
Gefässsystem, durch Unterbindung einzelner Gefässe einschranke,
der Blutlauf in diesen eingeschränkten Theilen noch unterhalten
werden könne. Und lege man die Ligatur immer näher dem
Herzen an, so würde man einen immer grossem Theil des Riik-
kenmarkes ohne Unterbrechung des Kreislaufes zerstören können.
L egallois unterhand an Kaninchen die Aorta in der Gegend der
Lendenwirbel, und zerstörte das Lendenmark. In anderen Fällen
schnitt er den Kopf ab, als er die Carotiden und Jugnlarvenen
unterbunden, und zerstörte das Halsmark, indem er den Blutlauf
durch die künstliche Respiration unterstützte, und in noch grausameren
Versuchen nahm er die ganze untere Hälfte des Körpers
weg, nachdem er die grossen Gefässe unterbunden. In allen FäU''
len dauerte der Kreislauf zwischen dem Herzen und den Ligaturen
längere und kürzere Zeit fort, und in manchen Fällen,
nach L egallois Aussage, noch länger als ■— Stunden.
Aus diesen Versuchen schloss L egallois dass der Nervus
sympathicus nicht unabhängig sey, dass er nicht bloss mit dem
Rückenmarke Zusammenhänge, sondern von ihm entspringe, und
dass es der eigenthümliche Charakter dieses Nerven sey, alle
Theile, in welchen er sich verbreitet, unter den Einfluss der motorischen
Kraft des’ ganzen Rückenmarkes zu setzen. Das berichterstattende
Comité glaubte, dass diese Versuche alle Schwierigkeiten
lösen, die sich früher über die Bewegungen des Herzens
erhoben haben, wie namentlich, warum das Herz dem Einflüsse
der Leidenschaften unterworfen sey, warum es nicht dem Willen
gehorche, warum die Circulation in den hirnlosen Missgeburten
oder Acephalen bis zur Geburt fortdauere.
Dass indessen L egallois Versuche nicht das ganze Verhält-
niss zwischen Gehirn, Rückenmark und dem sympathischen Nerven
aufgeklärt haben, ist durch W ilson P hilip’s Versuche gezeigt
worden. Untersuchungen über die Gesetze der Functionen des
Lebens'. Stuttg. 1822. Wird ein Thier durch einen Schlag auf
den Hinterkopf der willkührlichen Bewegung und der Empfindung
beraubt, so hört die Respiration auf, die Herzbewegung dauert
aber noch fort, und kann durch künstliche Respiration noch
lange unterhalten werden. Wird nun das Rückenmark und Gehirn
ganz entfernt durch Ausschneiden, so schlägt das Herz dennoch
fort, aber schwächer als gewöhnlich. Auch wenn das Rük-
kenmark und Gehirn mit einem heissen Stabe zerstört wird, dauert
in der Regel die Bewegung des Herzens fort. P hilip schliesst
hieraus das Gegentheil der Resultate von L egallois, nämlich dass
die Thätigkeit des Herzens dem innern Grunde nach unabhängig
sey vom Gehirn und Rückenmark. Aber beide Organe, Gehirn
und Rückenmark haben gleichwohl nach P hilip’s Versuchen ei-
'nen grossen Einfluss auf die sympathischen Affectionen des sympathischen
Nerven und des Herzens.
P hilip sah, dass, wenn er Weingeist auf das blössgelegte
Gehirn oder auf das Rückenmark aufträufelte, die Bewegung des
Herzens sich vermehrte, deutlicher, wenn der Weingeist auf den
Halstheil des Rückenmarkes, schwächer, wenn er auf den Lum-
baltheil applicirt wurde. Opium und Tabaksabsud wirkten ebenso.
Die reizende Wirkung trete bei den Opium und Tabak vor der
narkotischen ein, denn allmählig werden nun die Bewegungen des
Herzens langsamer. Diese Reize wirken durch das Gehirn und
Rückenmark noch immer auf die Eingeweide,, wenn sie durch
Gehirn und Rückenmark keinen Einfluss mehr auf die willkührlichen
Muskeln haben. (Marshall H all bestätigt diess nicht.
Weder Opium, noch Weingeist brachten Beschleunigung hervor,
und Opiumvergiftung vernichtete bei dem Starrkrampfe auch
den Kreislauf.) Das Herz steht nach P hilip mit allen Theilen
des Gehirns und Rückenmarkes in Relation, gewisse willkühr-
liche Bewegungen aber nur mit gewissen Theilen des Gehirns
und Rückenmarkes. P hilip hat auch gezeigt, dass der Einfluss
des Gehirns und Rückenmarkes auf den N... sympathicus und die
Eingeweide sich ganz verschieden zeigt nach der Art der Verletzung.
Wird das Gehirn zerstört durch Ausschneiden einzelner
Theile, öder das ganze Gehirn entfernt, wird das Rückenmark
mit einem heissen Stabe langsam zerstört, so schlägt das Herz
nach wie vor noch geraume Zeit schwächer; allein die Herzthä-
tigkeit ist gebrochen, wenn die Zerstörung schnell und wie zerschmetternd
geschieht- So wenn das Gehirn eines > lebenden Frosches
mit einem Hammer zerschmettert wird, so reagirt das Herz
nur schwach und langsam mehr, es liegt halbe Minuten still.
Wird nun das Rückenmark schnell und gewaltsam zerstört, so
ist die Bewegung wieder für eine Zeitlang erloschen. Nachher
sammelt sich die Contractionskraft wieder. Clift sah das Herz
der Karpfen nach Zerstörung des Rückenmarkes noch 11 Stunden
schlagen.
F lotjrens schliesst nach seinen Versuchen an Fischen, dass
die Thätigkeit des Herzens nur vom Athmen abhänge, und dass
sie aufhöre durch Aufhebung der Athembewegungen bei Verletzung
der Medulla: oblongata, von welcher die Athembewegun-
gen abhängen, dass bei Fischen, deren Athembewegungen allein
von der Medulla oblongata abhängen, und nach Verletzung des
Rückenmarkes deswegen fortdauern können, auch der Kreislauf
deshalb l ’ortdaure. Dagegen hat Marshall H all {an essay on the
circulation. Lond. 1831.) bei Fischen auch nach Zerstörung der
Medulla oblongata den Kreislauf sehr lange fortdauern gesehen.
M arshall H all lässt indess das Herz immer in einer bedingten
Abhängigkeit vom Rückenmarke und Gehirn seyn. Vergl. T revi-
ranus Biol. 4. 644., Clift Phil. Trans. 1815., W edemeyer Physiol.
Unters, über das Nervensystem und die Respiration. Ilannoo. 1817.
N asse in H orn’s- Arch. 1817. 189. F lourens Versuche über die
Eigenschaften und Verrichtungen des Nervensystems. Leipz. 1824.
Eine ausführliche Prüfung von L egallois Versuchen, und eine
lichtvolle Darstellung der ganzen Streitfrage hat Nasse gegeben.
Nasse Untersuch, zur Lebensnaturlehre. Halle 1818. Vergl. L und Physiol.
Resultate der Vivisectionen neuerer Zeit. Kopenh. 1825. 162.
Fasst man die Resultate von L egallois, W ilson u . A. mit
den schon bekannten Thatsachen zusammen, dass das ausgeschnittene
Herz, besonders bei Amphibien und Fischen noch lange fortschlägt,
dass deprimirende Affectionen des Nervensystemes die