niger sauer geworden waren. Er hielt also den angeblichen Magensaft
für nichts anderes, als für Speichel und Magenschleim,
die durch die Chymification verändert worden. Man sieht leicht
ein, dass die Chymification in diesen Fällen eben so gut' durch
die Absonderung einer neuen Quantität Magensaftes erfolgen konnte.
Die Gründe, welche S chultz für jene Theorie anführt, sind folgende:
Ein eigener Magensaft existire nicht. Was T iedemanm und
G melin dafür genommen, seyen Reste von Chymus gewesen; ausser
der Chymification finde keine 8 äurebildung statt, und könne
auch nicht durch mechanische Pieizurtg der Magenwände hervorgerufen
werden. Diesem Satz in der SciiuLTz’schen Theorie widersprechen
wenigstens übereinstimmende directe Beobachtungen,
sowohl die von Spallanzani, T iedemann und G melin, als die viel
entscheidenderen von Beaumont. Dann stützt sich Schultz ferner
auf die Analogie der Pflanzen, indem die Nahrungsstoffe der
Pflanzen auf eine, ähnliche Art vorbereitet würden, und der Nahrungsstoff
in dem keimenden Samen durch eine Art Oxydation
in Säure und Zucker umgewandelt und löslich werde. Diese
Gründe sind sehr gut, es fragt sich hier indess wieder, ob es bei;
den Thieren ein eigenes Lösungsmittel, einen Magensaft gäbe, der
selbst ausser dem Körper Nahrungsstoffe aufzulösen im Stande
ist, was, wenn man auch auf die älteren unvollkommeneren Erfahrungen
keine Rücksicht nehmen will, durch die zahlreichen
übereinstimmenden Beobachtungen von B eaumont, E berle u . A.
bejahend zur Evidenz gebracht wird. Endlich stützt siclj S chultz
auf die Erfahrung von der Gerinnung der Milch durch den Magen,
indem das Sauerwerden der Milch ein Beispiel für die Umwandlung
einer nicht sauren Nahrung in sauren Chymus darbiete.
Die Milch werde auch durch eine Infusion des trocknen Kalbsmagens
geronnen, nachdem alle Säure desselben durch Kali car-
bonicum abgestumpft worden. Ausserdem mache auch eine Infusion
vom frischen Magen eines durch 40 Stunden hungernden
Hundes, obgleich sie deutliche Zeichen von Alkalescenz darbiete,-
die Milch gerinnen; endlich gerinne auch die Milch im Magen
saugender junger Hunde, deren Magen nach 12—16 Stunden leer
sey und sich neutral und alkalisch verhalte; die Gerinnung erfolge
nur langsamer, als wenn sich Säure im Magen befinde.
D ie Ursache der Gerinnung der Milch ist allerdings- nicht allein
die Säure des Magensaftes, wie bereits Berzelius zeigte, vielmehr,
wie man jetzt mit Bestimmtheit weiss, ein eigenthümlichgs organisches
Princip des Magensaftes. ■
So wie die Sachen standen, kam Alles darauf an, zu entscheiden:
1. ob es einen eigenen Magpnsaft giebt? ‘2. ob dieser Magensaft,
gleichviel von welcher Natur, die Speisen in und ausser
dem Körper aufzulösen im Stande ist? und 3. wenn diess geschieht,
ob es durch die Säure dieses Saftes oder durch andere
als existirend nachweisbare Principien erfolgt, und 4. ob mit dieser
Auflösung eine chemische Veränderung verbunden ist. .
Erste Frage. Giebt es einen Magensaft? Diese Frage ist bereits
in dem vorhergehenden Capitel beantwortet, wo die zahlreichen
Versuche von T iedemann und G melin, namentlich aber die
entscheidend gewordenen von Beaumont aufgeführt sind, welcher
den Magensaft des. St. M artin im nüchternen Zustande durch
mechanische Reizung in merklicher Quantität zur Absonderung
brachte, und aus dem Magen durch die krankhafte Oeffnung desselben
herausnahm.
Zweite Frage. Ist der Magensaft ein lösendes Mittel der Speisen
innerhalb und ausserhalb des thierischen Körpers? Hiei’
kommt Alles auf die Möglichkeit einer künstlichen Auflösung der
Speisen ausser dem Magen durch Vermischung derselben mit dem
Mägensafte an. Die künstlichen Verdauungen sind zuerst durch
S pallanzani berühmt geworden. S pallanzani verschaffte sich
Magensaft der Vögel, indem er kleine Schwämme an Fäden durch
den Mund bis in den Magen brachte, nach einiger Zeit wieder
herauszog und mit der hierdurch gewonnenen Flüssigkeit gekaute
Nahrungsmittel vermischte, und nun dieses Gemeng in kleinen
Glasgefässen in seiner Achselhöhle erwärmte; nach 15 Stunden
oder zwei Tagen schienen die Nahrungsmittel in Chymus
verwandelt zu seyn. Diese Versuche schienen durch die von
Montegre im Jahre 1812 dem französischen Institut vorgelegten
Beobachtungen widerlegt zu werden. Montegre konnte willkühr-
lich erbrechen; er verschaffte sich nüchtern dadurch den vorgeblichen
Magensaft, den er in den meisten Fällen merklich sauer
fand. _ . Nachdem Stevens bei einer künstlichen Verdauung ein
ähnliches Resultat wie S pallanzani gefunden hatte, haben T iedemann
und Gmelin ebenfalls mit dem Magensafte zweier Hunde
eine künstliche Verdauung versucht. Im ersten Versuche wurden
10 Grammen mit 3 Grammen gekochtem Rindfleisch, und 10
Grammen mit einem Würfel von der Rinde befreiten Brotes gemengt
und in einem dritten Gplasse gleichviel Fleisch mit der
innern Wand desMagens in Berührung in denselben eingewickelt.
Ebenso verfuhren sie mit Brot und Magenhaut, endlich stellten
sie ein gleiches Stück Fleisch mit Wasser, und ein gleiches Stück
Brot mit Wasser zusammen. , Sämmtliche Gefasse wurden einer
Temperatur von 30—40° Cent. 8 Stunden lang ausgesetzt. Das
Fleisch im Magensafte war auf der Oberfläche zu einem röthlich-
weissen,- sehr weichen, leicht äbzuschabenden Brei erweicht.
Das Fleisch in der Magenhaut hatte keinen solchen Ueberzug,
war höchstens ein wenig weicher, als das mit reinem Wasser zusammengebrachte
Fleisch,; welches ganz hart und zähe war, ohne
dass sich etwas Bemerkliches abschaben liess. Das Brot ini Magensafte
war in eine weiche, leicht abzuschabende, weissliche
Masse verwandelt; fast eben so weich war das Brot in der Magenhaut
geworden, während das Brot im Wasser weniger weich
als das im Magensafte geworden war. In dem zweiten Versuche
mit 62 Grammen Magensaft stellten sie in verschiedenen Gelassen
Magensaft und rohes Rindfleisch, Magensaft und gekochtes Eiweiss,
Wasser und Rindfleisch, Wasser .und Eiweiss, Wasser mit
10 Tropfen destillirten Essig und Rindfleisch, Wasser mit eben
so viel Essig und Eiweiss zusammen. Die Temperatur war wie
in dem vorigen Versuche, die Dauer 10 Stunden. Das Fleisch
im Magensafte war oberflächlich sehr erweicht, so dass sich eine
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