.
7. In neuerer Zeit haben Mitscherlich, G melin und T iede-
mann eine eigenthümliche Theorie des Athmens entwickelt. Sie
gehen von der Existenz der Essigsäure oder Milchsäure im freien
oder gebundenen Zustande in den meisten Secreten und im Blute
aus,, welche sich im thierischen Körper selbst erzeugen muss, da
sie in viel kleinerer Menge in der'Nahrung enthalten ist, als die
durch SchweisS und Urin beständig ausgeleert wird. Nun haben
sie ferner ausgemittelt, dass das venöse Blut mehr unterkohlensaures
Alkali enthält als das arterielle, indem 10000 venöses Blut
wenigstens 12,3 und 10000 arterielles Blut wenigstens 8,3 gebundene
Kohlensäure enthalten. Diess wenden sie auf ihre Hypothese
an, dass sich beim Athmen unter reichlicher Berührung
mit der Luft Essigsäure erzeuge, welche das kohlensaure Alkali
des venösen Blutes zersetze, worauf die Kohlensäure ausgeathmet
werde. Sie vermuten, dass der Sauerstoff der Luft beim Athmen
te ils direct an Kohlenstoff und Wasserstoff trete und Kohlensäure
und Wasser erzeuge, zum Theil sich unmittelbar mit
den im Blute enthaltenen organischen Verbindungen vereinige.
Hierdurch werden nun organische Producte, die zum Leben nöt
i g sind, erzeugt. Zugleich ist diese Bildung aber auch mit einer
Umwandlung organischer Stoffe in niedere, wie z. B. Essigsäure
oder Milchsäure, verbunden, welche einen Theil der im
Blute enthaltenen kohlensauren Materie zersetzt und diese Kohlensäure
in die .Lungenzellen austreiht. T iedemann Zeitschr. f .
Physiol. 5. Diese Theorie war, so lange an der Existenz der
Gase im Blut gezweifelt werden konnte, ein ingeniöser Versuch
zur Erklärung der Facta. G melin hat indess selbst später die
Existenz dèr Kohlensäure im Blute anerkannt.
Die Entscheidung der ganzen Frage vom chemischen Process
des Athmens hängt von der Beantwortung von folgenden 3
Fragen ab.