
sind durch ihre Organisation, durch die Feinheit der zu
durchdringenden Membran, durch die Grösse der Contactsfläche
der am meisten geeignete Theil zu dem chemischen Processe des
Athmens.
Ueber die Theorie des chemischen Processes beim Athmen
sind verschiedene Ansichten aufgestellt worden;
1. Nach L avoisier, L aplace und P rout haucht das Blut beständig
in die Lungenzellen eine Flüssigkeit aus, die vorzüglich
Kohlenstoff und Wasserstoff enthält. Diese vereinigen sich mit
dem Sauerstoff der Luft zu Kohlensäure und Wasser, welche beim
Ausathmen entfernt werden. Diese Annahme einer aus Kohlenstoff
und Wasserstoff bestehenden Flüssigkeit ist vom chemischen Gesichtspunkte
sehr gewagt. G melin’s Chem. 4. 1529. Da man bei
dieser Theorie die thierische Wärme aus der Kohlensäure- und
Wasserbildung ausser dem Blute, nämlich innerhalb der Lungen-
zelfen erklärt, so muss bemerkt werden, dass die Lungen im Allgemeinen
keineswegs wärmer als andere Theile sind.
2. Die von den meisten Chemikern getheilte Ansicht ist die
von H. D avy, dass die Luft durch die Wände der Lungenzellen
in das Blut der Capillargefässe eindringe, dass die nun im Blute
aufgelöste Luft wegen Verwandtschaft des Sauerstoffs zu den Blutkörperchen
zersetzt und Kohlensäure frei wird, wobei zugleich
der grösste Theil des Stickstoffs wieder entweiche. G ilb, ...Ann. 19.
D avy gab nach seinen Athemversuchen mit oxydirtem Stickgas
und Wasserstoffgas zu, dass etwas kohlensaures Gas aus dem venösen
Blute selbst entwickelt werde. Nach der letztern Ansicht
nimmt man die Wärmeerzeugung von der Kohlensäurebildung im
Blute der Lungen an, und dieser sind die Beobachtungen von J.
D avy günstig, dass das Blut des linken Herzens und der Arterien
(Carotis) um 1—1\° Fahr. wärmer seyn soll, als im rechten Herzen
und in den Venenstämmen (Jug.)
3. Einige, welche von der Thatsache ausgehen', dass beim
Athmen mehr Sauerstoff verschwindet, als Kohlensäure gebildet
wird, die Kohlensänrebildung in den Lungen oder in den Gefässen
der Lungen zugeben, aber die Wassererzeugung leugnen, nehmen
an, dass durch Verbindung von Sauerstoff der Luft mit Kohlenstoff
des Blutes Kohlensäure sogleich beim Athmen entstehe, dass
jener Antheil von Sauerstoff, der nicht auf Kohlensäurebildung
verwandt werde, mit dem Blute gebunden werde, und daher das
Bluthellroth färbe, dass die Blutkörperchen mit gebundenem Sauerstoffe
das Leben der organischen Theile anregen. Dass beim Athmen
mehr Sauerstoff verschwindet, als Kohlensäure gebildet wird, berechtigt
durchaus nicht zu der Annahme von L avoisier, L aplace,
D ulong und D espretz, dass dieser Antheil-von Sauerstoff auf die
Bildung des ausgeathmeten Wassers durch Verbindung von Wasserstoff
des Blutes und Sauerstoff verwandt werde. Das in den
Lungen ausdünstende Wassergas aus einer Erzeugung von Wasser
aus Elementen abzuleiten, ist auch überaus gewagt, weil unter
den obwaltenden Umständen von nassen thierischen Oberflächen,
besonders bei der Temperatur der warmblütigen Thiere, Wasser
verdunsten muss. Die Hypothese der Wassererzeugnng in den
Lungen ist daher bloss zum Vortheile der Verbrennungstheorie
von L avoisier und L aplace erfunden, aber nicht erwiesen worden.
Nach den Versuchen von Collard de Martigny wird in
jeder Gasart, z. B. auch Wasserstoffgas, Wassergas ausgeathmet,
wo also kein Sauerstoff zur Erzeugung von Wasser vorhanden
war (doch ist nach meiner Ansicht dieser Versuch nicht ganz
stringent, weil Thiere, die in irrespirable Gasarten gebracht werden,
immer noch atmosphärische Luft in den Lungen haben). Nach
Magendie soll sich die Quantität des beim Athmen transpirirten
Wassers vermehren, wenn man einem Thiere Wasser von der
Temperatur des Körpers in die Venen . injicirt. Magendie précis
élémentaire de physiologie. 2. éd. 2. 246. Man kann daher wohl
die Wassererzeugung in den Lungen nicht anders als eine der
gewagtesten Hypothesen ansehen, welche nur von Chemikern,
nicht von Physiologen lange Zeit hin angenommen werden konnte,
und es ist ganz einfach, die Aushaucbung von Wasser aus den
Lungen gleichwie von der Haut als eine blosse Aushauchung aus
dem Blute zu betrachten, obgleich diese Aushauchung nicht eine
rein physikalische Verdampfung ist, wie sich deutlicher bei der
Hautausdünstung im 7. Abschn. dieses Buches ergeben wird. Da
nun kein Wässer in den Lungen erst entsteht, so muss jedenfalls
dasjenige Sauerstoffgas, welches nicht auf ein gleiches Maass
Kohlensäure beim Athmen verwandt wird, wirklich ins Blut übergehen;
dieser verschwindende Ueberschuss von Sauerstoffgas ist
schon in den meisten Versuchen über das Athmen in der Luft
und im Wasser vollkommen constatirt. Offenbar wird also
èin grösserer oder geringerer Theil des Sauerstoffs der Luft
mit dem Blute verbunden, und ist die Ursache der hellrothen
Färbung des Arterienblutes und des Blutes an der Luft. Wie
man weiss, wird auch ein Gemeng von Blutkörperchen und
Serum, oder geschlagenes Blut durch blosses Hindurchstreichen
von Sauerstoffgas durch und durch hellroth. Für diese
Bindung von Sauerstoff an das Blut spricht auch die Beobachtung,
dass beim Schütteln von Luft und Blut sehr viel
mehr Sauerstoffgas absorbirt, als Kohlensäure gebildet wird. Es
sprechen ferner dafür Nysten’s Versuche mit Gaseinspritzungen
in die Adern der Thiere, wobei Sauerstoffgas das dunkelrothe
Blut in den Venen hellroth färbte, wo also gar keine gebildete
Kohlensäure ausgeschieden wurde. Nysten rech, de physioL et de
chim. pathol.
4. Nach L agrange und H assenfratz wird der Sauerstoff der
atmosphärischen Luft nur locker vom Blüte gebunden (im Blute
aufgelöst oder mit den Blutkörperchen verbunden), und bildet erst
während der Circulation mit dem Kohlenstoffe des Blutes Kohlensäure,
die im Blute absorbirt ist,, bis sie in den Lungen aus
dem Blute frei wird. L agrange stützte diese Ansicht zum Theil
darauf, dass arterielles Blut in verschlossenen Gefässen nach einiger
Zeit von selbst wieder dunkler wird. Da nun das arterielle
Blut bis in die feinsten Arterien immer noch hellroth ist, und
beim Durchgang durch die Capillargefässe des Körpers erst dun-
kelroth wird, so kann man, wenn man der Ansicht von L agrange