
p. 8 7 , -wiederzugeben. Ctjvier sagt: Jedes lebende Wesen bildet
ein Ganzes, ein einziges und geschlossenes System, in welchem
alle Theile gegenseitig einander entsprechen, und zu derselben
endlichen Action durch wechselseitige Gegenwirkung beitragen.
Keiner dieser Theile kann sich verändern ohne die Veränderung
der übrigen, und folglich bezeichnet und giebt jeder Theil einzeln
genommen alle übrigen. Wenn dah,er die Eingeweide eines
Thiers so örganisirt sind, dass sie nur Fleisch und zwar bloss
frisches verdauen können, so müssen auch seine Kiefer zum
Fressen, seine Klauen zum Festhalten und zum Zerreissen, seine
Zähne zum Zerschneiden und zur Verkleinerung der Beute, :'das
ganze System seiner Bewegungsorgane zur Verfolgung und Einholung,
seine Sinnesorgane zur Wahrnehmung derselben in der
Ferne eingerichtet seyn. Es muss selbst in seinem Gehirne der
nöthige Instinkt liegen, sich verbergen und seinen Schlachtopfern
hinterlistig auflauern zu können. Es bedarf der Kiefer, damit
es fassen könne, einer bestimmten Form des Gelenkkopfes, eines
bestimmten Verhältnisses zwischen der Stelle des Widerstandes
und der Kraft zum Unterstützungspunkte, eines bestimmten
Umfanges des Schlafmuskels, und letzterer wiederum einer bestimmten
Weite der Grube, welche ihn aufriimmt, und einer bestimmten
Convexität des Jochbogens, unter welchem, er hinläuft,
und dieser Bogen muss wieder eine bestimmte Stärke haben, um
den Kaumuskel zu unterstützen. Damit das Thier seine Beute forttragen
kömie, ist ihm eine Kraft der Muskeln nöthig, durch welche
der Kopf aufgerichtet wird; dieses setzt eine bestimmte Form
der Wirbel, wo die Muskeln entspringen, und des Hinterkopfes,
wo sie sich ansetzen, voraus. Die Zähne müssen, um das Fleisch
verkleinern zu können, scharf seyn. Ihre Wurzel wird um
so fester seyn müssen, je mehrere und stärkere Knochen sie zu
zerbrechen bestimmt sind, was wieder auf die Entwickelung der
Theile, die zur Bewegung der Kiefer dienen, Einfluss hat. Damit
die Klauen die Beute ergreifen können, bedarf es einer gewissen
Beweglichkeit der Zehen, einer gewissen Kraft der Nägel, wodurch
bestimmte Formen aller Fussglieder und die nöthige Ver-
theilung der Muskeln und Sehnen bedingt werden; dem Vorderarm
wird eine gewisse Leichtigkeit, sich zu drehen, zukommen
müssen, welche bestimmte Formen der Knochen, woraus er besteht,
voraussetzt; die Vorderarmknochen können aber ihre Form
nicht ändern, ohne auch im Oberarm Veränderungen zu bedingen.
Kurz, die Form des Zahns bringt die des Condylus
mit sich, diejenige des Schulterblattes die der Klauen, gerade so,
wie die Gleichung einer Curve alle ihre Eigenschaften mit sich
bringt; und so wié man, wenn man jede Eigenschaft derselben
für sich zur Grundlage einer hesondern Gleichung nähme, sowohl
die erste Gleichung als alle ihre andern Eigenschaften wiederfinden
würde, so könnte man, wenn eines der Glieder des
Thiers als Anfang gegeben ist, bei gründlicher Kenntniss der
Lebensökonomie das ganze Thier darstellen. Man sieht feiger
ein, dass die Thiere mit Hufen sämmtlich pflanzenfressende seyn
müssen, dass sie, indem sie ihre Vorderfüsse nur zur Stützung
ihres Körpers gebrauchen, keiner so kräftig gebauten
Schulter bedürfen, woraus denn auch der Mangel des Schlüsselbeins
und des Acromium und die Schmalheit des Schulterblattes
sich erklärt; da sie auch keine Drehung ihres Vorderarms
nöthig haben, so kann die Speiche bei ihnen mit der Eilenbogenröhre
verwachsen, oder doch an dem Oberarm durch
einen Ginglymus und nicht durch eine Arthrodie eingelcnkt seyn;
ihr Bedürfniss zur Pflanzennahrung erfordert Zähne mit platter
Krone, um die Samen und Kräuter zu zermalmen; diese Krone
wird ungleich seyn, und zu diesem Ende der Schmelz mit Knochensubstanz
ab wechseln müssen. Da bei dieser Art von Krone
zur Reibung auch horizontale Bewegung (musc. pteryg.) nöthig
ist, so wird hier der Condylus des Kiefers nicht eine so zusammengedrückte
Erhabenheit .bilden, wie bei den Fleischfressern,
er wird abgeplattet seyn und zugleich einer mehr oder weniger
platten Fläche am Schläfenbein entsprechen; die Schläfengrube,
welche nur einen, kleinen Muskel aufzunehmen hat, wird von geringer
Weite und Tiefe seyn.
b. Häute des Darmkanals.
Der Darm besteht aus einem serösen Ueberzug vom Peritoneum,
aus einer darunter liegenden Muskelhaut, aus einer Tu-
nica propria, welche eine Art Fascie oder festes Gerüste bildet,
an welchem nach aussen die Muskelfasern anliegen, und nach Innen
die Schleimhaut befestigt ist.
Bei vielen Fischen setzt sich die Schleimhaut der Speiseröhre
durch den Luftgang der Schwimmblase in die innere Haut der
Schwimmblase fort, welche also die Natur einer Schleimhaut hat.
Bei vielen E’isehen fehlt jene Verbindung der Schwimmblase mit
dem Schlund. (Vergl. oben pag. 310.) Hier scheint es sonderbar,
dass die innere Haut der Schwimmblase, obgleich mucöser
Natur, doch gegen das Gesetz der mucösen Häute einen geschlossenen
Sack bildet. Diese Sonderbarkeit verschwindet indess
durch die von Baer gefundene Thatsache der Entwickelungsgeschichte
( F roriep’s Notizen. 848.), indem nämlich die Schwimmblase
als eine Ausstülpung des Schlundes sich ursprünglich bildet,
bei jenen Fischen also eine Abschnürung einer ursprünglich
stattfindenden Communication eintreten muss.
Ueber den Bau der Darmzotten, jener Verlängerungen des
Schleimhäutchens im Dünndarm, und ihr Verhältniss zur Resorption
ist bereits früher in dem Capitel vom Ursprung und Bau
der Lymphgefässe p. 260 gehandelt worden. Hier sind noch die
innerhalb des Dünndarms in der Schleimhaut vorkommenden
Drüsen zu erwähnen. Man hat dreierlei Formen davon unterschieden:
1. die Lieberkülin’schen Drüsen. Diess sind wohl jene unzähligen,
mit dem einfachen Mikroskop erst erkennbaren Löcher-
eben oder Vertiefungen, welche im ganzen Laufe des Dünndarms
in der Mucosa dicht neben einander Vorkommen, und bei hinreichender
Vergrösserung ihr das Ansehn eines Siebes geben.
Von diesen Vertiefungen ist bereits oben pag. 266 gehandelt.