
Nerven des Hinterbeins auf der einen Seite durchschnitten und
der Schenkelnerve hèrausprâparirt, ,so schneide man am Schenkelnerven
dieser Seite> der durch die Empfindungswurzeln nichts
mehr zum Rückenmark leiten kann,'ein Stückchen mit der
Scheere bei Vermeidung aller Erschütterung ah. Dabei wird
keine Zuckung des ganzen Frosches eintreten. Schneidet man
aber eben, so an dem Schenkelnerven der andern Seite, dessen
Empfindungswurzeln noch mit dem Rückenmark Zusammenhängen,
ein Stückchen mit der Scheere ab, so entsteht jedesmal
eine Zuckung des ganzen Frosches, zum Beweise, dass die motorischen
Nerven oder vorderen Wurzeln allein keine Reizung rückwärts
zum Rückenmark, welche die allgemeine Zuckung bewirkt,
fortleiten können, und dass zu dieser Rückwärtsleitung zum Rük-
kenmark nur die Empfindungsnerven fähig sind. Bei diesen
äusserst wichtigen Versuchen muss man heim Schneiden der Nerven
alle, auch die geringste Erschütterung vermeiden. Denn
wenn man heim Schneiden des Schenkelnerven, dessen hintere
Wurzeln resecirt sind, ungeschickt verfährt, so dass sich die Erschütterung
mechanisch bis auf den Rumpf des Thieres fortpflanzt,
so ruft das erschütterte Rückenmark sogleich eine Zuckung hervor.
Dass hier die Erschütterung des Rückenmarks' die Ursache
ist, beweist d,er Umstand, dass selbst nach Durchschncidung dès
Nerven noch eine zerrende Erschütterung am Bein, die dem
Rumpfe mitgetheilt w'ird, allgemeine Zuckungen erregt. Ich habe
noch folgenden zweiten Versuch zur Lösung des Problems ausgedacht,
aber noch nicht angestellt.
Es ist bekannt, dass die Iris“ in beiden Augen sich immer
gleichzeitig bewegt, und dass der R,eiz eines Auges hinreicht, um
eine gleiche Verändernng in beiden Pupillen hervorzubringen.
Es ist auch bekannt, dass das Licht nicht unmittelbar auf die
Iris wirkt, sondern dass dié gereizte Netzhaut auf das Gehirn
xyirkt, und die Zusammenziehung der Iris erst Folge der Rückwirkung
vom Gehirn ist. Denn die für das Licht sonst unbewegliche
Iris eines amaurotischen Auges wird noch bewegt, wenn
das Licht auf das gesunde Auge wirkt. Es ist auch bekannt,
dass der N. oculomotorius Bewegungsnerve für die Iris ist, wie-M-AY'o
gezeigt hat. Es fragt sich nun : wenn man den N. oculomotorius
eines Auges reizt, wirkt diese Reizung rückwärts, wie im Sehnerven,
auf das Gehirn, ünd erfolgt eine Verengung der Iris im
Auge der anderen Seite? Dieser Versuch beruht übrigens auf
der keineswegs wahrscheinlichen Voraussetzung, dass der N. oculomotorius
keine Empfindungsfasern enthält.
Der zweite Theil. der Frage, ob die Nervenwirkung in den
Empfindungsnerven nur centripetal, nicht auch rückwirkend
vom Gehirn und Rückenmark ist, Hesse sich insofern auch für die
blosse centripetale Wirkung entscheiden, als alle Empfindungen mit
centripetalen Wirkungen verbunden sind. Es giebt aber auch Empfindungen,
die sich vom Rückenmark bei Leidenschaften, Vorstellungen
in der ganzen Länge der; Nerven bis zu den Zehen fort-
zupflänzen scheinen. Allein diese Hessen sich auch anders erklären.
Es wurde gezeigt, dass die Empfindungsfasern aller Theile
eines Nerven im Stamme und in den Wurzeln enthalten sind,
und dieser Stamm beim Druck dieselben Empfindungen hat, als die
Aeste zusammen. Wenn also die Wurzeln der Nervenstämme
eines Gliedes durch centripetale Nervenwirkung Eindruck auf das
Rückenmark machen, so müssen die Empfindungen in dem Gliede
zu sevn scheinen. Wenn ferner durch eine Ursache plötzlich
die Empfindungskraft im Rückenmark verändert wird, durch
Schreck, so machen die Fasern der Empfindungswurzeln einen
anderen Eindruck als vorher, was als Empfindungen in den Gliedern
gefühlt werden muss.
Eine vom Gehirn aus centrifugal in einem entschiedenen Empfindungsnerven
erfolgende Erregung ist scheinbar die des Nervus
lacrymalis in gewissen Leidenschaften und Vorstellungen. Wäre es
gewiss, dass vom Nervus sympathicus keine Zweige mit dem Nervus
lacrymalis, wie mit anderen Zweigen des Nervus trigeminus
fortgehen, so wäre diess ein Beweis, dass auch die Empfindungsnerven
Erregungen in jeder Richtung verbreiten. Es ist aber
zu vermuthen, dass auch defr N. lacrymalis graue Fasern erhält,
da sie dér ganze erste Ast bekömmt, wie früher gezeigt worden.
Eben so dürfte die Tbatsache zu erklären seyn, dass noch
andere Nerven, welche hauptsächlich der Empfindung dienen,
einen offenbaren organischen Einfluss auf die Ernährung und
Absonderung und selbst, auf Bewegung haben, wie der N. vagus.
Der N. vagus wird, wie E. H.- W eber (anat. nervi sympathici) gezeigt
hat, bei einigen Thieren zum grossen Theil selbst Vertreter
des N. sympathicus, wie bei den Schlangen, wo er einen
grossen Theil des Darmkanals versieht. ‘ Bei den Myxinoiden geht
der vagus , nach meinen Beobachtungen bis zum After und der
sympathicus fehlt. Indem daher der N. sympathicus und der N.
vagus sich gleichsam gegenseitig vertreten und beschränken können,
scheint der Beweis geliefert zu seyn, dass in einem Empfindungsnerven
nicht bloss retrograde Strömungen oder Schwingungen
stattfinden können. Indess hat dieser Einwurf keinen grossen
Werth; denn die organischen Wirküngen des N. vagus rühren
doch höchst wahrscheinlich aus heigemischten organischen Fasern
des N. sympathicus her, mit dem er sich so vielfach verbindet.
Ueberhaupt enthält ein Nerve, der eine Strecke sich
verbreitet,, ganz andere Elemente, als bei seinem Ursprünge; die
Natur kann auf seinem Wege noch viele andere Fasern ganz
anderer Ordnung zu ihm gesellen. Ein lebhaftes Beispiel, wie
ein motorischer Nerve von organischen Fasern begleitet wird,
und wie die organische Wirkung von der motorischen verschieden
seyn muss, haben wir an dem N. buccinatorius des Ochsen,
der ein Büschel grauer organischer Fasern vom Ganglion oticum
aufnimmt, die mit ihm hingehen, um, sich wahrscheinlich in der
Mundschleimhaut und den Wangendrüsen zu verbreiten. Hier
sehen wir, dass für die motorische Strömung wie für die organische,
verschiedene Leiter nöthig sind; denselben Beweis können
wir aber auch von .den Empfindungsnerven führen.
Die Thatsache, dass die verschiedenen Sinnesnerven von
demselben Reizt! qualitativ verschiedene Empfindungen haben, in