
Antimonialia, Mercurialia, Mineralsäuren, Alkalien Lei dem heftigsten
Grade ihrer Einwirkung im concentrirten Zustande ehen so
zersetzend werden. Die Reize können auf doppelte Art desor-
ganisiren. Erstens können sie nur in einem gewissen Grade
Reize seyn, hei höherem Grade der Einwirkung, statt seihst zu
integriren, oder die Integration durch Erregung neuer Affinitäten
zu befördern, sogleich die Zusammensetzung wesentlich verändern.
Dann geht dem örtlichen oder allgemeinen Tode gar keine Reizung
mehr voraus, sondern die Zersetzung erfolgt unmittelbar,
wie bei dem Tode durch Elektricität, Blitz u.'s. w. Oder ein an
sich bedingter Weise integrirender Reiz setzt ein Organ zu lange
in Th'atigkeit, so dass nach den Gesetzen der Erregung iä einer
gewissen Zeit mehr Kraft unwirksam wird, als in ehen so viel
Zeit Ruhe wieder wirksam werden kann. Dieses nennt man
TJeberreizen. Ein Organ wird dabei, fortdauernd schwächer, wie
bei der Ueberreizung des Auges durch das Licht. Die Arzneikunde
macht von zersetzender Wirkung der Stoffe nur Gebrauch,
wenn sie wirklich zerstören will.
J ohn B p.own, als er in den Elementa medicinae durch Entdek-
kung einiger Gesetze der Reizbarkeit den ersten Schimmer eines
wissenschaftlichen Systems der Medicin in einer noch rohen, für
die Anwendung gefährlichen Gestalt gab, kannte so wenig als
seine Nachfolger in der Erregungstheorie die durch die Alteran-
tien verursachte Wirkung. Nach der BROWN’schen Theorie giebt
es keine Veränderung der erregbaren Kräfte ohne vorausgegangene
Erregung,' und die Erregbarkeit sollte mit dem Leben nur
durch Ueberreizung erschöpft werden können. Die Brownianer
mussten behaupten, überall, wo eine Einwirkung erschöpft, ging
eine absolute Ueberreizung voraus. Sie führten als Beweise für
diese Behauptung an, dass gewisse Stoffe, die in. geringem Maasse
angewandt einigermaassen reizen, in grösserem Maasse eine ganz
andere Wirkung, und im grössten Maasse Erschöpfung hervorbringen,
wie z. B. Opium. Im letztem Falle, sagten sie, ist die
Zeit der Reizung ausserordentlich klein und unmerklich. So erklärten
sie auch die Wirkungen aller schnell schwächenden Einflüsse.,
Allein es giebt viele Stoffe, welche in kleinen Gaben schon
schwächer diese zersetzenden Wirkungen hervorbringen, wie ir-
respirable Gasarten, das Viperngift u. s. w. Die Contraptimulisten
Riasori , B orda, Brera, T ommasini haben diesen Fehlgriff von
B rown und seinen Nachfolgern aufgegriffen, und die Stoffe, weiche
statt zu reizen, gleichsam das Gegentheil davon thun, nämlich
die Fähigkeit gereizt zu werden vermindern* Cqntrastimulan-
tien genannt, so dass sie ihre Arzneien in Stimulantien und Con-
trastimulantien eingetheilt haben; allein obgleich sie einen grossen
Missgriff von Brown eingesehco, so haben sie doch die alleri-
rende Wirkung so vieler Arzneimittel, die oben festgestellt worden
ist, nicht erkannt.
Die Unterscheidungen von Brown beruhen auf einer ganz
einseitigen Anwendung einiger wohlgegründeten Facta von der
Reizbarkeit, und auf einer Vermengung der integrirenden Lebensbedingungen
oder der Lebensreize, Wasser, atmosphärischer
Tuft Nahrungsstoff, bestimmter Wärmegrade mit den|emgcn Stoffen
welche nur die Reaction der organischen Kräfte und die
gesunde Zusammensetzung verändern, und insofern reizen, ohne
B B m E Ein narkotisches Mittel, d. h. ein Alterans der
Nerven,° kann von Anfang bis zuletzt Symptome hervorbringen;
indem es die Zusammensetzung verändert, insofern wirkt es aut
iene Grundeigenschaft der organischen Körper, von aussen, nach
inneren Gesetzen bestimmt, oder wenn man will, gereizt zu werden
aber dieser Reiz ist kein Reizmittel im therapeutischen
Sinne, wo man darunter einen die Organe belebenden und ihre
Zusammensetzung integrirenden Reiz versteht. .
J oun B rown bat die Krankheiten in sthemsche und asthenische
eingetheilt. In den ersteren sollte die Lebenskraft vermehrt,
in den letzteren vermindert seyn. Indessen ist die Krankheit,
worin die Lebenskraft vermehrt ist, ein Widerspruch, und es
giebt nur unendlich viele locale oder allgemeine fehler in der
Zusammensetzung der organisirten Theile, wobei die allgemeinen
Kräfte bald gleich von Anfang darniederliegen, oder im Anfänge
vorhanden, später abnehmen; daher ist die naturhistorische Ein-
theilung der Krankheiten nach den afficirten Organsystemen und
nach den -naturhistorischen Krankheitsbildern die zweckmässigste.
Man bat immer gern die Entzündung als eine Krankheit mit vermehrter
Lebenskraft angesehen; die Entzündung ist eine Krankheit,
wobei gewisse Erscheinungen verstärkt sind, wie die Warme;
die Menge des Blutes in den kleinsten Gefässen ist grosser; andere
Erscheinungen verändert sie, während die Function eines
Organes darniederliegt und die Empfindungen eine'heftige Verletzung
anzeigen. Durch eine Entzündungsursache entsteht eine
chemische Veränderung in der Zusammensetzung eines Organes,
wir bringen sie auf diese Art durch, chemische Agentien hervor.
Hiedurch kann eine chemische Affinität, eine Anziehung zwischen
dem Blut und der chemisch veränderten Substanz eines Organes
entstehen. Diese Affinität kann grösser als im gesunden Zustande
zwischen dem belebten Theile und dem Blute seyn. _ rum
aber diese verstärkte Affinität zwischen Substanz und Blut in iter
Entzündung bloss eine Verstärkung der natürlichen organischen
Anziehung'ist, wie sie sich in gewissen gesunden lhanomenen
wirklich verstärkt, wie. in allen Phänomenen der rurgescenz,
oder ob diese Affinität wirklich verschieden ist von der lebendigen
Anziehung, und mehr eine neu entstandene chemische Affinität
zwischen der zersetzten Substanz und dem Blute ist, ist
| nicht mit Sicherheit auszumachen, Wenn aber auch diese vermehrte
Affinität zwischen Blut und Substanz^ wirklich eirm Ver-
stärkung der beständigen Wechselwirkung zwischen Blut und Substanz
wäre, so ist die Entzündung doch noch keine Krankheit
mit vermehrter Lebenskraft, denn die Erscheinungen der Entzündung
entstehen eben sowohl von dem vorhandenen Streben zur
Zersetzung, verursacht durch chemische Veränderung, als von
der Reaction der organischen Theile gegen diese Zersetzung.
Die innige Wechselwirkung aller Theile des Organismus, besonders
durch Vermittelung des Nervensystems, bewirkt in dem