
trachtungen, dass wir auf die Centralorgane äuf sehr verschiedene
Art einzuwirken vermögen, nämlich:'
1) Durch unmittelbare Einwirkung auf dieselben durch in
den Darmkanal, oder durch die Haut eingeflösste und ins Blut
aufgenommene Materien,' eine Methode, die sich in sehr vielen
Fällen wegen der Unwirksamkeit solcher Mittel erfolglos zeigt.
2) Durch Wirkung auf die vpn den Centralorganert entspringenden
Nerven, wovon die Therapie die herrlichsten Erfolge sieht.
II. 'Sympathien der Empfindlings- und Bewegungsnerven, In
dem vorhergehenden Falle haben 'wir nur die Veränderung
der Centralorgane selbst durch Eindrücke auf die Empfindu ngs-
nerven ins Auge gefasst; hier erwägen wir die hierbei auch
erfolgenden Rückwirkungen von den Centralorganen auf andere
Empfindungsnerven oder Bewegungsnerven. Die centripetale
Erregung der Empfindungsnerven wirkt nicht bloss auf
die Centralorgäne, sie wird auch von diesen reflectirt, Diese
Reflexion findet auch zwischen verschiedenen Empfindungsnerven
statt. Daher sind wir im Stande, die Thätigkeit eines
Empfindungsnerven, der unserer Behandlung nicht zugänglich ist,
wie des Gehörnerven, des Gesichtsnerven, durch Reizung anderer,
ihm physiologisch und in Hinsicht des Ursprunges verwandter
Empfindungsnerven anzuregen. Hierauf gründet sich die Behandlung
der Schwerhörigkeit, der Amblyopie mit Hautreizen ü. s. w.
Durch die Reflexion von den Empfindungsnerven auf die Bewegungsnerven
vermittelst des Gehirns e und Rückenmarkes heilen
wir zuweilen örtliche Lähmungen einzelner Nerven, z. B. des N.
facialis, die Ptosis palpebrarum durch Reizung der Gesichtsnerven
u. s. w. Bei allen diesen seit langer' Zeit erprobten Heilversuchen,
die untey I. und II. erwähnt * worden , zeigt sich jetzt
schon die innigste Durchdringung unserer physiologischen und
praktischen Kenntnisse. Welcher Fortschritt liegt In der Er-
kenntniss, dass man und warüm man durch künstlich erregte
Empfindungén wohlthätig auf Bewegungen wirken kann! *'
* III. Sympathien der paarigen Nerven. Dahin gehören vorzüglich
die paarigen Sinnesnerven, wie die beiden Optici, die
Acustici, die Olfactorii, und die Nerven des Ciliarsystems. •
Bei einer primären Affection des einen Auges, wo ; die Reizung
ursprünglich nur auf dieses eingewirkt hat, erfolgt zuweilen Erkranken
des andern Auges an derselben Krankheit, Ist ein Auge
durch Entzündung zerstört worden, so wird zuweilen auch das
andere ergriffen und zerstört. Die Affectionen des innern Ohres
bleiben nicht immer isolirt. Ist erst das eine Ohr taub geworden,
so wird es auch oft das andere. Die Sympathien der Bewegungsnerven
des Auges und namentlich der Ciliarnerven sind
bekannt genug. Die gleiche Oeffnung der Pupille beider Augen
bei den verschiedensten äusseren Einflüssen auf das eine und
andere, ist auch in dér Gesundheit von dieser Sympathie bedingt.
Diese Sympathien der paarigen Nerveh äussern sich sehr häufig in
den sogenannten Neuralgien, in den schmerzhaften Affectionen der
Nerven. In Folge des nervösen Gesichtsschmerzes auf der einen
Seite wird zuweilen auch der entsprechende Nerve der andern Seite
afficirt. Der Zahnschmerz,‘der seinen Grund in einem cariösen
Zahne hat, wird nicht allein an der Stélle der Reizung, sondern
zuweilen auch in dem entgegengesetzten paarigen Nerven gefühlt.
IV. Sympathieën, der Bewegungsnerven unter einander. Die hie-
her gehörigen, änsserst zahlreichen Phänomene der Association
der Bewegungen oder Mitbewegungen, wodurch die Intention zu
einer Bewegung auch andere Bewegungen unwillkührlich hervorruft,
sind schon oben p. 6921 erläutert und erklärt worden.
V. Sympathieën der Empfindungsnerven. Die Sympathien der
Empfindungsnerven zeigen uns vorzüglich drei Formen, wêlche
bloss durch die Ausdehnung und Entfernung der in Consensus
gezogenen Theile verschieden sind.
a. Im ersten Falle breitet sich eine heftige Empfindung, die
an einer einzigen Stelle erregt worden,, in Nerven derselben Art,
oder in anderen Nervenfasern desselben Nerven aus; wie bei der
durch eine ganz örtliche heftige Verbrennung entstehenden Irradiation
der Empfindungen in die benachbarten Hautstellen. Die
Erklärung dieser Erscheinungen ist schon oben bei der Lehre
von der Irradiation behandelt .worden.
b. Im zweiten Falle zieht der eine Empfindungsnerve einen
Empfindungsnerven anderer Art, aber in demselben Organe in
Affection. Diese Art von Sympathie beobachten wir vorzüglich
zwischen den eigentlichen Sinnesnerven und den sogenannten
Hülfsnerven der Sinnesorgane. | Ausser den eigenthümlichen Sinnesempfindungen
eines Sinnesorganes, kommen nämlich in jedem
Sinnesorgane auch noch die allgemeinen Empfindungen des Gefühls
für Widerstand, Wärme, Kälfe, Wollust, Schmerz in ihm,
aber dureb andere Nerven vor. Im Auge ist der N, opticus nur
der Lichtempfindung, nach M agündie nicht der Gefühlsempfindung
fähig; dagegen besitzt das Auge in den Zweigen vom ersten Aste
des N. trigeminus, die sich in der Conjunctiva verbreiten, und iu
den. Ciliarnerven auch Gefühlsempfindung; diese sind also die
Hülfsnerven des Auges. Das Gehörorgan besitzt ausser dem N.
acüsticus, die vom N. facialis, glossopharyngeus, sympathicus, Ram.
Secundus und tertius N, trigemini und ganglion oticum, in der
Trommelhöhle sich verbreitenden Hilfsnerven, wovon ausführlicher
in der speciellen Physiologie der einzelnen Nerven. Von
diesen in dèr Schleimhaut der Trommelhöhle sich verbreitenden
Nerven, und von den zahlreichen Nérven des äussern Ohrs und
äussern Gehörganges rührt offenbar die Gefühlsempfindung des
Gehörorganes her. Die Nase ist nicht allein der Sitz des Geruchs
durch die .Geruchsnerven, welche nach Magendie keiner
Gefühlsempfindung fähig sind, sondern auch lebhafter Gefühlseindrücke
durch die N. nasales vom zweiten Aste des N. trigeminus
fähig, wohin die Empfindungen vön Widerstand, Wärme,
Kältej Kitzel, Schmerz u. s. w. in der Nase gehören. Die Zunge
ist sowohl der Geschmacksempfindung als der Gefühlsempfindung
fällige wie jedem bekannt ist. ;
In jedem Sinnesorgane kann die eine Art dieser Empfindungen
aufgehoben ,seyn, während die andere verharrt. Die Sinnesner-
ven und Gefühlsnerven der Sinnesorgane sind nun einer sehr
Mülle r’s Physiologie. I 50