
Beugemuskeln, die hinteren der Bewegung der Streckmuskeln
bestimmt seyendiess ist wenigstens in Hinsicht der Wurzeln
durchaus ufirichtig. Nach E. H. W eber soll es zuweilen gelingen,
die Spuren der Nervenwurzeln überhaupt bis zur grauen
Substanz zu verfolgen, was dagegen R qlando bezweifelt hat.
Ueber den Antheil .der grauen und weissen Substanz an den beiden
Functionen lassen sich leider durchaus keine Experimente
anstellen, Und was alle Experimente über die vorderen und hinteren
Strange unsicher macht, ist die Reflexionsfähigkeit des
Rückenmarkes, eine sensorielle Affection nach dem motorischen
Apparat zu verpflanzen. Wenn z. B. die vorderen Stränge wirklich
allein motorisch, die .hinteren bloss sensoriell sind, so müsste
doch eine Verletzung der hinteren Stränge leicht schon deswegen
durch MitnfFection der vorderen Stränge Zuckungen bewirken,
weil das Rückenmark bei allen heftigen Verletzungen in den
reflectirenden Zustand geräth, wo dann jede Reizung der,sensoriellen
Nerven, auf das Rückenmark verpflanzt, sich auf die motorischen
Nerven reflectirt. Vgl. oben p. 717.
Die Fasern des Rückenmarkes gelangen durch die Medulla ob-
longata zum Sensörium commune. Ohne hier die Eigenschaften
der verschiedenen Theile des Gehirns,-und ohne die übrigen Eigen-
thümlicbkeiten des Rückénmarkeséschoo hier zu untersuchen, wollen
wir hier nur erwägen, dass das Rückenmark die Primitivfasern
aller Spinalnerven einzeln durch seine Fasern im Gehirn vertritt, so
wie die Hirnnerven durch ihre Primitivfasern sich im Gehirn
vertreten. Das Gehirn empfängt die, Eindrücke aller sensibeln
Fasern des ganzen Organismus, wird' ihrer bewusst, und weiss
den Ort der-. Empfindung nach der Affection der verschiedenen
Primitivfasern ; das Gehirn excitirt : wiederum die motorische
Kraft aller motorischen Primitivfasern und des Rückenmarkes
bei der willkührlichen Bewegung. Wir bewundern in dieser
Thätigkeit einen unendlich eomplicirtcn und feinen Mechanismus
der Anordnung der Elemente} während die Kräfte selbst durchaus
ideeller Art sind. So verschieden die Thätigkeit ist, sp gleicht doch
die Action des Gehirns bei der Erregung eines gewissen Theils
unter den unendlich vielen Primitivfasern dem Spiel eines vielbe-
saiteten Instrumentes, dessen Saiten erklingen, so wie die Tasten
berührt sind, Der Geist ist der Spieler oder Excitator, die Primitivfasern
aller. Nerven, die sich im Gehirn ausbreiten,, sind die
Saiten, und die Anfänge derselben die Tasten. Niemeyer (Materialien
zur Erregungstheorie, Gütt. 1800.) erklärt die willkührlichen
Bewegungen daraus, dass die Spannung derf Antagonisten aufgehoben
werde; allein einzelne Muskeln bewegen sich, wenn die Antagonisten
durchschnitten sind, noch willkühiiich.
Die Nervenstämme und das. Rückenmark als Stamm der
Rumpfnerven gleichen sich auch darin:,, dass bei Affectionen des
letztem Empfindungen scheinbar in den äusseren Theilen entstehen,
gleichsam als wären die äusseren Theile selbst der Sitz der
Affection. Eben so ist esx wie wir gesehen haben, bei der Affe-
ciion der Nervenstänune. Beim Druck aul die Nervenstämme
entsteht das Gefühl von Ameisenlaufen in der Ilaut, beim Druck
auf das Rück<jpinark .entsteht dieselbe Formication in allen Theilen
, welch,e unter der verletzten. Stelle ihre Nerven erhalten.
Bei den Geschwülsten der Nerven sind die Theile, zu welchen
die Enden d,er Nerven hingehen, von den heftigsten Schmerzen
befallen; beim Durchschneiden der Nervenstämme schmerzen die
äusseren Tbpile; eben so. ist es mit dem Rückenmark, welches
bei entzündlichen und anderen Affectionen oft die heftigsten
Schmerzen scheinbar in den äusseren Theileri erregt. Selbst
WPnn vollkommene, Empfindungslosigkeit für äussere Reize vorhanden
ist, können die Verletzungen des Rückenmarkes doch noch
subjective Empfindungen erregen, welche scheinbar in den äusseren
Theilen sind. Hieher gehört besonders das Ameisenlaufen
in den unteren Extremitäten,, bei gänzlichem Verlust aller Empfindung
für äussere Reize und der Bewegung. Siehe Ollivier
Krankh. des Rückenmarkes^ übers. von Radius. Leipz. 1824. p. 156.
Allein die subjectiven Empfindungen in den Extremitäten bei
vollkommener Empfindungslosigkeit und Lähmung der Bewegungen
können auch die heftigsten |Schmerzen in den äusseren
Theilpn seyn, wie in dem schon erwähnten Falle von Heydenreich
zu Bonn, wo bei Lähmung der Bewegung vollkommene
Empfindungslosigkeit in dén unteren Extremitäten ist, und
dennoch ypp Zeit, zu Zeit die heftigsten Schmerzen in den
empfindungslosen Theilen sich einstellen. Am häufigsten ist die
F.ormicatihri in den äusseren: Theilen als .Symptom von Rücken-
marksaffectipn, wo diess Symptom fast, niemals-fehlt. Die Formication
ist hier dasselbe als das Ohrenklingen für den Hörnerven,
und die fliegenden Mücken und andere krankhafte subjective Sinneserscheinungen
für das Gesichtsorgan; und so wie die subjectiven
Sinneserscheinungen,' welche von der Bewegung des Blutes in
der Nefzbaut beim gesunden Menschen entstehen, durch einander
springende Pünktchen'sind, Welche, überall zu seyn scheinen, wo
man hinsieht} so ist die Formicatiön oder das Gefühl von laufenden
Punkten wahrscheinlich eine. Empfindung der Bluthewe-
wegung in den Capiflargefässen , dés kranken Theiles vom Rückenmark,
scheinbar in den äusseren Theilen empfunden. In anderen
Fällen hat man statt der Formication ein unaufhörliches Jucken
in den Beineu. bemerkt, welches,, beim Kratzen nicht verschwindet.
Om.ivikr p. 309.
Unter die subjectiven Empfindungen bei Rückenmarksaffectio,
n gehört auch die Aura epiieptica der Epileptischen in den
Extremitäten, oft, zuerst an den Fingern und Zehen, ein der Formication
ähnliches Gefühl, welches Immer mehr fortschreitet und
den Anfall verkündet. Die, Erfahrung, dass Umbinden des von
der Aura epiieptica befallenen Theiles den Anfall oft verhindere
begünstigt, die. Vorstellung, dass die Aura epiieptica ihre Ursache
in den Enden der Nerven und .nicht im Rückenmark habe. Diess
Binden mag wohl als heftiger Hautreiz wirkeu. Nur bei der Epilepsie
von Nervengeschwülsten ist die Aura in den Nerven selbst
und, hemmt die Ligatur allerdings das Fortschreiten. Ver«'{
obeu p. 704. m . ,1'W ° '
Da der Sitz de.r Empfindungen weder in den Nerven, welche