
Rückenmark über, sondern am leichtesten auf diejenigen motorischen
Nerven, welche den nächsten Ursprung an den gereizten
sensibeln Nerven haben; oder mit anderen Worten, der leichteste
Weg der Strömung oder Schwingung ist von der hintern
Wurzel eines Nerven oder seiner einzelnen Primitivfasern nach
dessen vorderer Wurzel oder nach den vorderen Wurzeln mehrerer
nahe gelegenen Nebven. Wir sehen daraus, dass das Prin-
cip der Nerven hei diesen Strömungen oder Schwingungen die
kürzesten Wege nimmt, um von Empfindungsfasern durch das
Rückenmark auf Bewegungsfasern zu wirken; gleichwie die Elek-
tricität auch den kürzesten Weg von einem fum andern der
genäherten Poldräthe nimmt. Richtiger ausgedrückt und in die
Sprache der Nervenphysik übersetzt, heisst diess jedoch so, dass
hei heftiger Erregung der motorischen Eigenschaft des Rückenmarkes
durch einen Empfindungsnerven zunächst nur derjenige
Theil des Rückenmarkes erregt wird, und wieder Zuckurtg erregt,
welcher dem Empfindungsnerven den Ursprung giebt, und
dass die Erregung anderer Theile des'Rückenmarkes und der
davon entspringenden motorischen Nerven in ■ dem Maasse abnimmt,
als sie sich von der durch den Empfindungsnerven erregr
ten Stelle entfernen. Dasselbe gilt auch von den Hirnnerven.
X>ie grossen Sinnesnerven sind vorzüglich geneigt, reflectirte Bewegungen
der motorischen Gehirnnerven zu verursachen, und
namentlich der N. opticus und acusticus; beide bewirken bei
grellem Lichte und starkem Schall eine reflectirte Erregung des
N. facialis, und dadurch Schliessen oder Blinzeln der Augenlieder.
Der N. opticus bewirkt hinwieder leicht die reflectirte Erregung
des N. oculömotorius durch Bewegung der Iris, und erregt heim
Sehen von intensivem Licht eine reflectirte Affection des N. facialis
mit anderen Nerven im Niesen. Aber auch der grosse Gefühlsnerve
des Vorderhauptes und Gesichtes, die grosse Portion
des N. trigeminus kann den N. oculomotorius und facialis durch
Vermittelung des Gehirns erregen; so entsteht Züsämmenziehung
der Iris von in die Nase eingCzogenem kalten Wasser, und von
Kitzel in der Nase entsteht Niesen und die damit verbundene
Thätigkeit des N. facialis bei Erregung der Gesichtsmuskeln.
Kurzum wir sehen, dass' von den motorischen Gehirnnerven die
zum Ciliarknoten und also zu der' Iris gehenden Theile des Nervus
oculornotorius und der Nervus facialis am leichtesten durch
Reflexion erregt werden, und dass sowohl Gesichts- als Gefühlsund
Gehöreindrücke die erregende Ursache seyn können; daher
zwischen den Ursprüngen des N. opticus, trigeminus und acusticus,
und den Ursprungsstellen jener motorischen Nerv,en im Gehirn
eine durch die erste Formation prästabilirte leichtere Leitung
stattfinden muss. Diejenigen Empfindungsnerven und motorischen
Nerven, deren Wechselwirkung durch das Gehirn und
Rückenmark erleichtert ist, zeigen mit jenen Centraltheilen eine
Art Statik, eines verändert das andere, wie das Steigen einer
Waageschaale das Sinken der anderen bedingt, das Fällen des
Fluidums in dem einen Schenkel einer zweischenkligen Röhre
das Steigen in dem andern bewirkt bis zur Herstellung des Gleichgewichtes.
Ist auch ein Empfindungsnerve für gewöhnlich nicht
im Stande, eine reflectirte Bewegung hervorzurufep, so tritt sie
doch bei einiger Heftigkeit der Empfindung sogleich auf, und
das Rückenmark und Gehirn reflectiren dann die von Seiten der
Emjjfindungsnerven erhaltene Strömung oder Schwingung in diejenigen
motorischen Nerven, zu welchen die Leitung von jenen
Empfindungsnerven durch die Fasern des Gehirns und Rückenmarkes
am leichtesten ist.
Eine andere, sehr gewöhnliche Bahn der Leitung von Empfindungsnerven
zu motorischen Nerven durch Vermittelung,
des Rückenmarks und der IMedulla oblongata, ist die der
Erregung des Schleimhautsystems und der secundären Affection
der Respirationsmuskeln im Erbrechen, Stuhlzwang, Gebären,
Harnzwang, Husten, Niesen, Schluchzen etc. Ausser dem eben
erörterten statischen Gesetz, dass: Nerven verwandten Ursprunges,
oder von nicht allzu entferntem Ursprünge zu den Erscheinungen
der Reflexion sich eignen, ist das am häufigsten eintre-
tendq Gesetz der Nervenstatik, der Refiexion, das eben erwähnte.
Daher in der Medulla oblongata und dem Rückenmark, zwischen
den Empfindungsnerven der Schleimhäute (N. trigeminus— Nase;
N. vagus t—? Luftröhre, Lungen, Schlund, Speiseröhre, Magen; N.
sympathicus — Darmkanal, Uterus. Aesfe des Sacralplexus und
N, . sympathicus zur Urinblase und zum Mastdarm) und den motorischen
Respirationsnerven (N. facialis, accessorius, N. spinales)
eine leichtere Leitung präforrnirt seyn muss, , während dagegen
die zu den Extremitäten gehenden N, spinales von dieser Harmonie
ausgeschlossen sind.
Tritt aber eine gewisse Irritation des Rückenmarkes und Gehirns
durch Narkosis oder andere Ursachen ein,/so kann jede
Empfindung eine Entladung des Rückenmarkes nach allen motorischen
Nerven bewirken, auch zu denjenigen, welche sonst am
schwersten mit afficirt werden, zu den motorischen Nerven der
Extremitäten. Ja V olkmann, (Muell. Arch. 1838. 15.) hat gezeigt,
dass Längstheilung des Rückenmarks hei enthaupteten Fröschen
die Ausdehnung der Reflexbewegungen über alle Muskeln beider
Körperhälften nicht hindert, so lange nur irgend ein Theil des
Rückenmarkes verbunden bleibt.
Es entsteht zuletzt die Frage, in wie weit die EmjDfindung
an den Reflexbewegungen als Empfindung Antheil hat. Volkmann
neigt sich zu der Ansicht ,,von W hytt, welcher bewusste
Empfindung und spontane zweckmässige Reaction bei den Bewegungen,
die auf Empfindungen folgen, annabin. Dass, diess in
vielen Fällen so ist, scheint mir nicht zu bezweifeln, namentlich
scheint es so hei den Reflexbewegungen zu ,seyn, welche bei unversehrtem
Gehirn und Rückenmark erfolgen. Hieher gehört
z. B. das • Schliessen der Augenlieder heim heftigen Lichtr^iz, die
Bewegung der Athemmuskeln hei Reizung der Schleimhaut des
tractus respiratorius,, intestinalis, urinarius. Bedenkt man aber,
dass'alle Stücke einer Salamandra maculata noch Rellexhewegun